Anett Theisen

Charlys Sommer


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      Gemeinsam gingen sie hinein. Neben dem Unimog blieb er stehen, zückte sein Handy und tippte eine ganze Weile darauf herum, während Charly geduldig wartete. Schließlich fragte er unsicher: „Was würden Sie mir denn geben wollen?“

      „So, wie er da steht? Zweifünf.“

      Er sah zwischen ihr und dem Gefährt hin und her. Dann hielt er ihr die Hand hin. „Ok, gehört Ihnen!“

      Lächelnd schlug sie ein.

      ***

      Langsam rollte Charly hinter einem teuren Wagen durch die verwinkelten Gassen der Quedlinburger Altstadt. Als er den Blinker setzte, seufzte sie schicksalsergeben und blieb stehen. Die Sonne brannte für Mitte Mai unbarmherzig vom blauen Himmel, den keine Wolke trübte, und vom Motor der Ducati stieg eine beachtliche Hitze empor.

      ‚Ein Eis wäre jetzt genau das Richtige’, dachte sie und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.

      Unerwartet zügig und akkurat wurde der Wagen auf den Hotelparkplatz gesetzt und ein Mann wand sich geschmeidig vom Fahrersitz.

      ‚Attraktiv, aber zu alt’, kategorisierte sie ihn, dann nahm sie Maß, schnippte mit Schwung auf den Gehsteig und nutzte die beiden freien Parkplätze für eine halbe Wende, zur ganzen reichte es nicht. Rangierte einen knappen Meter zurück, schlug erneut komplett ein und fuhr dicht neben das Geländer.

      ‚Seitenständer raus und langsam ab’, dachte sie, wachsam kontrollierend, dass ihr Motorrad nirgendwo „Anstoß nahm“. Nahe genug, dass sie es am Geländer würde anschließen können, und Lenker und Heck wunderbar frei. ‚Perfekt!’

      Sie schwang sich ungelenk nach rechts vom Motorrad, gleichzeitig die Jacke der Kombi öffnend und den Helm abnehmend. Mit leisem Klappern fiel ihre Sonnenbrille zu Boden und sie unterdrückte den herzhaften Ausdruck, der ihr auf der Zunge lag. Stattdessen richtete sie hilfesuchend den Blick gen Himmel, schloss die Augen und verharrte so für einige lange Sekunden. „Eins nach dem anderen“, sagte sie halblaut.

      „Richtig“, erwiderte eine amüsierte Männerstimme und sie wandte sich hastig in die Richtung des Herrn im gut sitzenden Anzug, der unaufdringlich eine Armeslänge neben ihr stand. Er hielt ihr die Brille entgegen. „Schicke Maschine, passt zu Ihnen.“

      ‚Interessantes Lächeln, das ihn noch attraktiver macht’, stellte sie fest. ‚Jünger als Dad’, dachte sie, als sie die dargebotene Brille entgegennahm. „Danke“, entsann sie sich der Höflichkeit und einer leichten Geste, die Brille und Motorrad umfasste, und wandte sich mit unverbindlichem Lächeln ab. Ihr Bedarf an Anzugtypen war für heute gedeckt.

      Während sie die Schlösser aus dem Tankrucksack nahm, fühlte sie sich unbehaglich beobachtet, als ruhe sein Blick auf ihrem Rücken, doch nach wenigen Augenblicken klappte eine Autotür, dann schritt er mit einem freundlichen, aber distanziert grüßenden Lächeln die Straße hinunter und bog auf den Marktplatz. Trotzdem ließ sie sich viel Zeit, bevor sie ebenfalls zum Hotel schlenderte. Ihre Hoffnung erfüllte sich. Leer gähnte die Lobby gediegene Ruhe.

      Die Rezeptionistin turnte vor ihr die Treppen hinauf ins Dachgeschoss, und als sie endlich in ihrem Zimmer stand, fragte sie sich kurz, ob sie den Weg hinunter wieder finden würde, so verwinkelt waren die Flure. Instinktiv zog sie den Kopf ein, denn sie konnte nicht nur mühelos die Balken erreichen, sondern auch die Decke dazwischen. Vorsichtige Versuche zeigten jedoch, dass sie sich ungeachtet der niedrigen Höhen frei bewegen konnte. Plötzlich eilig ließ sie den Tankrucksack in den heimeligen Oma-Ohrensessel fallen, warf die Jacke der Kombi aufs Bett und kehrte, schon halb aus der Tür, noch einmal zurück, um die kleinen Fensterchen aufzureißen.

      Auf dem Markt holte sie sich am erstbesten Café eine Kugel Eis, und hastig das schnell schmelzende süße Zeug schleckend, wanderte sie zur Burg, ohne ihrer Umgebung viel Beachtung zu schenken. Sie hatte ihren Vater gebeten, Steven mit dem Krantransporter und dem vereinbarten Betrag zum Abholen des Fahrzeuges zu schicken und auf eine benachbarte Wiese gelümmelt dessen Ankunft erwartet. Seit sie Steven verabschiedet hatte, rechnete sie pausenlos nach, wann er mit seiner Fracht zu Hause sein könnte. Langsam wurde sie ungeduldig. Zu erwartungsvoll, um lange an einem Ort zu verweilen, streifte sie durch die Gassen und versuchte, die liebevoll gepflegten Blumen, das Summen der Bienen und die wärmende Sonne zu genießen. Schließlich fand sie sich auf den Stufen des Rathauses wieder. ‚Mach schon, melde dich’, dachte sie. Endlich klingelte ihr Handy.

      „Hi Dad.“

      „Du hast einen Unimog gekauft?“ Er klang nicht sonderlich begeistert. Schließlich gab es die wie Sand am Meer und die meisten waren ziemlich hinüber. Aber nicht dieser. Dieser war eine Fügung.

      „Hast du schon reingeschaut?“ Atemlos hielt sie die Luft an.

      „Wie denn? Erstens steht er noch auf dem Transporter …“

      „Lad ihn ab, Dad!“, unterbrach sie ihn. Sie war aufgeregt wie ein kleines Kind zu Weihnachten. Ungeduldig wartete sie darauf, dass das Fahrzeug abgeladen wurde. Endlich sprach ihr Vater, noch immer grummelnd, die erlösenden Worte. „Steht unten.“

      „Steven soll dir die Fahrertür aufmachen. Siehst du die Klappe zwischen Kabine und Aufsatz? Mach sie auf!“ Ihre Stimme vibrierte. Am anderen Ende blieb es eine Weile still. Dann klang ihr Vater genau so aufgeregt wie sie.

      „Ist nicht wahr!“

      „Doch!“, juchzte Charly unterdrückt. „Bau ihn auf, Dad! Wir gehen endlich auf Tour!“

      Coming Home – Sasha

      Charly zog schnell und routiniert durch die lange Rechtskurve, nahm das Gas weg und ließ den Motor die Maschine abbremsen, um die Rechts-Links-Kombination der Schikane mit größtmöglichem Schwung zu durchfahren. Als die Fußraste aufsetzte, schmunzelte sie. ‚Ein perfekter Abschluss für ein perfektes Wochenende.’

      Ihre Entdeckung hatte sie im besten Hotel Quedlinburgs gefeiert. Zuerst mit einem luxuriösen Dinner. Allein, obwohl die Rezeptionistin ihr einen Briefumschlag gereicht hatte, mit einer höflich bittenden Einladung zum Abendessen. Noch während sie nachdenklich, den gefalteten Zettel auf den Daumen der linken Hand tappend, auf der Kante eines Sessels in der Lobby hockte, kam der Fremde vom Hotelparkplatz die Stufen der Treppe herab und hatte sie gesehen, bevor sie reagieren konnte. Ihm auszuweichen wäre einem Weglaufen gleichgekommen, und sie stand auf, um ihre Ablehnung nicht aus der völlig nachteiligen Sitzposition heraus formulieren zu müssen. Wenn er über ihre Absage enttäuscht war, so verbarg er es gut und folgte ihr zum Eingang des Restaurants. Sie konnte keine Reservierung vorweisen und der Kellner zuckte bedauernd die Schultern. Da griff ihr Begleiter ein und überließ ihr seinen Tisch, drehte auf dem Absatz um und verließ Restaurant und Hotel mit schnellen Schritten.

      Obwohl sie während des Essens den Marktplatz im Auge behielt, sah sie ihn nicht zurückkehren, aber als sie zu ihrem Zimmer gehen wollte, saß er in der Lobby, scheinbar versunken in eine Tageszeitung. Zielstrebig ging sie auf ihn zu und er klappte raschelnd die Blätter zusammen. „Danke“, sagte sie einfach ohne weitere Erklärungen. „Darf ich Sie zu einem Glas Wein an der Bar einladen?“ Zufrieden registrierte sie die Überraschung, die kurz in seinen Augen aufblitzte.

      Er fing sich schnell und erhob sich. In Jeans und Hemd erinnerte nichts mehr an den Anzugtypen; er wirkte sportlich, und kurz streiften ihre Gedanken die Frage, was er beruflich machen mochte.

      „Gern.“

      Es blieb nicht bei einem Glas. Sie fand ihn interessiert, mochte, dass er ihr zuhörte und genauso bereitwillig von sich erzählte. Es wurde spät und allmählich begann sie, die Auswirkungen ihres frühen Starts und des Weins zu spüren. Suchend blickte sie über den Tresen und er kam ihr mit dem Herbeiwinken des Kellners zuvor und zahlte seine letzten beiden Gläser. „Ihre Einladung bezog sich schließlich nur auf ein Glas Wein“, hob er verschmitzt lächelnd hervor und sie zahlte ihre eigene Rechnung und sein erstes Glas, mit dem üblichen generösen Trinkgeld. „Obwohl ich es sonst bevorzuge, Damen in meiner Begleitung einzuladen.“

      Sie ließ