weißt du, ehe wir erst über die Dörfer tuckern, lass uns die Autobahn fahren«, erwiderte Franziska. Die Strecke über den Harz war zwar landschaftlich schöner, aber man brauchte doch viel länger. Solange kein Stau die Fahrt auf der Südharzautobahn hemmte, sprach nichts gegen diese Strecke. Und eben in den Verkehrsmeldungen im Radio hatten sie nichts davon gehört. Schöne Landschaft gab es dann bei Alexander genug zu sehen, da war sich Franziska sicher.
Kurz darauf beförderten Michael und Franzi ihre Taschen in den geräumigen Kofferraum des Audi Avant. Der war zwar nicht mehr der Neueste, aber ein treuer, und zudem sparsamer, fahrbarer Untersatz. Auf ihrem Weg zur Autobahn hielten die beiden beim Landfleischer an. Es wäre sträflich gewesen, keine heimische Wurst mitzunehmen, da Alexander sie doch so liebte. Nun duftete das ganze Auto nach den herrlichen Köstlichkeiten.
»Wenn wir keine Gaststätte finden, plündere ich das Wurstpaket«, drohte Michael augenzwinkernd.
Wie im Verkehrsfunkt prophezeit, kamen sie gut voran. Nach dem Stück in Sachsen-Anhalt durchquerten sie Thüringen und den südlichsten Zipfel von Niedersachsen, ehe sie Hessen erreichten. Trotz einer Baustelle kamen sie recht zügig voran und fuhren nach reichlich zwei Stunden von der Autobahn ab. Vorbei an abgeernteten Feldern erreichten sie die Ausläufer des Sauerlands, deutlich zu erkennen am immer häufiger zu erblickenden Wald rechts und links der Straße, und näherten sich der Kreisstadt Korbach. Dort hatten Alexander und Heidrun vor einigen Jahren ein kleines Häuschen am Stadtrand gekauft und es sich nett eingerichtet. Ihr Sohn war zwar einige Jahre jünger als Anja und Martin, aber seit dem er zum Studium gegangen war, lebte auch er nicht mehr daheim.
»Nun sind wir fast da und haben immer noch nichts gegessen«, bemerkte Franziska direkt vor der Stadt, um die der Fernverkehr im weiten Bogen herum geführt wurde.
»Stimmt.« Michael bemerkte ebenfalls seit geraumer Zeit ein leichtes Hungergefühl. »Ich schlage vor, wir fahren ins Stadtzentrum und dort finden wir bestimmt etwas.« Von früheren Besuchen kannten sie die schön gestaltete Fußgängerzone mit den Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants, die bei Einheimischen wie Touristen sehr beliebt war.
»Aber bitte nicht ins Parkverbot stellen, du weißt wie schnell wir hier ein Knöllchen einfangen«, lästerte Franziska, die sofort wieder an den freundlichen Gruß der Stadtverwaltung nach dem letzten Besuch hier denken musste.
»Nein, noch einmal nicht«, grinste Michael. »Ich fahre ins Parkhaus und bezahle ganz brav, kommt billiger als das Ordnungsgeld.«
Darüber hatten sie bereits die Innenstadt erreicht, wo Michael ohne Probleme noch einen Platz im zentral gelegenen Parkhaus fand. Nur kurz darauf ließen sie sich an einem der Tische vor einem kleinen italienischen Restaurant nieder, das ihnen noch in guter Erinnerung war, und bestellten sich Pasta.
Nach dem Essen bummelten sie noch ein Stück durch die Straßen der alten Hansestadt, wo sich restaurierte Fachwerkhäuser und neu erbaute moderne Gebäude durchaus angenehm ergänzten. Wieder am Auto angekommen, war es inzwischen Zeit geworden, zu Heidrun zu fahren, die bestimmt schon mit dem Kaffee wartete.
»Da seid ihr ja endlich!«, empfing dann auch Alexanders Frau die Ankömmlinge an der Tür und begrüßte beide mit einer herzlichen Umarmung.
»Ich hoffe der Kaffee ist noch nicht kalt«, konterte Michael und zwinkerte ihr zu.
»Nein, nein, keine Panik. Wozu gibt es Thermoskannen«, erwiderte Heidrun. »Dann kommt erst mal rein.«
Im gemütlichen Wohnzimmer des kleinen Häuschens war der Kaffeetisch bereits gedeckt und wartete wirklich nur noch darauf, dass sich alle daran setzten.
»Wir wollten dich nicht so zeitig überfallen«, erklärte Franziska ihrer Schwägerin. »Und ich denke, mein Bruder glänzt sowieso noch mit Abwesenheit.«
Heidrun grinste. »Zum Abendbrot wird er aber da sein. Zumindest hat er versprochen, heute pünktlich zu sein. Morgen haben wir dann beide Urlaub. Finde ich gar nicht mal so schlecht, solch ein verlängertes Wochenende.«
Sie ließen sich den Kaffee und den von Heidrun selbst gebackenen Kuchen schmecken. Nachdem der Tisch abgeräumt war, verstauten Franzi und Michael ihre Taschen im Arbeitszimmer. Während Michael sich auf der Terrasse eine Zigarette anbrannte, gesellte sich Franziska zu Heidrun in der Küche, die eben begann, das Abendessen vorzubereiten.
»Wie geht es den Kindern? Und vor allem, was macht euer Enkelchen?«, wollte Heidrun von Franziska wissen. Franzi lächelte. »Die Kinder sind wohlauf und unser Fränzchen ist putzmunter. Ab und zu ist er am Wochenende bei uns, das macht jetzt schon richtig Spaß.« Sie dachte sofort an den letzten Besuch im Tiergarten.
»Hast du Bilder mit?«
»Ja, die kann ich dir nachher zeigen. Ich habe sie auf dem Handy. Seit ich eins mit Kamera besitze, bin ich nur noch am Knipsen«, bekundete Franziska lachend.
»Ich hoffe ja, dass unser Junior uns auch mal zu Großeltern macht«, sinnierte Heidrun. »Vielleicht nicht jetzt direkt im Studium, aber dann.« Sie ließ offen, wann das sein könnte, fügte jedoch direkt an: »Denny wohnt ja offiziell in einer WG, ich habe aber den Eindruck, dass das eine ziemlich zweisame WG ist.«
»Ach, lass ihn nur machen«, dämpfte Franziska die allzu großen Hoffnungen der Schwägerin. »Euer Sohn ist zwanzig, da wollen sich die jungen Leute heutzutage noch nicht fürs Leben festlegen.« Sie dachte an ihren Martin, der auch noch gar keine Gedanken ans Heiraten oder Kinder in die Welt setzen verschwendete.
»Komm, wir schauen uns jetzt die Bilder an.« Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer, während Michael noch immer auf der Terrasse saß und in einer von Alexanders Fachzeitschriften blätterte. Kichernd klickten sich die beiden Frauen durch die Handyfotos von Franziska, die nebenbei die eine oder andere Anekdote von ihrem kleinen Franz zum Besten gab.
Laut lachte Heidrun auf. »Schicken Nacken, ist ja köstlich!«
Franzi konnte den Wunsch nach einem Enkelkind durchaus nachvollziehen. Durch ihren Kopf spukte ja auch immer noch der Gedanke an ein weiteres Enkelchen.
Wahrhaftig pünktlich zum Abendessen traf auch Alexander ein.
»Na, seid ihr gut durchgekommen?«, erkundigte er sich, während er sich ein Stück Schnitzel in den Mund schob. Michael nickte nur mit vollem Mund.
Franziska bestätigte: »Alles bestens gelaufen.« Und schob gleich die Frage hinterher: »Was haben wir denn nun morgen vor?«
Während der Besuche hier bei Alex und Heidrun hatten sie schon einiges vom Sauerland kennengelernt. Sie hatten den Sommer am Diemelsee genossen und im Winter an der Mühlenkopfschanze in Willingen den Skispringern zugesehen. Sie waren schon hinauf auf den »Kahlen Asten« gefahren und zur Lennequelle gewandert. Einmal fuhren sie sogar nach Schmallenberg, dem Heimatort des Countrysängers Tom Astor, den sie sehr mochten, ohne jedoch den berühmten Star zu treffen. Und natürlich kannten sie sich inzwischen in und um Korbach ganz gut aus, was die touristischen Ziele betraf. An einem Regentag hatte Franziska die ganze Familie ins Museum geschleift. Da waren auch noch Martin und Denny dabei gewesen. Das Murren der Jungs hatte sie nicht gelten lassen, soviel Kultur durfte ab und zu mal sein. Doch was für morgen angedacht war, wusste sie nicht.
»Wenn es geht, keine große Wanderung«, brachte Michael sofort seine Befürchtungen zum Ausdruck.
Alexander schmunzelte amüsiert. »Da kann ich dich beruhigen, Schwager, das ist nicht geplant. Ich schlage vor, wir fahren zum Edersee. Noch ist Saison. Da meine Schwester immer etwas Kultur sucht, können wir Schloss Waldeck besichtigen.« Als er Michaels Gesichtsausdruck sah, ergänzte er: »Dort kann man auch ganz wunderbar speisen, ein Sternehaus, sage ich euch!« Worauf sich bei Michael der Blick sofort wieder aufhellte.
»Auf einen schönen Tag morgen!« Heidrun hatte die Gläser mit einem guten Wein gefüllt und nun erhoben die vier ihre Gläser, als plötzlich Franziskas Handy klingelte.
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