nie, und das bezog sich auf einen langen Lebensabschnitt.
Damals begann ich mich für Mädchen zu interessieren. Im Gegensatz zu Charlie Dinsdale hatte ich es leichter, denn er arbeitete in der Gerberei seines Vaters in der Queen Street, wo sie Bänder aus Tierhäuten herstellten, die man als Spannbänder für die Webstühle in den Fabriken benutzte. Das Gerben war eine stinkende Arbeit, bei der die Haut mit einem Sud aus vergärender Eichenrinde getränkt wurde, woraufhin der Geruch in die Kleidung und die Poren aller Arbeiter eindrang. Es war ein „Parfüm“, das – wie Charlie schnell herausfand – die meisten Mädchen abstieß. Da ich nach frischer Luft, Flüssen und Moos roch, hatte ich natürlich kein Problem. Wir nahmen eifrig am Unterricht in der Sonntagsschule teil, hauptsächlich, weil wir das Mädchen mochten, das dort unterrichtete, und ich war mir ganz sicher, dass ich bessere Chancen bei ihr hatte. Am Ende bekam sie keiner von uns.
Meine erste Freundin war Ethel Whitaker, ein Mädchen aus Keighley, das in einem Schuhgeschäft in der Stadt arbeitete. Dadurch mangelte es mir nie an Schuhwerk. Ich muss ungefähr 14 gewesen sein, als wir miteinander ausgingen, aber das bedeutete lediglich zusammen durch die Stadt zu schlendern, ein Eis zu essen oder das Regent-Kino zu besuchen, in dem gepolsterte Zweisitzer in der letzen Reihe standen. Nach einer Weile machte ich mit ihr Schluss, da ich schnell gelangweilt war und mich auf meine Ausbildung und das Motorradfahren konzentrieren wollte. In der Zeit begann auch das Interesse fürs Wandern und Bergsteigen. Ich versuchte mich an der Felsformation „Cow and Calf“, die laut der Legende durch den Riesen Rombald entstanden war, der bei der Flucht auf den Felsen trat und die Kuh von ihrem Kalb trennte. Ich kletterte dort ohne Absicherung bis auf eine Höhe von 15 Metern hinauf, in ganz normaler Kleidung und mit Schuhen mit dicken Gummisohlen. Obwohl Bergsteiger abstürzten und sich verletzten, waren Helme für solche Aktivitäten erst viele Jahre später ein Thema.
Ich trat damals dem Jugendherbergsverband bei, wodurch ich im ganzen Land in brandneuen und komfortablen Einrichtungen preiswert übernachtete. Auch beim Skipton Potholing Club stand ich auf der Mitgliederliste, und wir erforschten die Höhlen oberhalb von Skipton und Grassington. Es waren Wasserhöhlen, durch Erosion des Kalksteins entstanden. Als Kopfschutz trug ich einen Trilby-Hut, gute, robuste und bis obenhin zugeschürte Stiefel sowie eine wesentlich enger geschnittene Tweedjacke als gewohnt, damit ich mich nicht verfing oder sie an einem scharfen Felsen aufriss. Nachdem mir Vater eine kleine Klappkamera geschenkt hatte, schloss ich mich noch der Keighley & District Photographic Society an, bei der er seine Fotoplatten entwickelte. Er war ein geduldiger Lehrer und motivierte mich immer, noch besser zu werden, mit Kommentaren wie: „Ist das wirklich das Beste, das du herausholen kannst?“ Meist schoss ich Fotos bei den Motorradrennen, während er weiterhin Szenen in und um Keighley einfing, von denen er wusste, dass sie von historischer Relevanz sein würden. Unter anderem knipste er das Verlegen der ersten Straßenbahnschienen in der Stadt, den Bau oder den Abriss verschiedener Gebäude, den Besuch von Würdenträgern, verschiedene Galas und die letzte Straßenbahn, die ins Depot zurückkehrte, wonach die Personenbusse das veraltete Beförderungsmittel ersetzten.
Als ich 15 war, hatte ich genügend Geld für eine vom Magazin The Motor Cycle organisierte Überlandomnibusfahrt zur Isle of Man gespart, um mir dort das TT-Rennen anzuschauen und dabei Fotos zu machen. Vater lieh mir netterweise seine Halbplattenkamera, die mit Abstand damals modernste Version, die man bekommen konnte (obwohl sie zehnmal so groß war wie die beliebte Box Browning). Es war der erste von zwei Besuchen im Sommer, die ich der Insel ohne Begleitung abstattete. Es ging zuerst zur Dampfschifffähre von Liverpool nach Douglas, eine Fahrt, bei der sich die Gesichter der Reisenden meist grün verfärbten. Glücklicherweise hatte ich damit keine Probleme. Bei der ersten Reise 1935 hatte ich meine eigenen Recherchen gemacht, und als ich dort ankam, platzierte ich mich direkt neben dem Pub Creg-Ny-Baa, einer wichtige Kurve, wo ich hoffte, einige Fotos von meinem Helden Stanley Woods zu schießen. Dort befand sich ein Café, in dem ich mir vom Geld meines Vaters ein Sandwich kaufte und eine Tasse Tee.
Über ein Tannoy-Lautsprechersystem hielt uns ein Ansager auf den neusten Stand, und als das Rennen begann, hätte die Aufregung nicht größer sein können. Während der ersten acht Runden schossen die Fahrer in solch einer Geschwindigkeit vorbei, dass wir nur das Dröhnen der Maschinen hörten, die stickigen Abgase rochen und ein verschwommenes Bild sahen. Die Fahrer exakt zu bestimmen, war ungemein schwierig, aber Stanley Woods erkannte ich selbst von hinten. Ich hörte den Kommentator und war höchst erfreut, dass mein Held in Führung lag. Während wir auf den nächsten Durchlauf warteten, schienen sich die anderen Zuschauer eher für das zu interessieren, was ich mit der Kamera anstellte, als für die aktuellsten Entwicklungen des Rennens. Ohne ein Stativ musste ich sie ganz ruhig halten, sie ausrichten und dann schnell von rechts nach links drehen, um Bilder von den Maschinen einzufangen, die mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h an uns vorbeirasten. Hätte ich mich zu schnell bewegt oder mit der Kamera gewackelt, wäre nur ein verschwommenes Foto entstanden. Erfreulicherweise gelangen mir einige gute Aufnahmen und ich fing sogar meinen Helden ein, der an diesem Tag gewann. Im folgenden Jahr zog er sich aus dem Rennsport zurück, sodass ich mich glücklich schätzen konnte, ihn noch einmal in voller Aktion gesehen zu haben und Vater und Onkel Billy alles darüber zu erzählen, als ich wieder zu Hause eintraf.
Billy zeigte höfliches Interesse an meiner Reise, doch die TT war für seinen Geschmack zu schnell und gefährlich. In jenem Sommer kamen zwei Fahrer ums Leben, jedoch nicht an dem Tag, an dem ich das Rennen besuchte. Onkel Billy interessierte sich mehr für seine alten Motorräder und die anstrengenden Zeitrennen, die Geschicklichkeit, Durchhaltevermögen und Kenntnis des Terrains voraussetzten. Als die Geschwindigkeiten zunahmen, wurden die Veranstaltungen immer gefährlicher, und viele Fahrer zogen sich Verletzungen zu. Tatsächlich ereigneten sich so viele Unfälle, dass der RAC [Royal Automobile Club] und die AA [Automobile Association] einknickten und bekannt gaben, dass die Rennen nicht mehr auf öffentlichen Straßen stattfinden durften. Ich sollte diese Art der Gefahr schon bald aus nächster Nähe erleben, denn nicht lange nach der Rückkehr von der Isle of Man hatte Billy einen schlimmen Unfall auf einer schmalen Straße nahe Guiseley, auf der er frontal mit einem Automobil kollidierte. Er erlitt eine schwere Kopfverletzung, von der er sich nie wieder erholte. Billy verbrachte einige Zeit im Keighley General Hospital, doch nach seiner Entlassung plagten ihn schreckliche Kopfschmerzen. Er konnte auch nicht mehr fahren, was höchst bedauernswert war. Ich wusste, dass er es wirklich vermisste.
Ein Jahr später – es war eine Nacht im Juni 1936 – wurde die ganze Familie in den frühen Morgenstunden durch Elsies panisches Schreien geweckt. Vater und ich warfen uns die Morgenmäntel über, schlüpften in die Pantoffeln und rannten zum Nachbarhaus, wo wir sie vollkommen aufgelöst vorfanden, mit einem Finger auf die Garage zeigend. Elise hatte an dem Tag an einer Exkursion der Handelskammer nach Edinburgh teilgenommen und war erst sehr spät heimgekehrt. Billy lag nicht im Bett. Als sie nach ihm sah, hörte Elsie das Geräusch eines laufenden Motors aus der Garage, aus der der Geruch von Abgasen drang, die – wie sie es später beschrieb – einen „merkwürdigen Geschmack“ in ihrem Mund hinterließen. Dann fand sie Billy auf dem Fahrersitz seiner historischen Limousine. Die Garage stand etwas abseits ihres Hauses und nur wenige Meter von meinem Zimmer entfernt, doch ich hatte rein gar nichts gehört.
Dad und ein zufällig vorbeikommender Passant gingen zuerst rein und stellten den Motor ab. Ich folgte ihnen, wonach wir alle hustend zurückwichen. Elsie stieß einen klagevollen Schrei aus. Mein geliebter Onkel Billy saß zusammengesackt auf dem Vordersitz und war zweifellos tot. Er wurde nur 55 Jahre alt. Wir werden es niemals eindeutig wissen, doch die Familie zeigte sich überzeugt, dass er sich selbst tötete, indem er während Elsies Abwesenheit in die abgedichtete Garage ging, sich in das Fahrzeug setzte und den Motor startete. Vater bat Mum, sich um Elsie zu kümmern und sie hineinzugeleiten, woraufhin er und ich Billys leblosen Körper ins Haus tragen mussten. Ich war 16 Jahre alt und werde niemals vergessen, wie wir seine Füße anhoben und mit der Last der Leiche meines geliebten Onkels aus der Garage zurückschlurften.
Nach Billys Tod entdeckte Dad, dass sein älterer Bruder in schweren finanziellen Problemen steckte, die sich – da er das Bauunternehmen größtenteils leitete – auch auf uns auswirkten. Es war ein so unglaublich trauriges Ende für einen von mir so geschätzten Mann. Ich hätte wirklich gern mehr gewusst, um seine Entscheidung besser verstehen zu können. Leider redeten wir nie wieder darüber.