Anett Theisen

Charlys Sommer


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vom Bord und war dabei, die Batterie auszubauen. Als sie dies erledigt hatte, räumte sie den Schlüssel zurück an seinen Platz, drückte die Sitzbank in die Halterung und trabte zum Haus. ‚Lästig, aber nicht wirklich ein Problem. Ich hänge sie eben in der Werkstatt an den Strom und morgen läuft sie wieder.’

      Mit zwei Einkaufskörben am Arm kehrte sie zurück und ging zu dem großen Seitengebäude, dessen Stirnseite die Rückwand des Carports bildete. Die zur Straße gewandte Längsseite bestand aus zwei riesigen Schiebetoren. Charly stemmte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen den rechten Flügel und langsam rollte das schwere Tor auf. Dahinter herrschte Dunkelheit. Sie packte Körbe und Tankrucksack ins Auto, kletterte auf den Fahrersitz und parkte aus. Mühsam zerrte sie das Tor wieder zu und kurvte aus der Einfahrt.

      ‚Mit dem Tor muss ich mir etwas einfallen lassen – entweder saubermachen und ölen oder in eine neue Führung und Rollen investieren. Das eine ist zeitlich aufwendiger, das andere finanziell. Wenn ich meine Arbeitsstunden mit ansetze, kommt es wahrscheinlich auf das Gleiche raus’, überlegte sie. ‚Kaum bin ich rum, geht es am anderen Ende wieder los.’ Sie seufzte.

      ***

      "Hoi, Mopped kaputt?", wurde sie von den Kollegen begrüßt.

      „Batterie“, nickte Charly.

      „Na, man gut, dass du den Bus erwischt hast“, brummte Sepp, der Älteste unter ihnen, und alle lachten. Nur der Azubi schaute irritiert von einem zum andern. „Hier fährt doch gar kein Bus.“

      „Meiner schon“, grinste Charly schelmisch, obwohl ihr der Bursche leidtat. Aber so war es nun mal: Die Azubis hatten es auf der Baustelle nicht leicht, und das bisschen Neckerei schadete nicht. ‚Ich habe es schließlich auch überlebt.’

      „Ganz einwandfrei“, betonte sie noch.

      Die Männer lachten wieder.

      „Sie fährt einen Transporter“, erbarmte sich Sepp schließlich des Jungen, der immer noch verständnislos dreinschaute.

      „Kann ich doch nicht wissen“, maulte der.

      „Jetzt weißt du es ja“, antwortete Charly begütigend. „Ich geb dir heute Mittag was aus. Komm, sei ein Gentleman und pack mit an!“ Sie hievte sich einen der Balken für die Dachkonstruktion auf die Schulter. Gemeinsam bugsierten sie ihn nach oben.

      Der Vormittag verging in komfortabler Zusammenarbeit. Für den Nachmittag war das Richtfest geplant, das Wetter schön, die Aussicht auf die Fränkische Schweiz atemberaubend. Charly liebte die Bauzimmerei und das Dachstuhlsetzen ganz besonders. Auch wenn es oft schwere Arbeit war. Die Männer achteten darauf, dass es für sie nicht zu viel wurde; manchmal musste sie die Jungs eher bremsen, dass sie ihr nicht zu viel abnahmen. Anfangs hatten sie sich gegenseitig misstrauisch beäugt, aber inzwischen hatte sie sich Respekt und Achtung erarbeitet und ihren Platz im Team gefunden. Pfeifend hämmerte sie einen unterarmlangen Nagel in den Dachfirst, als unten ein blauer Porsche bremste und neben ihrem Bus parkte. Sie stutzte, der Hammer verfehlte sein Ziel – und ihre Hand – nur um Haaresbreite. ‚Das ist der Porschefahrer von der Ampel und gestern Abend’, stellte sie fest. ‚Was, zum Henker, macht der hier?’

      „Sepp?“, fragte sie halblaut.

      „Hm?“

      Sie wies beiläufig mit dem Kinn nach unten.

      „Der Architekt. Kennst du den nicht?“

      Sie schüttelte den Kopf. Dann kletterte sie eilig zum Giebel, hielt sich mit einer Hand am Dachfirst fest und beugte sich so weit wie möglich vor, um dem Mann nachzusehen. ‚Ich will nicht, dass er mich sieht, dem will ich auf der Straße begegnen!’ Das Bild stand ihr lebhaft vor Augen. Im Prinzip eine ähnliche Hetzjagd wie am Samstag, gerne noch etwas flotter, aber nicht mit verschiedenen Richtungen endend, sondern mit einem gemeinsamen Abend im Biergarten.

      ‚Romantisch im Sonnenuntergang’, dachte sie ironisch. ‚Ich wusste gar nicht, dass ich so kitschig sein kann.’

      „Soll ich dich vorstellen?“, schmunzelte Sepp, der sie offensichtlich amüsiert beobachtet hatte.

      Wieder schüttelte sie den Kopf. „Eher das Gegenteil.“

      Sepps Augenbrauen schnellten in die Höhe. „Ab mit dir, für kleine Mädels. Ich pfeif, wenn die Luft rein ist.“

      When Will I See You Again – The Three Degrees

      Gereon schaute auf die Uhr und sprang die letzten vier Stufen mit einem Satz hinunter. Er war spät dran. Zügig umrundete er den braunen Transporter, als sein Blick aufs Kennzeichen fiel. „CAT 2014.“

      ‚Zufall?’ – Er blickte zum Neubau zurück, zögerte, sah erneut auf die Uhr und stieg ins Auto. ‚Nachher, beim Richtfest’, sagte er sich.

      ***

      Bei den nächsten Terminen war er unkonzentriert und hibbelig. Schließlich setzte er sich aufatmend in den Porsche. Am Neubau erwartete ihn jedoch eine herbe Enttäuschung.

      Der Bus war weg.

      Und die anwesenden Männer der verschiedenen Gewerke schwiegen sich auf seine vorsichtigen Nachfragen hin auffällig eisern aus.

      Ridin’ Easy with the Sun – Sons of the San Joaquin

      Charly bog in ihre Einfahrt, parkte den Bus vor der Scheune und sprang aus dem Auto. Ihr erster Weg führte ums Haus. Amadeus, der sonst das Empfangskommitee auf dem Sims des Küchenfensters stellte, war nirgends zu sehen. An der Koppel erwartete sie eine Überraschung. Beatrix und Peter standen am Zaun, dahinter trabte nervös der Schimmel auf und ab. Der Hund lag zwischen den beiden und beäugte Charly aufmerksam.

      ‚Das erklärt Amadeus‘ Abwesenheit.’

      Auch die anderen Pferde vom Transport waren auf zwei Koppeln verteilt, fünf unter den alten Obstbäumen in Peters weitläufigem Garten, der Rest auf der Bachkoppel vorm Waldrand.

      „Wir haben sie schon rübergebracht. Der Doc war grade da und einige Helfer. Ich hoffe, das ist ok?“, erkundigte sich Beatrix. „Es sind alle gesund, entwurmt und geimpft haben wir sie trotzdem. Der Hengst verträgt sich auch gut mit deinen Tieren.“

      „Passt schon. Ich bin ganz froh, jetzt nicht noch fremde Rösser he­rumführen zu müssen“, antwortete sie und lehnte sich mit verschränkten Armen auf die oberste Latte des Koppelzaunes. Das Holz war rissig und rau, aber noch sonnenwarm. „Habt ihr Amadeus gesehen?“

      Peter deutete zum Apfelbaum. Dort saß der Kater in einer Astgabel, seine grünen Augen leuchteten misstrauisch durchs Laub und die weiße Schwanzspitze kräuselte sich aufgeregt hin und her. Charly ging zu ihm und hob ihn herunter, behielt ihn jedoch im Arm. Als sie zu den anderen zurückkehrte, knurrte er missbilligend und krallte sich in ihre Weste. Der Hund sah aufmerksam zu ihnen hoch, rührte sich aber nicht.

      „Du wirst dich mit ihm anfreunden müssen, Amadeus, oder zumindest abfinden“, sagte sie zum Kater, trug ihn dann zur Haustür, ließ ihn hinein und kehrte mit einer Decke, einem Sack Hundefutter und zwei Schüsseln zurück. Sie deponierte die Decke neben der Futterkiste, füllte eine Schüssel mit Wasser, die andere mit Futter und stellte sie daneben.

      „Ich hoffe, es gefällt dir hier, Hund. Demnächst überlegen wir uns einen Namen für dich. Und für deinen großen Kumpel.“

      Peter schmunzelte. „Der wird sich bald wie zu Hause fühlen. Ich schau morgens und abends nach den Pferden, damit du nicht soviel extra Arbeit hast.“

      „Danke“, lächelte sie zurück. „Ist mir ganz recht, ich werde die nächsten Wochenenden unterwegs sein. Ach, und am Donnerstag bleibe ich über Nacht weg. Ich besuche meine Mutter“, erklärte sie schuldbewusst.

      Beatrix lachte. „Mach dir keine Sorgen. Ich bin auch noch da. Nach deinen Pferden zu schauen, kriegen wir so eben hin, und einen Haus- und Hofhund hast du jetzt auch, der ungebetene Besucher fernhält.“

      Peter