Gerhart Hauptmann

Vor Sonnenaufgang


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Asche, wollte sagen der . . . der Tabak . . . ä! Rauch natürlich . . . der Rauch belästigt Dich doch wohl nicht?

      LOTH.

      Nein.

      HOFFMANN.

      Wenn ich das nicht noch hätte . . . ach Gott ja, das bischen Leben! – nu aber thu’ mir den Gefallen, erzähle was. – Zehn Jahre – bist übrigens kaum sehr verändert – zehn Jahre, ’n ekliger Fetzen Zeit – was macht Schn . . . Schnurz nannten wir ihn ja wohl? Fips, – die ganze heitere Blase von damals? Hast Du den Einen oder Anderen im Auge behalten?

      [15]LOTH.

      Sach ’mal, solltest Du das nicht wissen?

      HOFFMANN.

      Was?

      LOTH.

      Daß er sich erschossen hat.

      HOFFMANN.

      Wer? – hat sich wieder ’mal erschossen?

      LOTH.

      Fips! Friedrich Hildebrandt.

      HOFFMANN.

      I warum nich gar!

      LOTH.

      Ja! er hat sich erschossen – im Grunewald, an einer sehr schönen Stelle der Havelseeufer. Ich war dort, man hat den Blick auf Spandau.

      HOFFMANN.

      Hm! – Hätt’ ihm das nicht zugetraut, war doch sonst keine Heldennatur.

      LOTH.

      Deswegen hat er sich eben erschossen. – Gewissenhaft war er, sehr gewissenhaft.

      HOFFMANN.

      Gewissenhaft? Woso?

      LOTH.

      Nun, darum eben . . . . sonst hätte er sich wohl nicht erschossen.

      HOFFMANN.

      Versteh’ nicht recht.

      LOTH.

      Na, die Farbe seiner politischen Anschauungen kennst Du doch?

      HOFFMANN.

      Ja, grün.

      LOTH.

      Du kannst sie gern so nennen. Er war, dies wirst Du ihm wohl lassen müssen, ein talentvoller Jung. – Fünf Jahre hat er als Stuccateur arbeiten müssen, andere fünf Jahre dann, so zu sagen, auf eigene Faust durchgehungert und dazu kleine Statuetten modellirt.

      HOFFMANN.

      Abstoßendes Zeug. Ich will von der Kunst erheitert sein. . . . Nee! diese Sorte Kunst war durchaus nicht mein Geschmack.

      LOTH.

      Meiner war es auch nicht, aber er hatte sich nun doch einmal drauf versteift. Voriges Frühjahr schrieben sie da ein Denkmal aus; irgend ein [16]Duodezfürstchen, glaub’ ich, sollte verewigt werden. Fips hatte sich betheiligt und gewonnen; kurz darauf schoß er sich todt.

      HOFFMANN.

      Wo da die Gewissenhaftigkeit stecken soll, ist mir völlig schleierhaft. – Für so was habe ich nur eine Benennung: Spahn – auch Wurm – Spleen – so was.

      LOTH.

      Das ist ja das allgemeine Urtheil.

      HOFFMANN.

      Thut mir leid, kann aber nicht umhin mich ihm anzuschließen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

      LOTH.

      Es ist ja für ihn auch ganz gleichgültig, was . . .

      HOFFMANN.

      Ach überhaupt lassen wir das. Ich bedauere ihn im Grunde ganz ebenso sehr wie Du, aber – nun ist er doch einmal todt, der gute Kerl; – erzähle mir lieber was von Dir, was Du getrieben hast, wie’s Dir ergangen ist.

      LOTH.

      Es ist mir so ergangen, wie ich’s erwarten mußte. – Hast Du gar nichts von mir gehört? – durch die Zeitungen mein’ ich.

      HOFFMANN

      (ein wenig befangen). Wüßte nicht.

      LOTH.

      Nichts von der Leipziger Geschichte?

      HOFFMANN.

      Ach so, das! – Ja! – Ich glaube . . . . nichts Genaues.

      LOTH.

      Also, die Sache war folgende:

      HOFFMANN

      (seine Hand auf Loth’s Arm legend). Ehe Du anfängst: willst Du denn gar nichts zu Dir nehmen?

      LOTH.

      Später vielleicht.

      HOFFMANN.

      Auch nicht ein Gläschen Cognac?

      LOTH.

      Nein. Das am allerwenigsten.

      HOFFMANN.

      Nun, dann werde ich ein Gläschen . . . . Nichts besser für den Magen (holt Flasche und zwei [17]Gläschen vom Buffet, setzt Alles auf den Tisch vor Loth). Grand Champagne, feinste Nummer; ich kann ihn empfehlen. – Möchtest Du nicht . . . . ?

      LOTH.

      Danke!

      HOFFMANN

      (kippt das Gläschen in den Mund). Oah! – na, nu bin ich ganz Ohr.

      LOTH.

      Kurz und gut: da bin ich eben sehr stark hineingefallen.

      HOFFMANN.

      Mit zwei Jahren, glaub ich?!

      LOTH.

      Ganz recht! Du scheinst es ja doch also zu wissen. Zwei Jahre Gefängniß bekam ich, und nachdem haben sie mich noch von der Universität relegirt. Damals war ich – einundzwanzig – nun! in diesen zwei Gefängnißjahren habe ich mein erstes volkswirthschaftliches Buch geschrieben. Daß es gerade ein Vergnügen gewesen, zu brummen, müßte ich allerdings lügen.

      HOFFMANN.

      Wie man doch einmal so sein konnte! merkwürdig! Sowas hat man sich nun allen Ernstes in den Kopf gesetzt. Baare Kindereien sind es gewesen, kann mir nicht helfen. Du! – nach Amerika auswandern, ’n Dutzend Gelbschnäbel wie wir! – wir und Musterstaat gründen! Köstliche Vorstellung!

      LOTH.

      Kindereien?! – tjaa! In gewisser Beziehung sind es auch wirklich Kindereien gewesen; wir unterschätzten die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens.

      HOFFMANN.

      Und daß Du nun wirk–lich hinaus gingst – nach Amerika – all–len Ernstes mit leeren Händen . . . . Denk doch mal an, was es heißt, Grund und Boden für einen Musterstaat mit leeren Händen erwerben zu wollen: das ist ja beinah ver . . . . . , jedenfalls ist es einzig naiv.

      [18]LOTH.

      Ach, gerade mit dem Ergebniß meiner Amerikafahrt bin ich ganz zufrieden.

      HOFFMANN

      (laut auflachend). Kaltwasserkur, vorzügliche Resultate, wenn Du es so meinst . . .

      LOTH.

      Kann sein, ich bin etwas abgekühlt worden; damit ist mir aber gar nichts Besonderes geschehen. Jeder Mensch macht seinen Abkühlungsprozeß durch. Ich bin jedoch weit davon entfernt, den Werth der . . . . nun, sagen wir hitzigen Zeit zu verkennen, sie war auch gar nicht so furchtbar naiv, wie Du sie hinstellst.

      HOFFMANN.

      Na, ich weiß nicht?!

      LOTH.

      Du brauchst nur an die Durchschnittskindereien unserer Tage denken: das Couleurwesen auf den Universitäten, das Saufen, das Pauken. Warum all’ der Lärm? Wie Fips zu sagen pflegte: