Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter

Die Evolution der Seele und Natur


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dessen wahre Größe aber wegen seiner Involution oder Verhüllung in den Formen ihres Wirkens nicht erkannt werden konnte. Geist und Natur werden in der Entdeckung des Geheimnisses der Naturenergien am oberen Ende der spirituellen Evolution eins durch eine Seele in der Natur, die in der Befreiung der Wahrheit zur Bedeutung ihres eigenen Wesens erwacht: Die Seele erkennt, dass ihre Geburten die Geburten, das Form-Annehmen eines ewigen Geistes waren, um sich als sich selbst zu erkennen und nicht als ein Geschöpf der Natur, und sie erhebt sich zum Besitz der enthüllten, vollen und höchsten Kraft ihrer eigenen wirklichen und spirituellen Natur. Diese Befreiung kommt zu uns als Krönung einer spirituellen Evolution, weil Befreiung Sich-Selbst-Besitzen ist.

      Wir müssen die ganze dichte Bedeutung dieser Involution berücksichtigen. Der in die materielle Energie involvierte Geist ist mit allen seinen Kräften da; Leben, Mental und eine größere supramentale Macht sind in der Materie involviert. Doch was meinen wir, wenn wir sagen, dass sie involviert sind? Meinen wir, dass alle diese Dinge ganz verschieden sind, voneinander abgeschnitten durch essentielle Abtrennung, doch durch Wechselwirkung zusammen aufgewickelt, oder meinen wir, dass es nur ein einziges Sein gibt mit seiner einen Energie, mit wechselnden Schatten des Lichts seiner Kraft, differenziert im Spektrum der Natur? Wenn wir sagen, Leben sei in die Materie oder in materieller Kraft involviert – denn die Materie scheint im Grunde nur eine wechselnde, selbstersonnene Gestaltung dieser Kraft zu sein-, meinen wir denn damit nicht, dass dieses ganze universale Wirken, auch in dem, was uns als seine nichtbewusste, unbeseelte Tätigkeit erscheint, eine Lebensmacht des mit Gestaltung befassten Geistes ist und wir ihn nicht erkennen, weil er auf einer niedrigeren Stufe ist, wo die charakteristischen Merkmale, an denen wir das Leben erkennen, nicht klar zutage liegen oder in der Dumpfheit der materiellen Hülle nur gering entwickelt sind? Die materielle Energie wäre dann Leben, das in die Dichte der Materie hineingepackt wäre und in ihr sich heraustastete um seiner eigenen stärker erkennbaren Kraft willen, die es in sich selbst innerhalb der materiellen Verhüllung findet und zur Tätigkeit befreit. Das Leben seinerseits wäre eine Energie eines geheimen Mentals, eines Mentals, das in seinen eigenen Formen gefangen ist und in den nervösen Suchbewegungen des Lebens nach seiner stärker erkennbaren Macht des Bewusstseins bebt, die es in der vitalen und materiellen Unterdrückung entdeckt und zur Sensibilität befreit. Zweifellos wirken diese Kräfte praktisch als verschiedene Energien, doch ihrem Wesen nach wären sie eine einzige Energie, und ihre Wechselwirkung stellte die Macht des Geistes dar, der durch seine höheren auf seine niedrigeren Kräfte einwirkt, zunächst von ihnen abhängend, dann jedoch in einer Wendung auf der Stufenleiter seines Aufstiegs sie überragend und beherrschend. Auch das Mental könnte möglicherweise nur eine niedrigere Stufe und Formulierung sein, die von einem viel größeren oder supramentalen Bewusstsein abgeleitet ist, und dieses Bewusstsein mit seinem größeren Licht und Willen wäre ebenfalls eine charakteristische Ursprungsmacht des spirituellen Seins, die Macht, die in allem, im Mental, im Leben, in der Materie, in Pflanze, Metall und Atom durch ihr unumgängliches Wirken insgeheim ständig die Idee und Harmonie des Universums verbürgt. Und was ist der Geist selbst anderes als unendliches Dasein, ewiges, unsterbliches, doch immer bewusstes, sich selbst wahrnehmendes Sein – und darin liegt der Unterschied zwischen dem mechanischen Monismus des Materialisten und der spirituellen Theorie des Universums –, das sich hier in einer für unsere Begriffe endlichen Welt ausdrückt, von dem jedoch jede Bewegung Zeugnis für das Unendliche ablegt? Und diese Welt ist, weil der Geist die Wonne seines eigenen unendlichen Daseins und die Wonne seiner eigenen unendlichen Selbst-Variation hat; Geburt ist, weil alles Bewusstsein Macht von seinem eigenen Sein mitführt und alle Seinsmacht selbsterschaffend ist und die Freude ihrer Selbst-Erschaffung haben muss. Denn Erschaffung, Schöpfung bedeutet nichts anderes als Selbstausdruck; und die Geburt der Seele im Körper ist lediglich eine Art und Weise ihres eigenen Selbstausdrucks. Daher sind alle Dinge hier Ausdruck, Form, Energie, Tätigkeit des Geistes; die Materie ihrerseits ist nur Form des Geistes, das Leben nur Seinsmacht des Geistes, das Mental nur die Ausarbeitung von Bewusstsein des Geistes. Die ganze Natur ist eine Entfaltung und ein Spiel Gottes, Macht, Tätigkeit und Selbst-Erschaffung des einen spirituellen Seins. Die Natur bietet dem Geist zugleich die Kraft, das Instrument, das Medium, das Hindernis und das Ergebnis seiner Kräfte, und dies alles, die Hindernisse wie das Instrument, sind die notwendigen Elemente für eine allmählich fortschreitende und sich entwickelnde Schöpfung.

      Doch wenn der Geist seine ewige Größe in das materielle Universum involviert hat und dort seine Kräfte mittels eines geheimen Selbstwissens „herausentwickelt“, sie in einer grandiosen Aufeinanderfolge unter den selbstauferlegten Schwierigkeiten einer materiellen Seinsform offenbart, sie von einer ersten verhüllenden, in sich versunkenen Nichtbewusstheit der Natur entbindet, fällt es nicht schwer, zu glauben oder zu erkennen, dass diese in die Menschheit hineingebildete Seele ein Sein von diesem Sein ist, dass auch dieses aus der materiellen Involution heraus durch wachsenden Selbstausdruck in einer Reihe von Geburten aufgestiegen ist, von welchen jede Stufe eine neue Kammlinie darstellt, die die Aussicht auf höhere Kräfte des Geistes eröffnet, und dass dieses Sein noch weiter hinaufsteigt und durch die gegenwärtigen Wände seiner Geburt nicht für immer beschränkt ist, sondern in eine göttliche Menschheit hineingeboren wird, wenn wir es wollen. Unser Menschsein ist der bewusste Treffpunkt des Endlichen und des Unendlichen, und es ist unser Privileg, auch in dieser physischen Geburt immer mehr diesem Unendlichen entgegenzuwachsen. Dieses Unendliche, dieser Geist, der in uns wohnt, aber nicht durch Mental oder Körper gebunden oder eingeschlossen wird, ist unser eigenes Selbst, und unser Selbst zu finden und zu sein, war, wie die alten Weisen wussten, stets das Ziel unseres menschlichen Strebens, denn es ist das Ziel der ganzen unendlichen Tätigkeit der Natur. Doch die Natur dehnt sich durch stufenweise Selbstfindung zu ihrer spirituellen Wirklichkeit aus. Der Mensch selbst ist ein doppelt involviertes Wesen; das meiste von ihm im Mental und darunter ist in ein unterschwelliges Bewusstsein oder Unterbewusstsein involviert; das meiste von ihm über dem Mental ist in ein spirituelles Überbewusstsein involviert. Wenn er im Überbewusstsein bewusst wird, werden die Höhen und Tiefen seines Wesens durch ein Wissenslicht beleuchtet, das anders ist, als es die flackernde Lampe der Vernunft jetzt in einige Ecken werfen kann; denn dann wird der Sieger dieses ganze wunderbare Feld seines Seins erleuchten, wie die Sonne das ganze Planetensystem beleuchtet, das sie aus ihren eigenen Herrlichkeiten hervorgebracht hat. Dann erst kann der Mensch die Wirklichkeit seines eigenen Mentals, Lebens und Körpers erkennen. Das Mental wird in ein größeres Bewusstsein verwandelt werden, das Leben wird eine direkte Macht und ein direktes Handeln der Gottheit sein, und gerade auch der Körper wird nicht mehr dieser erste grobe atmende Lehmklumpen sein, sondern regelrecht ein Bild und Körper spirituellen Seins. Zu dieser Verklärung auf dem Gipfel des Berges, zur göttlichen Geburt, divya janma, sind alle diese Geburten eine lange Reihe mühseliger Schritte. Eine Involution des Geistes in der Materie ist der Beginn, aber das spirituelle Annehmen einer göttlichen Geburt ist die Fülle der Evolution.

      Ost und West haben entgegengesetzte Lebensanschauungen, die zwei Seiten einer Wirklichkeit sind. Auf der einen Seite die pragmatische Wahrheit, die das vitale Denken des modernen Europa so stark und ausschließlich betont, weil es in die Lebenskraft, in den ganzen Tanz Gottes in der Natur verliebt ist; auf der anderen Seite die ewige, unwandelbare Wahrheit, der sich der in Ruhe und Ausgeglichenheit verliebte indische Geist mit der gleichen unbedingten Sucherleidenschaft gerne zuwendet: Zwischen beiden ist die Trennung nicht so scharf, der Streit nicht so heftig wie der jetzt vom parteiischen Mental, von der aufspaltenden Vernunft und der verzehrenden Leidenschaft eines ausschließlichen Verwirklichungswillen ausgerufene. Die eine ewige, unwandelbare Wahrheit ist der Geist, und ohne Geist hätte die pragmatische Wahrheit eines sich selbst erschaffenden Universums weder Ursprung noch Grundlage; sie wäre bedeutungsarm, ohne innere Führung, letztlich verloren, die Schaustellung eines ins Leere verpuffenden Feuerwerks. Doch die pragmatische Wahrheit ist auch nicht ein Traum des Nicht-Existierenden, eine Illusion oder ein langes Dahingleiten in ein sinnloses Delirium schöpferischer Fantasie; das hieße, aus dem ewigen Geist einen Trinker oder Träumer, einen Narren seiner eigenen gigantischen Wahnvorstellungen zu machen. Die Wahrheiten des universalen Daseins sind von zweifacher Art: Wahrheiten des Geistes, die ihrerseits ewig und unwandelbar sind, und das sind die Größen, die sich selbst hinaus ins