gibt es da noch den Mann, mit dem sich Fabiano nach Auskunft seines Nachbarn vor ein paar Wochen auf dem Flur gestritten hat“, merkte ich an.
„Dessen Bild habe wir auch durch den Rechner gejagt. Abgesehen davon, dass es sich auf Grund der Altersangabe und der Beschreibung von Mister Donovan McGregor unmöglich um dieselbe Person handeln kann, die sich im DOLCE VITA nach Fabiano erkundigt hat, wissen wir ebenfalls nichts über ihn.“
Sam Folder mischte sich jetzt ein. „Wir haben in der Wohnung Fingerabdrücke von zwei Personen gefunden, bei denen wir annehmen, dass sie schon älter sind und nicht von den Opfern hinterlassen wurden.“
„Wurde bereits ein Abgleich über AIDS durchgeführt?“, fragte Mister McKee.
AIDS – das Automated Identification System – war eine allen Polizeieinheiten zugängliche Datenbank, in der die Fingerabdrücke von Millionen Amerikanern gespeichert waren. Dabei handelte es sich beileibe nicht nur um Kriminelle! Jeder, der irgendwann einmal erkennungsdienstlich behandelt worden war, blieb darin gespeichert. Darüber hinaus auch alle Fingerabdrücke, die von Bewerbern bei der Army, der Polizei und im öffentlichen Dienst genommen wurden. Daher war die Anzahl der Einträge inzwischen auch schon weit höher als die Zahl zurzeit lebender Amerikaner.
„Der Abgleich wurde durchgeführt. In einem Fall ohne Ergebnis. Das könnte der Mann sein, mit dem Fabiano sich vor ein paar Wochen gestritten hat.“
„Und der Zweite?“, hakte Mister McKee nach.
„Heißt Donovan McGregor und wohnt im Apartment nebenan. Er war in der Army und hat in Korea gekämpft. Später war er jahrelang bei der New Yorker Hafenverwaltung angestellt“
„Unser Glück, dass die elektronische Erfassung dieser Altbestände an Fingerabdrücke im letzten Jahr abgeschlossen wurde“, lautete Mister McKees Kommentar. Er wandte sich an Milo und mich. „Fühlen Sie dem Kerl noch mal auf den Zahn! Da stimmt doch was nicht! Was hatte dieser Mann in Fabianos Wohnung zu suchen? Ansonsten sehen Sie zu, ob sie in Brandon Carters Verlag oder seiner Produktionsfirma noch irgendwen finden, der sich auf seinen Kontakt zu Fabiano einen Reim machen kann.“ Unser Chef wandte den Kopf um ein paar Grad, sodass er nun auf Leslie und Jay blickte. „Sie beide hören sich bitte mal in dem Kabelsender um, der Carters Sendung immer zur Erstausstrahlung bringt. So weit ich das inzwischen verstanden habe, übernehmen die großen Networks immer erst die Wiederholungen.“
„Ja, Sir“, murmelte Jay.
„Und sprechen Sie auch mit den Anwälten – nicht nur mit Carters Anwälten, sondern auch mit denen des Senders!“ Mister McKee atmete tief durch. Er trank seinen Kaffeebecher leer und verzog das das Gesicht. Kalt schmeckte selbst Mandys Kaffee nicht besonders. „Max, wieweit sind Sie mit der Liste sämtlicher Personen, die sowohl ein Motiv haben könnten Carter zu ermorden, als auch Fabiano ins Jenseits zu wünschen, sodass wir nach Überschneidungen suchen können.“
„Ist in Arbeit, Mister McKee. Die Schwierigkeit ist dabei zurzeit, dass wir aus den letzten zwanzig Jahren zwar so gut wie alles über Carters Leben, dafür so gut wie nichts über Fabiano wissen.“
„Ich hoffe, dass unsere Ermittlungen daran bald etwas ändern“, erklärte Mister McKee.
„Dieser kugelsichere Anzug, den Fabiano trug – es müsste doch herauszufinden sein, woher der stammt“, warf ich ein.
„Alle Hersteller von Schutzwesten arbeiten an dem Problem, Schutzkleidung mit normalem Tragekomfort herzustellen“, sagte Max. „Das sind aber bislang alles nur Versuche. Nichts davon ist in Serie gegangen oder kann einfach auf Bestellung bezogen werden. Die Hersteller experimentieren da mit verschiedenen Geweben. Woher das spezielle Gewebe dieses Anzugs stammt, weiß ich bis heute Nachmittag, vorausgesetzt es wurde patentiert.“
„Gut“, sagte Mister McKee. „Sobald wir in der Sache mehr wissen, sehen wir weiter.“
In diesem Augenblick klingelte eines der Telefone auf Mister McKees Schreibtisch. Unser Chef ging hin, nahm ab und sagte dreimal im Abstand von jeweils zehn bis fünfzehn Sekunden „Ja.“
Dann legte er wieder auf und drehte sich in unsere Richtung.
„Das war Dr. Brent Claus. Die Obduktion ist nun abgeschlossen. Was Brandon Carter angeht, hat sie lediglich das ergeben, was wir schon wussten. Sein Körper wurde von mehreren Kugeln durchschlagen, von denen mindestens drei für sich genommen schon tödlich gewesen wären. Interessant ist, was Dr. Claus über Jack Fabiano herausgefunden hat.“ Mister McKee machte eine Pause und ließ die Hände in den Taschen seiner grauen Flanellhose verschwinden. „Fabiano hatte Krebs. Lungenkrebs im Endstadium, nicht mehr therapierbar.“
„Wie lange hatte er noch?“, fragte ich.
„Dr. Claus meint nicht mehr als ein paar Monate. Fabiano musste allerdings jederzeit mit einem abrupten Ende rechnen.“
„Könnte es sein, dass Fabiano in Brandon Carter eine Art Beichtvater gesucht hat?“, vermutete Milo. „Jemandem, vor dem er reinen Tisch machen konnte?“
Milos Annahme machte Sinn.
Wenn Fabiano bewusst gewesen war, dass es mit ihm zu Ende ging, brauchte er auch nicht mehr zu fürchten, dass die Justiz ihm auf Grund der Veröffentlichung von Details aus seiner Lebensgeschichte am Ende auf die Spur kam. Eine Bilanz ziehen, wenn das Ende nahe ist – das war wohl ein menschliches Bedürfnis, das Fabiano mit vielen anderen vor ihm geteilt hatte.
„Ich halte Ihre Annahme für plausibel, Milo“, äußerte Mister McKee.
„Vielleicht gab es jemanden, dem Fabianos Idee einer Lebensbeichte nicht passte“, warf ich ein. „Jemand, der dadurch vielleicht sogar direkt bedroht war.“
Mister McKee zuckte die Schultern. „Dr. Claus meint, dass Fabiano unglaubliche Schmerzen gehabt haben muss. Es sei ein Wunder, dass der Mann überhaupt noch auf den Beinen gewesen sei. Im Blut sind starke Rückstände von Morphium nachgewiesen worden. Wir können annehmen, dass er die zwanzigtausend Dollar Bargeld vor drei Monaten dazu brauchte, um sich mit einem ausreichenden Morphium-Vorrat für seine letzten Tage auszustatten.“
11
Donovan McGregor war ziemlich überrascht als wir ihn noch einmal aufsuchten. Er bat uns in seine Wohnung. Auf dem Boden lagen Stapel von Prospekten und Anzeigenblätter, die er wohl noch auszuteilen hatte.
„Sagen Sie bloß, Sie haben den Fall von nebenan schon aufgeklärt“, meinte er.
„Leider nein“, erwiderte ich. „Wir müssen Ihre Aussage noch einmal durchgehen, Mister McGregor!“
„Wieso das denn?“
Milo ergriff jetzt das Wort. „Wir haben Ihre Fingerabdrücke in der Wohnung Ihres Nachbarn gefunden. Sie haben uns nicht gesagt, dass Sie schon mal dort waren.“
„Vielleicht habe ich etwas angefasst, als ich die Leichen fand. Sie wissen doch, die Tür stand halb offen, ich habe hineingesehen...“
„Ja, das wissen wir alles...“
„Dann haben Sie doch auch die Erklärung. Mein Gott, seit Korea habe ich keine Toten mehr gesehen und dann liegen da plötzlich zwei Männer blutüberströmt am Boden.“
„Die