Alfred Bekker

Sommer Krimi Koffer 2021 - 12 Romane


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auf Anhieb keinen Beweis. Der Pass lautete auf den Namen Franky Edward Kräutner, geboren am 12. 4. 1900. Steinfurt war am 13. 5. 1900 geboren. Aber das hatte nichts zu sagen. Wer auch immer den Pass angefertigt hatte, er musste ein Meister seines Fachs gewesen sein, ein Spitzenkönner, von dessen Existenz und Arbeit wir noch nichts wussten. Weder die Schutzpolizei, noch meine Unterweltkontakte. Das einzige, was den Pass wenig überzeugend wirken ließ, war die Tatsache, dass er brandneu aussah.

      "Gerade frisch ausgestellt", sagte ich spöttisch und gab ihm den Pass zurück.

      "Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen", meinte er und sah mich dabei ganz unschuldig an.

      "Was soll das alles, Frank?", fragte ich. "Sie werden so lange von uns gejagt werden, bis wir wissen, was es mit Erika Fuchs Tod und Ihrem Verschwinden für eine Bewandtnis hat."

      Er steckte sich eine Zigarette an. Seine Hände zitterten kaum merklich.

      "Sie verwechseln mich", sagte er. "Ich bin Frank Kräutner."

      "Wären Sie bereit, eine Gegenüberstellung mit einigen Ihrer Kollegen auf sich zu nehmen?"

      "Ich habe keine Kollegen", sagte er. "Ich bin selbständiger Handelsvertreter."

      "Und - womit handeln Sie?"

      Vorsichtig beugte ich mich vor.

      "Mit dem Tod", sagte er trocken und zuckte dabei nicht einmal mit der Wimper.

      13

      Ich blinzelte ungläubig. Alle möglichen Ausreden hatte ich erwartet. Nur diese eine nicht.

      "Sie machen was? Sie handeln... mit dem Tod?", echote ich.

      "Ja", sagte er und lächelte zaghaft. Er war sich seiner Antwort bewusst. "Ich verkaufe Bedarfsartikel für Begräbnisinstitute. Totenhemden. Sargausstattungen. Meine Liste umfasst vierzehnhunderteinunddreißig Gegenstände. Wussten Sie, dass der Tod so reichlich garniert werden kann?"

      "Ja, das weiß ich."

      "Dann ist es ja gut."

      "Wer sind Ihre Abnehmer? Nennen Sie mir ein paar Ihrer Kunden", hakte ich weiter nach.

      Er spulte ein paar Firmennamen herunter, die ich mir merkte.

      "Erlauben Sie, dass ich mit einigen dieser Firmen Kontakt aufnehme?", vergewisserte ich mich.

      "Bitte", antwortete er.

      "Aber tun Sie bitte nichts, was meinen Interessen schaden könnte. Schließlich ist das mein Beruf, und ich habe keine Lust, mit der Kundschaft Ärger zu bekommen oder bei ihr in ein schiefes Licht zu geraten."

      Das Telefon hing neben dem Filzvorhang hinter der Theke. Der grüne Vorhang trennte das eigentliche Ladenlokal von den hinteren Räumen des Lokals. Ich stand auf, drehte die Kurbel und ließ mich verbinden.

      "Müller", sagte ich dann. "Ich habe eine Frage. Sie kennen doch Herrn Kräutner?"

      "Kräutner? Warten Sie mal... Ist das nicht der Handelsvertreter von der Begräbnisartikelgesellschaft?"

      "Ganz recht", sagte ich.

      "Frank Kräunter, nicht wahr?" Der Mann am anderen Leitungsende lachte laut.

      "Der Mann mit dem größten Witzpotential..."

      "Ich habe seine Adresse verloren", sagte ich. "Könnten Sie sie mir wohl geben, bitte?"

      "Seine Geschäftsadresse, meinen Sie."

      "Ich brauche die Privatadresse, aber die Geschäftsanschrift tut’s auch, über die kann ich ihn ja erreichen", sagte ich.

      Einen Moment schweigen in der Leitung. Es knisterte.

      "Warten Sie, da muss ich nachsehen. Nein, das hat keinen Zweck. Seine Adresse habe ich nicht. Doch, auf der Rechnung. Moment."

      Während ich wartete, musterte ich Frank Steinfurt unauffällig. Was hatte ihn darauf gebracht, sich als Frank Kräutner zu tarnen und mit Begräbnisartikeln zu handeln? Ich war sicher, dass es leicht sein würde, diese Tarnung auffliegen zu lassen.

      "Hallo, hören Sie mich?", meldete sich mein Gesprächspartner. Das Knistern in der Leitung ließ etwas nach.

      "Hier habe ich die Adresse. Die Firma heißt ‚Zur Ruhe‘. Sie ist hier in Berlin in der Pappelallee, Postamt Treptow 1, wenn ich das richtig entziffert habe." Er nannte mir noch die Telefonnummer, die ich mir notierte.

      Frank Steinfurt verfolgte meinen Anruf mit erstaunlicher Gelassenheit. Irgendetwas machte ihn sehr sicher und überlegen. Ich hätte gern gewusst, worauf sich seine Zuversicht gründete.

      "Noch eine Frage", fiel mir plötzlich ein.

      "Ich möchte ganz sicher sein, dass wir vom gleichen Mann sprechen. Wie sieht der Herr Kräutner aus, den Sie kennen?"

      "Er ist etwa... Na ja, etwas über mittelgroß, schlank. Er hat dunkles, glattes Haar und tiefliegende Augen. Ich würde sagen, dass er an die Dreißig ist, wahrscheinlich etwas jünger. Genügt das?"

      "Seit wann besucht er Sie?"

      "Schon seit fünf oder sechs Jahren."

      "Danke", sagte ich und legte auf.

      Frank Steinfurt grinste matt. Er hatte allen Grund dazu. Die Beschreibung passte auf ihn. Und wenn es stimmte, dass er seit fünf oder sechs Jahren im Geschäft war, musste ich schiefliegen, denn Frank Steinfurt konnte unmöglich vor seinem Verschwinden Zeit oder Lust gehabt haben, hier in Berlin unter einem Deck-Namen mit Begräbnisartikeln zu handeln.

      Ich kehrte an den Tisch zurück und setzte mich.

      "Das ist doch ganz einfach", sagte ich.

      "Man hat Ihnen den Pass und die Identität eines Mannes verpasst, der Ihnen ähnelt. Für eine oberflächliche Untersuchung mag dies genügen, aber Sie müssen sich darüber klar sein, dass dieser Betrug keiner gründlichen Nachforschung standhalten wird."

      "Wer ist ,man‘?", fragte er.

      "Das kriegen Sie noch heraus."

      "Wäre es nicht an der Zeit, dass Sie Ihr Sherlock Holmes-Spiel aufgeben und mir sagen, mit wem ich es zu tun habe?"

      "Nein", sagte ich, "das erfahren Sie erst, wenn Sie die Güte haben, mich zum nächsten Polizeirevier zu begleiten."

      "Ich denke nicht daran, so etwas zu tun", stellte er fest und um seine Mundwinkel zog sich ein verkniffener Gesichtsausdruck.

      Ich lehnte mich zurück. Aus begreiflichen Gründen hatte ich keinerlei Legitimation bei mir. Ich besaß keine Handhabe,