festes und tiefes Offensein gegenüber neuer spiritueller Erfahrung bei, schneller zu einem immer größeren Licht fortschreiten, und in der Zwischenzeit können wir damit sicheren Schritts marschieren und ungefährdet unsere Hauptaufgabe in Angriff nehmen, unser Wesen wachsen zu lassen und zu vervollkommnen. Der Nutzen des philosophischen Geistes liegt darin, unserer Denkweise die nötige Weite und Offenheit zu geben – wenn er sich nicht ebenfalls selbst einengt durch einen geschlossenen Kreis metaphysischer Dogmen –, und außerdem stützt er die Harmonie unseres sonstigen Handelns durch die ruhige Zustimmung der höheren Vernunft.
Nun liegt die Ausgangshypothese zu diesem Thema „Seele und Wiedergeburt“ ganz offen vor uns; die Schranke ist gefallen. Denn so viel steht jetzt fest: Die Naturwissenschaften können uns den Schlüssel zu dem Vorgang liefern, aber keinen Einfluss auf die Wirklichkeit der Dinge ausüben. Das bedeutet, dass das Physische nicht das ganze Geheimnis von Welt und Dasein ist und dass auch in uns der Körper nicht das Ganze unseres Wesens ist. Wir gelangen also aller Wahrscheinlichkeit nach durch etwas Supraphysisches in der Natur und in uns selbst, das wir Seele nennen können, was auch immer die eigentliche Substanz der Seele sein mag, zu jener größeren Wahrheit und subtileren Erfahrung, die unseren von den Naturwissenschaften gezogenen engen und strengen Kreis vergrößern und uns der Wirklichkeit näher bringen wird. Auch der rationalste Geist kann jetzt durch nichts gehemmt werden – denn wahrer Rationalismus, wirkliches, freies Denken braucht nicht mehr mit einer Leugnung der Seele und dem Ausspähen von Wahrheiten spiritueller Philosophie und Religion gleichgesetzt zu werden, wie es eine Zeitlang allzu voreilig und intolerant der Fall war –, nichts kann uns davon abhalten, fest entschlossen auf den Gewissheiten spiritueller Erfahrung voranzuschreiten, welche es auch immer sein mögen, die für uns der Boden unseres inneren Wachstums oder die Säulen auf unserem Weg der Selbsterkenntnis geworden sind. Dies sind Seelen-Wirklichkeiten. Doch der eigentliche Rahmen, den wir diesem Wissen geben werden, wird am besten von weitreichender spiritueller Erfahrung gebildet, unterstützt von größeren Intuitionen, bestärkt durch die Hinweise einer weiten philosophischen Vernunft und fruchtbar nutzend, was immer wir an hilfreichen Fakten von Naturwissenschaft und Psychologie erhalten können. Dies sind Wahrheiten des Seelenvorgangs; ihr volles Licht muss durch Erfahrungswissen und Beobachtung der Welt um uns und in uns gewonnen werden.
Die Anerkennung eines Vorhandenseins der Seele kann nicht an sich schon, durch ihre eigene Notwendigkeit, durch irgendeinen unerlässlichen nächsten Schritt, dazu führen, dass die Wiedergeburt akzeptiert wird. Diese unerlässliche Konsequenz kann erst eingeführt werden, wenn es so etwas wie eine Seelen-Evolution gibt, die sich stets selbst Geltung verschafft und zur ständigen Ordnung des Daseins und zum Gesetz des Zeitprozesses gehört. Außerdem ist so etwas wie das Geltenlassen einer individuellen Seele eine erste Bedingung für die Wahrheit der Wiedergeburt. Denn es gibt eine plausible Theorie des Daseins, die eine All-Seele annimmt, ein universales Sein und Werden, dessen greifbares Ergebnis die materielle Welt ist, die jedoch nicht eine bleibende Wahrheit unserer spirituellen Individualität gelten lässt. Die All-Seele kann sich kontinuierlich entwickeln, kann ihr Werden langsam, doch mit Nachdruck herausbilden; aber jeder individuelle Mensch beziehungsweise jedes offenbare Einzelwesen ist für diese Denkweise nur ein Augenblick der All-Seele und ihrer Evolution; aus dieser erhebt sie sich durch die Bildung, die wir Geburt nennen, und sinkt in sie zurück durch die Auflösung, die wir Tod nennen. Aber diese begrenzende Vorstellung kann nur Bestand haben, wenn wir einer schöpferischen biologischen Evolution und ihrem Instrument physischer Vererbung mit der ganzen Ursächlichkeit unseres mentalen und spirituellen Wesens Glauben schenken; doch in diesem Fall haben wir weder eine wirkliche Seele noch ein wirkliches Mental, unsere Seelen-Persönlichkeit oder unser spirituelles Werden ist eine Frucht unseres Lebens und Körpers. Die Frage der Wiedergeburt dreht sich nun fast gänzlich um die eine Grundfrage nach der Vergangenheit des Einzelwesens und seiner Zukunft. Wenn die Schöpfung der ganzen Natur der physischen Geburt gutgeschrieben werden soll, dann sind Körper, Leben und Seele des Individuums nur eine Fortsetzung von Körper, Leben und Seele seiner Ahnen, und für eine Seelen-Wiedergeburt ist nirgends Platz. Der einzelne Mensch hat kein von ihnen unabhängiges vergangenes Sein und kann keine unabhängige Zukunft haben; er kann in seiner Nachkommenschaft weiterleben – das Kind kann sein zweites oder fortgesetztes Selbst sein, wie die Upanishaden es ausdrücken –, doch es gibt keine andere Wiedergeburt für ihn. Kein fortdauernder Strom der Individualität, geleitet von irgendeiner mentalen oder spirituellen Person, überlebt siegreich den Tod des Körpers. Wenn andererseits irgendein Element in uns ist, und gar noch das wichtigste von allen, das nicht nur so erklärt werden kann, sondern eine Vergangenheit oder eine künftige Evolution voraussetzt, die sich von der des Gattungsgeistes und der physischen Abstammung unterscheidet, dann wird eine irgendwie geartete Seelen-Geburt zur logischen Notwendigkeit.
Nun scheinen gerade hier die Ansprüche der physischen und vitalen Evolution und Vererbung als Grund und Ursache unseres ganzen mentalen und spirituellen Seins zu versagen. Gewiss hat es sich gezeigt, dass unser Körper und der größte Teil unserer Lebenstätigkeit weitgehend das Ergebnis von Vererbung sind, jedoch nicht so, dass sie eine unterstützende und möglicherweise wirklich vorherrschende psychische Ursache ausschlössen, die sich von einem Abstammungsbeitrag unterscheidet. Es wurde nachgewiesen, wenn man so will, dass unsere bewusste Vitalität und die davon abhängenden Teile des Mentals – etwas vom Temperament, etwas vom Charakter, bestimmte Impulse und Neigungen – weitgehend von der entwicklungsmäßigen Vererbung geformt – oder nur von ihr beeinflusst? – sind; jedoch nicht, dass sie gänzlich auf diese Kraft zurückzuführen wären, dass es keine Seele, keine spirituelle Wesenheit gäbe, die diese Instrumentierung akzeptiert und benutzt, ohne jedoch deren Erzeugnis oder ihr in ihrem Werden hilflos ausgeliefert zu sein. Noch mehr sind die höheren Teile unseres Mentals von spiritueller Unabhängigkeit geprägt. Es sind keine hilflosen Formationen entwicklungsmäßiger Vererbung. Dennoch stehen alle diese Dinge offensichtlich sehr stark unter dem Einfluss der Umwelt und deren Druck und Möglichkeiten. Und wenn wir wollen, können wir daraus einen einschränkenden Schluss ziehen; wir können sagen, dass sie eine Phase der Welt-Seele sind, ein Teil des Prozesses ihrer Entwicklung durch Auslese; die Gattung, nicht das Individuum, ist der kontinuierliche Faktor, und alle unsere nur scheinbar, nicht wirklich unabhängigen individuellen Anstrengungen und Errungenschaften hören mit dem Tod auf, mit Ausnahme des Anteils an unserem Gewinn, der von einem geheimen Willen oder einer bewussten Notwendigkeit im universalen Sein oder im fortdauernden Werden ausgewählt wurde, um in der Gattung weiterzubestehen.
Gelangen wir jedoch zu unseren höchsten spirituellen Elementen, finden wir, dass wir hier eine sehr klare und souveräne Unabhängigkeit erreichen. Wir können weit über jede Determinierung durch die Umwelt oder durch den Druck der Rassen-Seele hinaus unsere eigene Seelen-Evolution durch die beherrschende Kraft unserer spirituellen Natur weiterführen. Ganz abgesehen von irgendeinem Beweis eines Weiterlebens auf anderen Ebenen oder irgendeiner Erinnerung an vergangene Geburten ist dies Rechtfertigung genug dafür, dass wir jede Theorie des vergänglichen Einzelwesens und der alleinigen Wahrheit des evolutionären Universalen als unzureichend zurückweisen. Gewiss zeigt sich das Einzelwesen hierdurch nicht als von der All-Seele unabhängig; es mag vielleicht nur eine Form von ihr in der Zeit sein. Doch für unseren Zweck genügt es, dass es eine fortdauernde Seelen-Form ist, nicht begrenzt durch das Leben des Körpers und mit seinem Tod aufhörend, sondern unabhängig darüber hinaus fortdauernd. Denn wenn es so von der physischen Rassen-Kontinuität in der Zukunft unabhängig ist, wenn es sich so fähig zeigt, seine eigene künftige Seelen-Evolution in der Zeit zu bestimmen, muss es ein solches unabhängiges Dasein insgeheim durchgehend gehabt haben, und es muss in Wirklichkeit auch seine vergangene Seelen-Evolution in der Zeit bestimmt haben, obschon zweifellos ein anderer, indirekter Nachdruck darauf bestand. Möglicherweise kann es in der All-Seele nur während der universalen Kontinuität existieren, es mag aus ihr in jene aufgestiegen sein, es kann schließlich in sie übergehen. Oder es kann im Gegenteil in seiner eigenen Seelen-Evolution schon vor, oder besser gesagt, unabhängig von der universalen Kontinuität existieren und es gibt eine Art ewiges Individuum. Doch für die Theorie der Wiedergeburt genügt es, dass eine geheime Seelen-Kontinuität des Individuums vorhanden ist und nicht nur eine rohe Aufeinanderfolge von Körpern, die von der All-Seele mit einer ganz flüchtigen Illusion mentaler oder spiritueller Individualität erfüllt werden.
Es gibt Existenztheorien,