Alfred Bekker

Sommer Krimi Koffer 2021 - 12 Romane


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war fast zwei Meter groß und sehr breitschultrig.

      Er war mal eine Weile Preisboxer auf Jahrmärkten gewesen. Zu Kaisers Zeiten.

      Seit dem Krieg hatte eine Stahlplatte im Schädel, die seinem ohnehin schon kantigen Kopf ein monströses Aussehen gab.

      Aber für die Tätigkeiten, für die ihn der Fette Frosch engagierte, war Stahl-Edes spezielle Mischung aus Gewalttätigkeit, Monstrosität und Irrsinn nicht unbedingt ein Nachteil. Wenn Stahl-Ede bei jemandem vor der Tür stand, um Schulden einzutreiben, wirkte allein der Anblick seines Kopfes so einschüchternd, dass sich die ausstehenden Gelder wie von selbst eintrieben. Und wenn dieser Mann in einem Bordell oder einem Cabaret dafür sorgte, dass irgendein Störenfried vor Tür gesetzt wurde, gab es selten ernsthaften Widerstand.

      Wenn doch, dann lernte man ihn kennen.

      Die wahnsinnige Seite von ihm nämlich, die manchmal die Oberhand gewinnen.

      Dann verhielt er sich wie ein Berserker und wusste kaum noch, was er tat. Notfalls nahm er es dann mit einem Dutzend Schlägern gleichzeitig auf, ohne auf sich und andere Rücksicht zu nehmen.

      Solange er genug Kokain bekam, blieb er meistens friedlich.

      Dann waren die Schmerzen nicht so schlimm, die hinter der Stahlplatte in seinem Kopf hämmerten.

      Jetzt wartete Stahl-Ede am Straßenrand und trat sich die Füße platt. Es war ein dunstiger, kühler Morgen. Die Zeitungsjungen verteilten die Morgenzeitungen. Das Kabinett hatte mal wieder gewechselt und es war von Neuwahlen die Rede. Das übliche eben.

      Stahl-Ede sog die Luft ein, was er immer mit einem eigenartigen Geräusch tat. Seine Nasenflügel bebten. Könnte wirklich bald auftauchen, der Fette Frosch!, ging es ihm durch den Kopf, während eine rote Welle aus purem Schmerz ihn überkam.

      Natürlich hätte er den Fetten Frosch in dessen Anwesenheit niemals so genannt.

      Dazu hätte selbst Stahl-Ede zuviel Respekt vor ihm gehabt.

      Aber wenn er nicht dabei war, dann sprachen alle über ihn als den Fetten Frosch und das war noch nicht einmal despektierlich oder abfällig gemeint. Ganz im Gegenteil, denn der Fette Frosch hatte vielen geholfen. Und darum halfen diese vielen ihm. So einfach war das. Geben und nehmen.

      Stahl-Ede kam langsam wieder zu sich. Der Schmerz ebbte ab.

      Er bemerkte, dass einer der Zeitungsjungen stehen geblieben war und ihn nun unentwegt und mit offenem Mund und großen Augen anstarrte.

      "Watt guckste?”, fragte Stahl-Ede.

      Der Junge konnte nichts sagen.

      Er starrte einfach nur und konnte damit anscheinend einfach nicht aufhören.

      "Noch nie einen Mann mit einem Stück Metall im Kopf gesehen?”, fragte Stahl-Ede dann und grinste schief.

      Der Junge rannte weg und verlor beinahe seinen Zeitungsstapel dabei.

      "Vor mir braucht niemand nicht Angst zu haben!”, rief er ihm hinterher. "Hörst du?”

      Vielleicht hörte der Junge es.

      Aber anscheinend glaubte er es nicht.

      Dann kam eine sechssitzige Limousine vom Typ Mercedes 24/100/140 PS die Straße entlang, wurde langsamer und hielt schließlich genau vor Strahl-Edes Füßen.

      Die Hintertür öffnete sich.

      "Steig ein!”, sagte eine Stimme.

      "Na endlich!”, sagte Stahl-Ede

      3

      Stahl-Ede nahm in dem geräumigen Mercedes Platz. Wie ein kleiner Omnibus kam ihm dieser Wagen vor. So groß war er.

      "Weiterfahren!”, sagte die Stimme an den Chauffeur gerichtet.

      Es war die Stimme des Fetten Froschs. Sein Gesicht wurde erst jetzt sichtbar, da es sich zuvor im Schatten befunden hatte. Aber nun wurde es von der tiefstehenden Morgensonne beschienen.

      "Wie geht es dir, Ede?”

      "Nicht gut.”

      "Ich hatte dir genug von dem weißen Pulver gegeben.”

      "Ich habe mehr gebraucht.”

      "Verstehe.”

      "Bin komplett blank.”

      "Nun...”

      "Haben Sie was für mich... Ich werd noch wahnsinnig!”

      "Das bist du schon, Ede.”

      "Haben Sie das Zeug dabei?”

      Der Fette Frosch langte in die Innentasche seines Mantels und holte ein Päckchen heraus.

      Das reichte er Stahl-Ede.

      "Hier.”

      Er wollte es öffnen.

      Aber der Fette Frosch schüttelte den Kopf.

      "Nicht hier.”

      "Wieso?”

      "Ich will nicht dabei sein.”

      "Es gibt kein Gesetz dagegen!”

      Es gab kein Gesetz gegen den Handel und den Konsum von Kokain. Aber es gab Gesetze, die es verboten, Eigentum der Reichswehr einfach zu verkaufen. Und es gab ein Gesetz gegen Hehlerei - und im Prinzip war es das, was man dem Fetten Frosch im großen Stil vorwerfen konnte. Er kaufte Waren an, von denen er wusste, dass diejenigen, die sie verkauften, gar nicht dazu befugt waren.

      Aber das waren Feinheiten, über die er sich mit Stahl-Ede gar nicht unterhalten wollte.

      "Nicht hier”, wiederholte der Fette Frosch. "Ich mag nämlich nicht, wie die Leute werden, wenn sie das Zeug genommen haben.”

      "Wie?”

      "Ich mag nicht, wenn sie unablässig dummes Zeug zu reden beginnen.”

      "Watt?”

      "Kokolores eben, verstehst du? Also tu mir den Gefallen und warte, bis du hier raus bist.”

      Stahl-Ede sah den Fetten Frosch mit einem schmerzverzerrtem Gesicht an. Aber er folgte der Anweisung des Fetten Froschs, ohne irgendeinen Widerspruch.

      Der Fette Frosch sagte dann: "Ich habe noch etwas anderes für dich.”

      "Was?”

      "Einen Moment.”

      Der Fette Frosch holte ein zweites Päckchen hervor. Es war schwerer und nicht