also das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Das aber, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, muss wirklich existieren. Denn sonst würde ihm ja etwas fehlen: das Existieren nämlich. Wenn Gott aber etwas fehlen würde, dann wäre er ja unvollkommen – also nicht das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Gott ist aber vollkommen. So haben wir ihn schließlich definiert. Also muss Gott existieren.
Anselm hat diesen Gedanken viel poetischer ausgedrückt. Vielleicht hat er ihn gar nicht als Beweis aufgefasst, sondern als Meditation, für Menschen, die bereits an Gott glauben, also nicht mehr überzeugt werden müssen. Als Beweis jedenfalls ist er untauglich. Das lässt sich mit folgendem Gegenbeweis veranschaulichen:
•Die Erschaffung der Welt ist das Größte. Sie ist also das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Gott aber wäre, wenn es ihn gäbe, größer als die Erschaffung der Welt. Das aber widerspräche der Prämisse. Also existiert Gott nicht.
Einen ähnlichen Gegenbeweis von Douglas Gasking zitiert Richard Dawkins in „Gotteswahn“ (S. 117).
Natürlich ist dieser Gedankengang unsinnig – aus denselben Gründen wie der Beweis des Anselm: weil man nicht von einem ausgedachten Begriff auf etwas real Existierendes schließen kann.
Die Wette des Pascal: Mag Gott eingeschüchterte Gläubige mehr als mutige Atheisten?
Ein anderer Beweis stammt von Blaise Pascal (1623–1662). Der französische Mathematiker, Physiker und Philosoph war von einem tiefen mystischen Erlebnis geprägt: 1654 erfuhr er „den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, nicht den der Philosophen und Gelehrten“. Die Erinnerung daran trug er, in den Saum seines Mantels eingenäht, stets bei sich.
Zu Pascals Zeit wollten viele Denker bereits Glauben und Wissen klar voneinander trennen. Ihm jedoch war das nicht geheuer. Er wollte Verstand und Herz zusammenführen.
Pascals Gottesbeweis, besser gesagt, seine „Wette“, ist sicherlich nicht seine beste Idee, aber wohl seine berühmteste. Im Grunde ist sie kein Beweis, sondern ein Überredungsversuch, aus pragmatischen Gründen sicherheitshalber an Gott zu glauben. Die Wette geht so:
•Gott existiert entweder, oder er existiert nicht. Die Vernunft kann das nicht entscheiden. Wir aber müssen uns entscheiden. Denn wir müssen unser Leben gestalten, und wir haben dabei keine andere Wahl, als entweder auf die eine oder auf die andere Option zu setzen. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als die folgende Wette einzugehen:
-Option 1: Ich glaube an Gott. Dann gewinne ich entweder – falls Gott nicht existiert – nichts oder ich gewinne – falls er existiert – alles: die ewige Seligkeit.
-Option 2: Ich glaube nicht an Gott. Dann gewinne ich entweder – falls er nicht existiert – nichts oder ich verliere – falls er existiert – alles: die ewige Seligkeit.
Sprich: Wer an Gott glaubt, kann nichts verlieren, aber alles gewinnen. Wer nicht an ihn glaubt, kann nichts gewinnen, aber alles verlieren. Es ist also klar, worauf man bei der Lebenswette setzen sollte: auf Gott.
Wie Pascal selbst zugibt, hat die Sache freilich einen Haken: Nur weil ich es für schlau halte, an Gott zu glauben, kann ich noch lange nicht tatsächlich an ihn glauben. Insofern beweist die Wette nicht nur nichts – sie bewirkt auch nichts.
Eines gefällt mir an Pascals Wette: Er tut nicht so, als ob wir objektiv über Gott nachdenken könnten. Nein: Unser Leben ist endlich, die Zeit läuft, und je länger wir fruchtlos darüber nachgrübeln, ob ein Gott existiert, desto mehr Zeit verstreicht ungenutzt. Wenn wir also mit unserer existenziellen Grundentscheidung nicht in die Pötte kommen, bevor unsere Lebenszeit abgelaufen ist, dann haben wir unser gesamtes Leben entscheidungslos vertan. Vor dieser Gefahr will Pascal warnen.
Am Ende aber vergaloppiert er sich, zumindest aus heutiger Sicht. Der Atheist Richard Dawkins legt den wunden Punkt von Pascals Argumentation offen: Angenommen, es gäbe einen Gott – wer sagt denn, dass ihm so viel daran läge, dass wir an ihn glauben? Vielleicht wäre ihm ein ehrlicher Atheist lieber als ein eingeschüchterter, ängstlich Kosten und Nutzen abwägender Gläubiger?
Der ethnologische Beweis: Können fast alle menschlichen Kulturen irren?
Der dritte Beweis wurde bereits in der Antike vorgetragen, von Marcus Tullius Cicero (106–43), Stilikone des klassischen Latein. Dieser ungeheuer vielseitige Vollblut-Politiker befasste sich vor allem dann mit Philosophie, wenn es in der Politik nicht so gut lief und er deshalb zur Untätigkeit verdammt war. Was die Existenz der Götter betrifft, war er eher skeptisch. Sein Beweis scheint ihn selbst also nicht so recht überzeugt zu haben:
•Alle Völker glauben an etwas Göttliches, ohne dass sich die Völker darüber untereinander abgesprochen hätten. Also muss dieser Glaube eine reale Grundlage haben.
Diese große Übereinstimmung ist in der Tat beeindruckend und kann für religiöse Menschen eine Bestärkung sein. Aus Sicht der Naturalisten ließe sich jedoch einwenden: Was die Völker im Einzelnen glauben, unterscheidet sich so sehr voneinander, dass es ihren Glauben eher widerlegt als bestätigt. Und was soll es schon bedeuten, wenn sie einen Glauben miteinander teilen? Lange Zeit haben nahezu alle Kulturen geglaubt, dass die Erde im Zentrum des Alls stehe. Dabei haben sie sich von ihrer Intuition täuschen lassen. Genauso lässt sich täuschen, wer heute der naiven Intuition folgt, dass alles eine göttliche Ursache haben müsse.
Ein religiöser Mensch könnte dagegen zu bedenken geben: Vielleicht steht hinter dem Glauben der Völker mehr als Naivität? Vielleicht beruht er auf spirituellen Erfahrungen, die wir heute kaum noch machen, weil unser Zugang zu unserer Tiefendimension verschüttet ist?
Der teleologische Beweis: Ist in der Natur ein göttlicher Plan erkennbar?
Den vierten Gottesbeweis hat unter anderem Thomas von Aquin (1225–1274) vertreten. Der Dominikaner schärfte seinen Verstand, unbeeindruckt von päpstlichen Verboten, an „heidnischen“ Autoren und wurde so zum wohl größten katholischen Theologen aller Zeiten. Sein Gottesbeweis heißt „teleologisch“, zu Deutsch „zielorientiert“, weil Thomas davon ausgeht, dass in der Natur eine Zielorientierung erkennbar ist:
•Gott erkennen wir an der Ordnung und Zweckmäßigkeit, die wir in der Natur und in ihren Gesetzen vorfinden. Von den laufenden Verbesserungen, die wir in der Natur beobachten, können wir auf eine göttliche Weltenlenkung schließen.
Liegt also der Natur ein göttlicher Plan zugrunde? Ihre überwältigende Schönheit und Komplexität wird sicherlich immer wieder Menschen zu diesem Schluss führen. Allerdings sehen das wohl die meisten Naturwissenschaftler heute anders. Sie erklären die Entstehung des Lebens und den Artenreichtum ohne einen Gott mit der Evolutionstheorie.
Der Kontingenzbeweis: Wäre unsere zufällige Welt möglich ohne ein absolutes Wesen?
Der fünfte Beweis taucht ebenfalls bei Thomas von Aquin auf:
•Die Welt müsste es nicht unbedingt geben: Alles in ihr ist nicht notwendig, sondern entbehrlich, weil es entsteht und vergeht – die Fachleute sagen: Die Welt ist „kontingent“. Alles, was kontingent ist, muss aber auf eine Ursache zurückgehen, die nicht kontingent ist, sondern absolut. Das absolute Wesen aber ist Gott.
Dagegen lässt sich einwenden: Was soll die strenge Unterscheidung zwischen notwendig und nicht notwendig bedeuten? Was soll damit gesagt sein, dass die Welt nicht notwendig ist? Und selbst wenn sie das wäre: Wieso folgt daraus, dass sie zwangsläufig eine notwendige Ursache braucht?
Der Schöpfungsbeweis: Können wir Gott an seinen Werken erkennen?
Dieser Gottesbeweis findet sich in der Bibel, im ersten Kapitel des Paulusbriefs an die christliche Gemeinde von Rom. Paulus (vor 10 v.