Seele ohne Vergangenheit, aber mit einer Zukunft, durch die Geburt des Körpers erschaffen, doch unzerstörbar durch den Tod des Körpers. Doch dies ist eine gewaltsame und irrationale Annahme, eine unbewiesene Vorstellung ohne Wahrscheinlichkeit. Sie impliziert die Schwierigkeit eines Geschöpfes, das in der Zeit beginnt, aber in alle Ewigkeit fortdauert, ein unsterbliches Wesen, dessen Existenz auf einen physischen Zeugungsakt angewiesen ist, das selbst jedoch stets gänzlich unphysisch und unabhängig von dem aus der Zeugung hervorgegangenen Körper ist. Diese Einwände sind für den Verstand unüberwindlich. Doch erhebt sich hier auch die Schwierigkeit, dass diese Seele eine Vergangenheit erbt, für die sie in keiner Weise verantwortlich ist, oder dass sie belastet wird mit beherrschenden Neigungen, die ihr nicht durch ihr eigenes Tun auferlegt wurden, und dass sie doch für ihre Zukunft verantwortlich ist, die so behandelt wird, als wäre sie keineswegs durch jenes oft beklagte Erbe, damnosa hereditas, oder jene unfaire Erschaffung determiniert, sondern wäre ganz ihr eigenes Werk. Wir sind hoffnungslos das, was wir sind, und sind doch verantwortlich für das, was wir sind – oder zumindest für das, was wir in Zukunft sein werden, was unvermeidlich zum größten Teil durch das bestimmt wird, was wir von Anfang an waren. Und wir haben nur diese eine Chance. Plato und der Hottentotte, das vom Glück begünstigte Kind von Heiligen oder Rishis und der geborene geschulte Verbrecher, der von Anfang bis Ende in der niedrigsten stinkenden Korruption einer modernen Großstadt untergetaucht ist – sie alle haben gleichermaßen durch Handeln oder Glauben aus diesem einen ungleichen Leben ihre ganze ewige Zukunft zu erschaffen. Dies ist ein Paradox, das die Seele wie die Vernunft, das ethische Empfinden wie die spirituelle Intuition verletzt.
Es gibt auch die verwandte Idee, hinter der eine Wahrheit dunkel schimmert, dass die Seele des Menschen etwas Hohes, Reines und Großes ist, das in das materielle Dasein fiel und durch den Gebrauch seiner Natur und seines Tuns im Körper sich erlösen und zu seiner eigenen himmlischen Natur zurückkehren muss. Doch es ist klar, dass dieses eine irdische Leben nicht für alle genügt, um diese schwierige Rückkehr zu bewerkstelligen, sondern vielmehr wohl die meisten sie tatsächlich ganz verfehlen; und wir müssen dann entweder vermuten, dass eine unsterbliche Seele zugrundegehen oder zur ewigen Verdammnis verurteilt werden kann, oder aber, dass sie mehr Leben hat als dieses armselige, gefährliche eine, das ihr offenbar gegeben wurde, mehrere Leben oder Seinszustände, die zwischen ihrem Fall und der endgültigen Bewerkstelligung einer sicheren Erlösung liegen. Doch die erste Vermutung ist allen Schwierigkeiten jenes anderen Paradoxes ausgesetzt. Abgesehen von dem Problem, warum dieser Herabstieg erfolgt ist, ist schwer einzusehen, wie diese verschiedenen Seelen direkt vom himmlischen Sein unmittelbar in solche äußerst unterschiedlichen Abstufungen bei ihrem Fall geraten sein sollen, und zwar so, dass jede einzelne für die im Übrigen grausamen und ungleichen Bedingungen verantwortlich ist, unter denen sie so summarisch ihre ewige Zukunft zu bestimmen hat. Jede muss doch sicherlich eine Vergangenheit gehabt haben, durch die sie für ihre gegenwärtige Lage verantwortlich wurde, wenn sie so streng gehalten werden soll, dass sie über alle Auswirkungen und über den Gebrauch, den sie von ihrer oft allzu dürftigen, missgünstigen und zuweilen ganz hoffnungslosen Gelegenheit macht, Rechenschaft abzulegen hat. Die eigentliche Natur unseres Menschseins setzt für die Seele sowohl eine variierende, wesentliche Vergangenheit als auch eine sich daraus ergebende Zukunft voraus.
Annehmbarer ist daher eine neuere Theorie, die vorschlägt, dass ein Geist oder mentales Wesen von einer anderen, höheren Ebene herabgestiegen ist und die materielle Existenz auf sich genommen hat, als die physische und tierhafte Evolution weit genug vorangeschritten war, dass eine menschliche Einkörperung auf der Erde möglich wurde. Er schaut auf eine lange Reihe menschlicher Leben zurück, die an dem Punkt beginnt, der jeden von uns in seinen jetzigen Zustand gebracht hat, und nach vorn auf eine sich noch fortsetzende Reihe, die alle Leben durch ihre eigenen Stufen und nach ihrer eigenen Zeit zu irgendeiner Erfüllung, Verklärung, Rückkehr bringen wird, die die sich selbst verkörpernde menschliche Seele erwartet und die Krönung ihres langen Mühens ist. Doch auch hier stellt sich wieder die Frage: Wodurch kommt diese Verbindung eines spirituellen Wesens und einer höheren mentalen Natur mit einem physischen Wesen und einer niedrigeren Tiernatur zustande? Wodurch wird dies Aufgreifen eines niedrigeren Lebens durch den Geist erforderlich, der hier Mensch wird? Es könnte gewiss scheinen, dass hier eine Vorverbindung bestanden haben muss; das besitzende mentale oder spirituelle Wesen muss die ganze Zeit dieses niedrigere Leben, das es so in Besitz nimmt, für eine menschliche Manifestation vorbereitet haben. Die ganze Evolution wäre dann von Anfang an eine geordnete Kontinuität, und das Eingreifen von Mental und Geist wäre kein plötzliches, unerklärliches Wunder, sondern ein Zutagetreten dessen, was immer schon dahinter stand, ein offenes Aufgreifen des manifestierten Lebens durch eine Kraft, die insgeheim immer schon die Lebensevolution geleitet hat.
Diese Theorie der Wiedergeburt setzt eine Evolution des Seins in der materiellen Welt von der Materie zum eingekörperten Mental und einen universalen Geist voraus, der diese Evolution beseelt, während unser individueller Geist im Universalen existiert und seinen Lauf nach oben nimmt zu einer beabsichtigten Vollendung oder Befreiung oder zu beiden, die uns am Ende winken mögen. Viel mehr noch kann es bedeuten, doch zumindest dies; eine Seelen-Evolution das eigentliche Faktum, ein Annehmen immer höherer Formen die erste Erscheinung. Wir könnten der menschlichen Seele in der Tat eine Vergangenheit und eine Zukunft zuerkennen, diese aber unter und über diese irdische Ebene stellen und nur eine zufällige oder absichtliche Existenz auf Erden gelten lassen. Doch würde dies zwei Ordnungen progressiver Existenz bedeuten, die unverbunden sind und sich doch für einen kurzen Moment treffen. Es gäbe eine irrende menschliche Einzelseele, die in die geordnete irdische Evolution hereinkommt und beinahe sofort wieder hinausgeht ohne jede verbindende Ursache oder Notwendigkeit. Doch bleibt insbesondere das Phänomen des weitgehend irdischen Tierwesens und der Natur dieser spirituellen und überirdischen Wesenheit ohne befriedigende Erklärung, dieser Seele, ihr Befreiungskampf und die unendlich wechselnden Stufen, auf denen es ihr in verschiedenen Körpern gelang, die niedere Natur zu beherrschen. Eine vergangene irdische Seelen-Evolution, die für diese Veränderungen und Stufen unseres Mischwesens hinreichend verantwortlich ist, und eine künftige Seelen-Evolution, die uns fortschreitend hilft, die Gottheit des Geistes zu befreien, scheint die einzig richtige und annehmbare Erklärung für diese schwere Arbeit einer an die Materie gefesselten Seele zu sein, die eine wandelbare Stufe des Menschseins inmitten einer allgemeinen, fortschreitenden Erscheinung von Leben, Mental und Geist in einem materiellen Universum erreichte. Wiedergeburt ist der einzig mögliche Mechanismus für eine solche Seelen-Evolution.
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Kapitel 5
Die Bedeutung der Wiedergeburt
Worte Sri Aurobindos
Das Problem, das wir selbst sind – warum wir hier sind, was wir sind, was hinter und vor und um uns ist und was wir mit uns selbst, unseren inneren Bedeutungen und unserer äußeren Umgebung anfangen sollen – das ist die Frage, die mit allen ihren Verwicklungen die Summe der Philosophie ist und in die letztlich alles menschliche Forschen einmündet. In der Vorstellung der entwicklungsmäßigen Wiedergeburt, sofern wir sie als Wahrheit erkennen und ihren Prämissen und Folgerungen zustimmen können, finden wir einen hinreichenden Anhaltspunkt für eine Antwort auf alle diese untereinander verbundenen Seiten dieser einen immerwährenden Frage. Eine spirituelle Evolution, für die unser Universum den Schauplatz und die Erde die Bühne bildet, obwohl ihr Plan noch vor unserem doch begrenzten Wissen zurückgehalten wird – diese Art, das Leben zu sehen, ist ein lichtvoller Schlüssel, mit dem wir viele dunkle Türen aufschließen können. Aber wir müssen diese Evolution im richtigen Blickwinkel betrachten, um ihre wahren Proportionen zu erhalten, und besonders, um sie nicht so sehr in ihrem mechanischen Ablauf, sondern vielmehr in ihrer spirituellen Bedeutung zu sehen. Versäumen wir dies, dann werden wir in philosophische Spitzfindigkeiten verstrickt und auf dieser oder jener Seite zu übertriebenen Negationen gedrängt, und unsere Aussage, so vollkommen ihre Logik auch sein mag, bleibt doch für das Gesamtverständnis und die vielschichtige Seele der Menschheit unbefriedigend und ohne Überzeugungskraft.
Die bloße Vorstellung wiederholter Geburten als Prozess unserer Seelen-Existenz führt uns nicht viel weiter als die simple materielle Wirklichkeit dieses einzelnen Lebens im Körper, diese erste Tatsache unserer bewussten Empfindung und Erinnerung,