Hall George

Big Ideas. Das Klassische-Musik-Buch


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      In Frankreich benennt Odo von Cluny in seinem Werk Dialogus de musica erstmals die Tonhöhen mit den Buchstaben A bis G.

      UM 1151

      Hildegard von Bingens liturgisches Drama Ordo virtutum handelt vom Kampf zwischen Tugenden und Teufel um die menschliche Seele.

      UM 750

      Karolingische Herrscher vereinheitlichen die liturgischen Gesänge: Der gregorianische Choral ist eine Synthese altrömischer und gallikanischer Gesänge.

      UM 900

      In dem anonymen Traktat Musica enchiriadis wird zum ersten Mal das mehrstimmige Singen thematisiert.

      UM 1026

      Guido von Arezzo schreibt sein Traktat Micrologus und widmet es Tedald, dem Bischof von Arezzo in der Toskana.

      UM 1240

      Der Musiktheoretiker Johannes de Garlandia beschreibt in De mensurabili musica die Notation von Tonlängen.

      UM 1320

      Die Messe von Tournai, das Werk mehrerer anonymer Autoren, ist die erste bekannte polyphone Messe, die in einem Manuskript aufgeschrieben wird.

      UM 1360–1365

      Der Franzose Guillaume de Machaut komponiert die polyphone Messe de Notre Dame.

      UM 1170

      In Paris präsentiert sich Leonin mit seinem Magnus liber organi als wichtiger Vertreter der frühen Mehrstimmigkeit.

      UM 1280

      Adam de la Halles Le Jeu de Robin et de Marion, das als erstes weltliches Singspiel gilt, wird in Neapel uraufgeführt.

      UM 1322

      Philippe de Vitry entwickelt in seiner Abhandlung Ars nova notandi die Mensuralnotation von Franco von Köln weiter.

      Was heute als westliche klassiche Musik bezeichnet wird, entwickelte sich aus der Kirchenmusik des mittelalterlichen Europas, deren Wurzeln wiederum in der jüdischen sowie in der altrömischen und altgriechischen Musik liegen. Unsere Kennntnisse über diese frühe Musik sind jedoch begrenzt, da es sich dabei um eine mündliche Tradition handelte, die von den Musikern auswendig gespielt und von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurde.

       Die Rolle der Kirche

      Das wenige uns Bekannte stammt aus zeitgenössischen Berichten, die fast ausschließlich von geistlicher Musik handeln, denn die Kirche hatte damals das Bildungsmonopol. Die Geschichte der klassischen Musik beginnt mit geistlichen lateinischen Texten, die Mönche während des Gottesdienstes sangen. Dabei handelte es sich um Vokalmusik ohne Begleitung, bestehend aus einer Einzelmelodie, die von einer Stimme oder unisono von einem Chor gesungen wurde. Jede Region besaß eine eigene Sammlung dieser Choralgesänge. Während seiner Amtszeit (590–604) versuchte Papst Gregor I. jedoch im Rahmen seiner Bemühungen, die Liturgie zu vereinheitlichen, die regionalen Varianten dieser Gesänge zu sammeln, zu ordnen und zu standardisieren.

      Um die einheitliche Darbietung der Gesänge in der gesamten Christenheit zu garantieren, wurde eine Form der Notation entwickelt, die »Neumen«. Frühe Zeugnisse finden sich im 9. Jahrhundert. Dabei handelt es sich um kleine Symbole, die über den Text gesetzt werden und die Melodie grafisch darstellen. Parallel dazu etablierte sich die Heilige Messe als eine standardisierte Form des Gottesdienstes, deren verschiedenen Abschnitten bestimmte Gesänge zugeordnet wurden. Auch die Notation wurde verfeinert, und zwar mit einer horizontalen Linie zur bessern Unterscheidung der Tonhöhe.

      In musikalischer Hinsicht besonders bedeutend war die Entwicklung des Organums, einer einfachen Mehrstimmigkeit mit zwei bis maximal vier Stimmen. Eine Stimme sang den Choral, die andere parallel dazu ein paar Töne höher oder tiefer. Mit zunehmender Komplexität der Musik verfeinerten sich auch die Möglichkeiten, sie aufzuschreiben. Im 12. Jahrhundert setzte sich ein System aus quadratischen und rautenförmigen Noten durch, die auf vier oder mehr Linien platziert wurden: die Quadratnotation – der Vorläufer unserer heutigen Musiknotation.

       Musik verbreitet sich

      Die Notation half nicht nur, die Interpretation musikalischer Werke zu vereinheitlichen, sondern auch, neue Musik zu schreiben. Etwa ab dem 12. Jahrhundert entwickelte sich die klassische Musik so, wie wir sie heute kennen. Sie war nicht länger anonym und wurde nicht nur mündlich weitergegeben, sondern von namentlich bekannten Komponisten schriftlich verfasst. Schon bald wichen die einfachen Harmonien des Organums einem innovativen und komplexeren Stil, der Polyphonie, bei der jede Stimme eine eigene Melodielinie sang. Diese von Leonin und Perotin in Paris im Umfeld der Kathedrale Notre Dame entwickelte Technik breitete sich schnell in ganz Europa aus.

      Zur selben Zeit erblühte auch die weltliche Musik. Fahrende Musikanten unterhielten die Adeligen an den Höfen und das Volk auf den Straßen. Sie waren sowohl Dichter als auch Komponisten und Interpreten und boten ihre Lieder im Gegensatz zu den Kirchenmusikern mit Instrumentalbegleitung dar. Sehr wahrscheinlich spielten sie auch instrumentale Tanzmusik, doch da die weltliche Musik nach wie vor nur mündlich weitergegeben wurde, ist sie nicht überliefert.

      Zur Darstellung des Rhythmus wurde in der Notre-Dame-Epoche die relativ starre Modalnotation verwendet. Diese wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts, in der Ars-antiqua-Epoche, von der flexibleren Mensuralnotation abgelöst und im 14. Jahrhundert, in der Ars-nova-Epoche, verbessert und den steigenden Anforderungen einer immer komplexer werdenden Mehrstimmigkeit angepasst.

      Der neue Stil blieb nicht allein den Messgesängen vorbehalten. Es wurden auch kurze Stücke mit neuem Text, sogenannte Motetten, verfasst. Manchen lagen geistliche Texte zugrunde, aber eine ganze Reihe »seriöser« Komponisten schrieb polyphone Motetten auf der Grundlage weltlicher Gedichte. Mit der heraufziehenden Renaissance verlor die Kirche ihren Alleinanspruch auf Musik. Geistliche und weltliche Musik wurden ebenbürtig und begannen Seite an Seite zu florieren. image

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      PSALMODIE IST DIE WAFFE DER MÖNCHE

      CHORALGESANG (6.–9. JH.), ANONYM

       IM KONTEXT

      SCHWERPUNKT

       Choralgesang

      FRÜHER

      Um 1400 v. Chr. In der Stadt Ugarit in Nordsyrien werden religiöse Hymnen in fragmentarischer Notation auf einer Lehmtafel festgehalten.

      Um 200 v. Chr.–100 n. Chr. Das »Seikilos-Lied« auf einem Grabstein nahe Ephesos in der Türkei ist das älteste, vollständig erhaltene, in Notation verfasste Musikstück.

      SPÄTER

      1562–1563 Das Kirchenkonzil von Trient verbietet das Singen von Sequenzen, einer Ausschmückung des schlichten Choralgesangs.

      1896 Mit dem Liber Usualis versuchen die Mönche der Abtei zu Solesmes, den durch jahrhundertelangen Gebrauch verfälschten gregorianischen Gesängen ihre ursprüngliche Form wiederzugeben.

      Die frühe christliche Kirche begann als jüdische Sekte, deshalb hatten die Liturgien dieses neuen Glaubens viel mit denen der jüdischen Gottesdienste gemeinsam, wie etwa das wiederholte Sprechen oder Singen von heiligen Texten und Gebeten. Die Christen konzentrierten sich insbesondere auf bestimmte Rituale wie das Nachstellen des letzten Abendmahls und das Singen