langsam auf.
Zwischendurch blickt er unglücklich aus dem Fenster des Klassenzimmers, das im dritten Stock liegt. Sein Gesicht zieren immer noch einige rote Flecken.
Die ersten Jugendlichen verlassen das Klassenzimmer und zum wiederholten Mal beobachtet Frau Rieck, dass die Clique um Tim absichtlich Jasper schmerzhaft an der Schulter rammt. Das muss gleich auch zur Sprache kommen und Tim schnappe ich mir später auch, alleine, ohne seine Clique. Frau Rieck hat zusammengepackt und will auf Jasper zugehen, doch der ist verschwunden. Verdutzt sitzt Frau Rieck allein im Klassenzimmer.
Die wilde Panik vor seinen Mitschülern und der Klassenreise haben das Gespräch mit Frau Rieck komplett verdrängt. Jasper glaubt schon lange nicht mehr, dass sich jemand ernsthaft für ihn interessiert oder ihm helfen will. Alles erscheint so sinnlos, er fühlt nur noch Angst. Die bleischwere Tasche zerrt an seinem Arm. Wie in Trance bewegt sich Jasper zur Tür des Klassenzimmers.
Plötzlich steht er oben im Treppenhaus, stellt die Tasche ab, steigt ruhig und ohne zu zögern über das Geländer.
Jasper springt in die Tiefe.
August 2000
Die Augustsonne hat die kleine Küche aufgeheizt, obwohl Anne die Jalousie schon ganz früh heruntergelassen hat. Es ist stickig.
Die Familie sitzt gut gelaunt am Frühstückstisch, Anne gießt für Thore und sich Kaffee ein.
Ina und Markus trinken kalten Kakao.
Anne lächelt Thore zu: „Weißt du was, Thore? Mir ist gestern noch was eingefallen. Wenn die neue Kegelbahn und die Kneipe wirklich so toll sind, wie die anderen sagen, dann können wir doch da mit der Kegelmannschaft deine Beförderung feiern. Was meinst du?“
Thore grinst geschmeichelt, er ist mächtig stolz auf seine Beförderung in der Werkstatt. „Wird das nicht zu teuer, mit der ganzen Mannschaft?“
Anne schüttelt den Kopf. „Ina, hör' mal auf damit! Du sollst das Brot essen, nicht nur hin und her schieben. Nein, das hab' ich mir schon überlegt. Ich behalte doch meine Stelle in der Bäckerei. Wenn ich Glück habe, bekomme ich sogar ein paar Wochenstunden dazu. Also ist es nicht zu teuer. Vielleicht auch nur einen Umtrunk, was meinst du? Dann aber irgendwas Ausgefallenes, einen Cocktail oder so, jedenfalls mal was anderes als nur Bier.“
Jetzt ist Thore begeistert, er strahlt richtig. „Das ist eine tolle Idee. Wir sehen uns Bahn und Kneipe heute Abend an und dann planen wir das, okay?“
Anne nickt.
Heimlich lässt Ina ein Stückchen Brot im Kakao verschwinden.
Markus ruft: „Ich hab schon fünfzig Euro für meinen Boxsack gespart!“
Thore schaut überrascht, Anne hat es geahnt. „Wie hast du das denn so schnell geschafft?“, fragt Thore seinen kleinen Sohn und blickt Anne von der Seite an, die wissend lächelt und mit dem Kinn auf Markus deutet. „Ich kaufe keine Comics mehr, nie wieder!“
Alle, auch Markus, brechen in Lachen aus, denn keiner nimmt ihm diesen Vorsatz ab.
Anne und Thore räumen flink den Tisch ab. „Mensch Ina, das geht aber so nicht weiter. Das halbe Brot liegt ja im Kakao.“
Ina lächelt ihren Papa Hilfe suchend an.
„Ach Anne, sei nicht so streng. Vielleicht war es ja zu viel für die kleine Maus.“
Anne zuckt mit den Schultern.
Thore zieht die Jalousie etwas hoch und wirft einen Blick in seinen heiß geliebten Vorgarten, den jetzt bunte Sommerblumen zieren.
„Ina, hast du deine Blockflöte eingepackt? Du hast doch heute Nachmittag Musikschule!“
Ina kniet schon im Flur und kramt aufgeregt in ihrer Schultasche. „Ja, Mama!“
In voller Lautstärke kräht Markus: „Und morgen hab ich Training!“
Anne antwortet gelassen: „Ich weiß, mein Schatz!“
Fröhlich verlässt die Familie ihr Reihenhaus.
Keiner denkt an Jasper, niemals.
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