Isolde Kakoschky

Lenchens Baby


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die er nahm, führte in ein Industriegebiet am Rand der Stadt. Michael kannte es nur zu gut, musste er doch gelegentlich hier in der Brauerei Bier laden. Und dabei hatte er es entdeckt.

      »Huch, was ist denn das?«, rief Franziska auch schon aus, als sie das seltsam geformte Haus sah.

      »Na, sag ich doch, das Baumkuchenhaus.«

      Er stellte den Audi ab und wies Franzi den Weg zur Tür. Hier war das Hauptgeschäft des Tages anscheinend bereits vorüber, sie fanden einen schönen freien Tisch am Fenster und studierten die Speisekarte.

      »Ach so, jetzt verstehe ich«, nickte Franziska. »Es gibt nicht nur süßen Baumkuchen.«

      »So ist es«, bestätigte Michael. »Ich nehme den mit Würzfleisch.«

      »Also, auch wenn du das hier Abendbrot nennst, ich nehme den mit Schokolade und Eis.« Sie gaben ihre Bestellungen auf.

      »Woher wusstest du das?«, fragte Franziska und ließ dabei offen, was sie meinte.

      »Das Haus habe ich vor ein paar Jahren stehen sehen und mich drüber amüsiert«, erklärte Michael und wies quer über Parkplatz und Grünanlage zu einer Straße. »Dort

      habe ich Schichtpause gemacht und bin hergelaufen. Da habe ich natürlich was probiert.«

      »Und mir nichts davon erzählt«, schmollte Franzi.

      »Doch. Jetzt!«, grinste Michael, während der Kellner die beiden reichlich gefüllten Teller brachte. »Lass es dir schmecken!«

      »Oh Mann!«, stöhnte Franzi, als sie auch den letzten Krümel vertilgt hatte. »Ich wusste gar nicht, dass Baumkuchen so satt macht. Das war nun wirklich mein Abendessen. Mehr geht heute nicht mehr rein.«

      »Ich bin auch gut satt«, erwiderte Michael. Er winkte den Kellner heran, um zu bezahlen und ließ sich noch einen traditionellen Baumkuchen zum Mitnehmen einpacken. Dann traten sie die Heimfahrt an.

      »Es war wirklich schön heute«, meinte Franziska, während ihr Blick noch einmal in Richtung der Stadt ging.

      »Und das nächste Mal besuchen wir das Schloss.«

      »Das machen wir«, antwortete Michael. »Da haben wir solch eine schöne Natur vor der Haustür und so viele Sehenswürdigkeiten, aber wir kommen viel zu selten hin. Selbst im Urlaub hat man nichts als Termine. Morgen steht der Checkup bei der Frau Doktor an, übermorgen der Augenarzt und dann wollen wir ja bald zu Alexander fahren.«

      Gedankenverloren nickte Franzi zu Michaels Worten. Wie hieß doch so eine Redewendung? Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Das schien nicht nur bei Propheten so zu sein. Aber insgeheim gelobte sie Besserung.

      

       5

      

      

      Mit einem leisen Stöhnen, das aber auch irgendwie nach Aufatmen klang, ließ sich Heiko Borkhof auf einen Stuhl sinken.

      »Das war die letzte Fuhre.« Er nahm einen großen Schluck aus der Mineralwasserflasche. »Ich fahre jetzt den Transporter weg. Soll ich was zu essen mitbringen?«, wandte er sich an seine Frau und seinen Sohn.

      »Oh ja, Döner wäre gut!«, meinte Annika.

      »Lieber Pizza!«, hielt Lukas dagegen.

      »Na, einigen könntet ihr euch schon«, schmunzelte Heiko über die Wünsche seiner Familie.

      »Dann eben Pizza«, gab Annika nach, was bei Lukas ein kleines Jubelgeschrei auslöste.

      »Okay, beschlossen und verkündet, Pizza für alle«, bestätigte nun auch Heiko und erhob sich, um das Haus zu verlassen.

      Annika trank ebenfalls einen Schluck und widmete sich dann wieder den Kartons, die noch ausgepackt werden mussten. Seit Freitag waren sie fast ohne Unterbrechung zwischen ihrer alten Wohnung und dem neuen Haus gependelt. Nun schien das Ende in Sicht. Fertig, oder fix und fertig, wie sie sich selbst eingestand, waren sie bald. Zehn Jahre hatten sie in der Wohnung unten in der Stadt gewohnt; erstaunlich, was sich da so alles angesammelt hatte. Lukas hatte das Wochenende bei seinen Großeltern verbracht, erst mit der letzten Fuhre sammelte ihn Heiko dort ein. Noch ein bisschen unsicher schaute sich der Junge in seinem neuen Zuhause um.

      »Mama, schlafen wir heute hier im Haus?«

      Lächelnd stupste ihm Annika auf die Nase. »Ja, heute schlafen wir zum ersten Mal hier. Da musst du aufpassen, was du träumst. Es geht in Erfüllung.« Das hatte einst ihre Oma immer gesagt. Wenn es ein schöner Traum war, konnte man ja mal daran glauben. Ob sie allerdings so gut schlafen würden, schien ungewiss. Auch wenn nun alle Möbel hier waren und auch schon aufgebaut in den Räumen standen, würden sie die nächsten Tage noch nicht im Schlafzimmer übernachten. Am Dienstag oder Mittwoch wollten die Dachdecker anrücken. Und da die Schlafräume im oberen Stockwerk, direkt unter dem Dach, lagen, sahen sie von der Nutzung vorerst ab. Das Haus war alt, an die hundert Jahre bestimmt. Wer weiß, wie lange niemand etwas Grundlegendes am Dach gerichtet hatte, überlegte sie. Außer den Dachziegeln mussten nun auch die Dachbalken und die Sparren ersetzt werden. Das war sicherlich mit einer Menge Staub und Schmutz verbunden. Heiko hatte bereits eine große Plane beschafft, um die unteren Räume zur Treppe hin abzuschotten. Hier würden sie einstweilen auf dem Sofa schlafen. Für Lukas gab es ein Campingbett.

      Aber es war gut, dass das Dach nun direkt nach dem Kauf, noch vor dem Herbst und Winter neu gedeckt werden konnte. Da der Kaufpreis erschwinglich gewesen war, stockten sie den Bankkredit gleich noch um die erforderliche Summe auf. Heiko waren beim Bestellen der Handwerker seine guten Kontakte durchaus dienlich gewesen. Er verdiente sein Geld ja auch auf dem Bau, aber eher auf oder unter der Straße. Auf dem Dach rum zu klettern war nun gar nicht sein Ding.

      Annika beobachtete Lukas, der aus dem Fenster auf die schmale Siedlungsstraße vor dem Haus schaute und sein Lego-Auto auf dem Fensterbrett fahren ließ. Hier war es schön ruhig, nicht so laut und so voller Verkehr, wie unten an der Hauptstraße, ideal für Familien mit Kindern. Bestimmt würde der Junge bald Freunde finden. Ein Stück hin hatten sie einen kleinen Spielplatz entdeckt.

      Sie war so froh, dieses Häuschen nun ihr Eigen nennen zu können. An der Hinterseite schloss sich ein kleiner Hof und ein Garten an. Auf einer Grasfläche stand sogar noch ein stabiles Schaukelgerüst. Bestimmt hatten einst Franziska und Alexander dort gespielt. Lukas würde es auch hier gefallen, war sich Annika sicher. Im nächsten Frühjahr wollte sie etwas Gemüse anpflanzen. Momentan lag der Garten wohl seit Jahren brach, mindestens seit der alte Herr nicht mehr lebte.

      Der nächste Karton leerte sich langsam und in der Küche piepste der Geschirrspüler. Sie ging hinüber, um ihn auszuräumen. Einiges an Geschirr hatte Annika noch in der alten Wohnung gespült und dann verpackt, der Rest kam hier an die Reihe. Die neue Küche war schon seit voriger Woche fertig aufgestellt und angeschlossen, ein wahrer Segen. Beim Anblick des Herdes meldete sich der Hunger. Eigentlich müsste Heiko längst zurück sein, sagte ihr der Blick zur Uhr. Aber wahrscheinlich hatten heute noch mehr Leute keine Lust, etwas selbst zu kochen. Gut für den Italiener, schlecht für ihren Magen.

      Lukas schien es ähnlich zu gehen. »Kommt Papa bald?«, stand er fragend an der Küchentür. In dem Moment drehte sich der Schlüssel im Schloss.

      »Na endlich!«, riefen beide wie aus einem Mund.

      »Lass die Teller, Schatz«, sagte Heiko zu seiner Frau, die eben Geschirr auf den Küchentisch stellen wollte. »Heute essen wir direkt aus der Pappe, ich habe die Pizzen auch schneiden lassen. Du hast noch genug mit Geschirr und Abwasch zu tun.«

      Kaum standen die Kartons auf dem Tisch, griffen die drei zu und ließen sich ihre Pizza mit gutem Appetit schmecken. Vor dem Fenster senkte sich langsam die Dämmerung hernieder. Lukas gähnte herzhaft und auch Annika und Heiko spürten, wie nun, mit gefülltem Magen, die Müdigkeit von ihnen Besitz ergriff. Annika räumte die leeren Kartons zusammen.

      »Ich glaube, es ist das Beste, wenn