fanatischer Arbeiter. Ich verstehe nicht, wie ein Mann seiner Begabung es fertigbrachte, so plötzlich und unmotiviert auszusteigen."
"Ich verstehe das schon", stellte ich fest. "Er war nur auf seinen Auftrag fixiert, auf Mathematik, komplizierte Berechnungen und methodisches Denken. Irgendwann wacht so ein Mann auf und fragt sich, wofür er eigentlich lebt. Für die Arbeit? Gut und schön... Aber die Arbeit darf nicht erdrückend werden, sie darf nicht den Menschen vereinnahmen. Besonders die fanatischen Arbeiter gelangen irgendwann und irgendwo zu der Erkenntnis, dass sie ihr Leben verpfuscht und in falsche Kanäle geleitet haben. Das führt dann zu einer Gegenreaktion. Viele schmeißen den Krempel von einem Tag zum anderen hin und beginnen ein neues Leben. Es sieht so aus, als hätte Franky zu diesen Typen gehört."
"Glauben Sie, dass er einen Knacks bekommen hat? Es gibt Leute, die das glauben."
"Ich würde das einfacher formulieren. Er hatte seine Arbeit satt, sie kotzte ihn förmlich an. Verzeihen Sie, junges Fräulein, meine harsche Wortwahl. Klar, er hätte zu seinem Vorgesetzten gehen und sagen können: Ich bin fertig mit euch, ich will etwas Anderes machen, lasst mich gehen. Aber so einfach wäre das nicht gewesen. Kein Vorgesetzter hätte es sich leisten können, ihn mit einem Schulterklopfen und allen guten Wünschen für die Zukunft zu entlassen. Frank Steinfurt wusste das. Deshalb verschwand er ohne ein Wort, ohne jede Erklärung. Er brach alle Brücken hinter sich ab, tauchte in Groß-Berlin unter und lernte hier dieses Fräulein kennen..."
"Ist Ihre Erklärung nicht um ein paar Schattierungen zu naiv?", erkundigte sich Karla Klausner.
"Wieso?"
"Seine Freundin wurde getötet, und er musste verschwinden. Was steckt dahinter?"
"Das kann ganz simple Ursachen haben", sagte ich. "Vergessen Sie nicht, dass Erika Fuchs praktisch zur Bande dieser Burschen um Krawulke gehörte. Ich wette, sie hat manches krumme Ding mitgedreht, oder zumindest davon gewusst. Das kann sie in Verwicklungen gebracht haben, die schließlich mit ihrer Ermordung endeten. Was ich vorgebracht habe — die erfundene Story von dem angeblichen Anruf des Mörders —, das könnte in der Praxis durchaus stattgefunden haben. Frank Steinfurt tauchte unter, um nicht in die Mordaffäre verwickelt zu werden."
"Diese Version ist denkbar", meinte Karla Klausner, "aber es gibt noch andere Möglichkeiten, die wir in Betracht ziehen müssen."
"Ich weiß. Wir wären nicht hier, wenn die Beantwortung gewisser Fragen für die Sicherheit und Abwehrkraft dieser Stadt nicht von überragender Bedeutung wäre."
"Glauben Sie wirklich, dass es helfen wird, wenn Sie sich hier als Frank Steinfurt einnisten?"
"Es ist ein Versuch wert", meinte ich.
"Da ist zum Beispiel dieser Michael Krawulke. Angeblich hat er — wie die anderen der Bande — Franky Steinfurt niemals zu Gesicht bekommen, aber Michael war anfangs verdammt sicher, dass ich nicht mit dem Flugzeugspezialisten identisch sein könnte. Warum?"
"Sie glauben, Frank Steinfurt könnte tot sein und Michael Krawulke wusste darum?"
"Das wäre möglich", nickte ich. "Michael kann ihn aber auch einmal gesehen haben und aus Gründen, die ich im Moment nicht deuten kann, davor zurückschrecken, dieses Treffen zuzugeben."
"Ich glaube nicht, dass diese Burschen einen Mord begangen haben oder ihn decken würden", sagte Karla Klausner nachdenklich. "Schließlich gehörte Erika zu ihnen."
"Warum haben sie dann zugelassen, dass die junge Frau sich mit einem Mann liierte, der sich weigerte, unter die Menschen zu gehen...? Mit einem Mann, der nicht bereit war, auch nur einen von ihnen zu sehen oder zu sprechen?"
Karla sah mich an.
"Ich glaube, dass sie seine Eigenheiten und seine Lage respektierten. Vielleicht ist ihnen das nicht leichtgefallen, aber Erika wird es verstanden haben, ihre Bedenken zu zerstreuen."
"Jedenfalls wird sich herumsprechen, dass Franky Steinfurt zurückgekehrt ist", sagte ich langsam.
"Wenn Franky tot sein sollte, wird sein Mörder aufkreuzen und herauszufinden versuchen, was es mit dem falschen Steinfurt für eine Bewandtnis hat. Wenn Steinfurt jedoch das Versteck dazu benutzt haben sollte, mit seinen Kenntnissen einen schwunghaften Handel zu betreiben, werden früher oder später ein paar von den Leuten auftauchen, mit denen er dunkle Geschäfte machte."
"Glauben Sie, dass er dazu imstande sein würde? Halten Sie ihn für einen Verräter?"
"Nach allem, was wir von ihm wissen, war er ein loyaler Diener seines Staates", sagte ich, "aber schon sein Ausbrechen deutet an, dass er auch fähig war, völlig unvorhersehbare Dinge zu tun."
Ich machte eine kurze Pause und fügte hinzu: "Das Risiko, dass Herr Fischbein und ich sehen, besteht darin, dass Frank Steinfurt nicht nur von uns, sondern auch von den Feinden der Republik gesucht wird. Wenn diese Leute Steinfurt auf ihre Weise durch die Mangel drehen, müssen zwangsläufig wichtige Staatsgeheimnisse den Besitzer wechseln. Ich sage nur ein Stichwort: Versailler Verträge. Wir würden ganz schön in der Klemme sitzen. Den Auftrag, an dem Frank Steinfurt mitarbeitete, wurde schließlich vom Reichspräsidenten persönlich abgezeichnet."
"Hoffen wir, dass nichts dergleichen schon passiert ist. War es eigentlich der alte Reichspräsident Ebert, oder ist es erst jetzt, zu Zeiten Hindenburgs erfolgt?", erkundigte sich Karla.
"Ebert war bestimmt der Auftraggeber, soweit ich weiß. Jedenfalls kam es von ganz weit oben! Und jetzt muss es schnell gehen", sagte ich.
"Herr Fischbein hat mir für die Bewältigung der Aufgabe genau vierzehn Tage gegeben. Sechs davon sind bereits verstrichen. Ich habe sie dazu benutzt, ein paar wichtige Recherchen anzustellen, aber sie haben mich nicht vorangebracht."
"Sie sehen Frank Steinfurt aber kaum ähnlich", stellte Karla Klausner fest.
"Ich weiß. Aber wir hatten niemand, der seinem Aussehen entspricht. Immerhin habe ich sein Alter und seine Größe."
"Die Schupos des hiesigen Reviers sind aber von Ihrer Aufgabe unterrichtet, nicht wahr?"
"Nur der örtliche Polizeimajor."
"Das ist gut. Jede überflüssige Information erhöht die Gefahr, dass etwas durchsickert."
Als wir das Haus, in dem ich die Mansarde bewohnte, erreichten, sagte ich: "Wir trennen uns jetzt. Ich trage Ihnen noch den Koffer nach oben, dann setze ich mich in die Kneipe. Mal sehen, was ich dem Wirt entlocken kann."
"In meinem Koffer befindet sich eine Vorrichtung zur Aufspürung von Abhöranlagen", sagte Karla. "Während Sie mit dem Wirt sprechen, werde ich die Mansardenwohnung sehr gründlich untersuchen. Wenn ich Sie oben im vertrauten Du-Jargon empfange, werden Sie wissen, dass wir belauscht werden und dass es notwendig ist, das Franky-Steinfurt-Spiel fortzusetzen."
"Okay", sagte ich. "Dann weiß ich Bescheid."
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