Langzeittherapie. Es war gut, denn ich setzte mich mit mir und meinem Leben noch einmal komplett auseinander.
Am Ende der letzten Therapie nahm ich wieder Kontakt mit Irene auf, wir verliebten uns, und so verschlug mich die Liebe 2017 nach Leipzig. In der ersten Zeit in Leipzig war ich arbeitsuchend, was durch meine Diagnosen nicht so einfach zu ändern war. Als Epileptiker mit einer fünfzigprozentigen Schwerbehinderung, einer Lese-Rechtschreibschwäche, dazu noch vorbestraft … was will man da noch groß dranhängen?
Aber einer liebte mich immer so sehr, und das durfte ich dann erfahren. Jesus zeigte mir, dass er alle meine Fehler, all das Miese zu etwas Gutem drehen konnte: Er machte aus meinem Mist Dünger.
Eine Ausbildungsstätte nahm mich trotz meiner ganzen Vorgeschichte an, sodass ich eine Ausbildung zum Krankenpflegehelfer plus Realschulabschluss machen konnte. Und nun bin ich seit dem letzten Jahr im Blauen Kreuz Leipzig e.V. fest angestellt, gehe regelmäßig in den Knast, wo ich selber gesessen habe, mache den Jungs Mut. Ich mache Suchtberatung, Seelsorge, Hausbesuche sowie Sucht- und Gewaltprävention an Schulen. Die ganzen negativen Erfahrungen sind nun eine Hilfe für meinen Dienst und der Zugang zu den Menschen, die ebenfalls im Leben gescheitert sind. Das Blaue-Kreuz-Team wurde zur Familie für mich. Und ich erlebe hier so viele Wunder.
Ich durfte die Frau, in die ich mich 2011 verliebt hatte (und die damals nein sagte), nach sieben Jahren heiraten. Es ist für mich so eine Gnade, zu erleben, dass Gott es gut mit mir meint. Allein, dass ich gesunde Kinder habe, selbst noch am Leben bin und ein lebenswertes Leben führen darf. Dass ich meine Berufung leben kann, beim Blauen Kreuz zu dienen und Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu begleiten. Ich bin so dankbar!
Ich möchte dir Mut machen, dich heute auf Jesus einzulassen; es ist nie zu spät, neu anzufangen und dich für das Leben zu entscheiden. Das Leben wird nicht leichter, doch du kannst stärker werden. Hoffnung und Kraft sind sehr wichtig: Hoffnung zu haben, dass es besser wird, und die Kraft durchzuhalten, bis es da ist.
Jesus sagt: Wer mich liebt, richtet sich nach dem, was ich gesagt habe. Auch mein Vater wird ihn lieben, und wir beide werden zu ihm kommen und für immer bei ihm bleiben (Johannes 14,23, HFA).
Maik Löwen | Jg. 1990 | verheiratet | 3 Kinder | Leipzig | Mitarbeiter des Blauen Kreuzes Leipzig e.V. (Suchtarbeit, Seelsorge, Gefangenenarbeit, Sucht und Gewaltprävention an Schulen ...)
Das Leben ist nicht immer fair, aber …
Im November 2016 entschied ich mich an einem Männerwochenende: Ich nehme an einem Muskathlon teil.
Ein Muskathlon ist ein Spendenlauf: Man meldet sich an und entscheidet sich für eine der Disziplinen: Halbmarathon (21 km), Marathon (42 km), Ultramarathon (63 km), Ultrawalk (63 km) oder Mountainbike (120 km). Dazu sammelt man 10.000 € Spenden für eine Hilfsorganisation. Man ist dann eine Woche in dem Land, in dem der Muskathlon stattfindet und schaut sich die Arbeit der Hilfsorganisation vor Ort an. Außerdem nimmt man am Muskathlon teil. Alle Kosten bezahlt der Teilnehmer aus eigener Tasche.
Zu Hause angekommen, erzählte ich meiner Frau und meiner 8-jährigen Tochter von meiner Anmeldung. Meine Tochter sagte: „Papa, du bist verrückt und total durchgeknallt.“ Recht hatte sie, denn ich hatte in meinem Leben nie wirklich Sport getrieben – und dann gleich so eine Herausforderung!
Klar war, dass ich im Jahr 2017 teilnehmen würde. Es standen zwei Termine und Orte zur Auswahl: Ruanda im Mai und Indonesien im Oktober, beide mit dem Kinderhilfswerk Compassion. Ich wollte nach Indonesien, denn da bliebe mir mehr Zeit, um die 10.000 € Spenden zu sammeln. Das schien für mich im Vorfeld die größte Hürde zu sein.
Am nächsten Tag hatte ich aber den Eindruck, ich solle meine Familie in die Entscheidung mit einbeziehen. Wir sprachen darüber, dann sagte meine Tochter: „Papa, du musst nach Ruanda.“ Ich fragte: „Warum?“ Meine Frau antwortete: „Weil Afrika näher an Europa liegt als Asien.“
Meine Antwort war: „Okay, das wird aber spannend, 10.000 € in 185 Tagen zu sammeln.“ Dadurch wurde die Hürde noch größer. (Was ich damals nicht wusste, Indonesien hätte nicht funktioniert.)
Ich habe mich dann für Ruanda im Mai 2017 und die Disziplin 120 km Mountainbike angemeldet, danach angefangen zu trainieren und auf den Weg gemacht, um Spenden zu sammeln.
Am Anfang fiel es mir nicht leicht, darüber zu reden, und ich bin auch nicht immer auf offene Ohren gestoßen. Aber wenn eine Tür zuging, dann blieb ich nicht stehen, sondern ging weiter, und woanders tat sich eine neue auf. Am 4. Advent war bereits über die Hälfte der Summe zusammen. Ich befürchtete, der Spendenzug würde irgendwann anhalten. Doch er hielt nicht an.
Eine Geschichte aus dieser Zeit: Es ist Heiligabend, wer eine 6 würfelt, darf ein Geschenk auspacken. Meine Tochter überreicht mir ein Geschenk. Als ich schüttle, sind Metallgeräusche zu hören und ich dachte, ob sie mir wohl Schrauben eingepackt hat? Beim Auspacken kam zu meinem Erstaunen Geld heraus. Meine Tochter sagte voller Stolz: „Papa, das ist mein Beitrag, um dich nach Ruanda zu bringen.“ Ich war zu Tränen gerührt, und ehrlich gesagt habe ich immer noch keine Ahnung, wie sie so eine Summe erreichte.
Noch im Dezember buchte ich den Flug, bezahlte das Hotel und schloss eine Reiserücktrittsversicherung ab. Ich dachte, wenn etwas Unvorhergesehenes kommen sollte, dann ist nicht das ganze Geld futsch.
Bereits Mitte Januar waren die 10.000 € überschritten. Ein echtes Wunder. Im Vorfeld hätte ich so etwas nie für möglich gehalten.
Drei Tage später bekam meine Frau die Diagnose Krebs. Ich dachte, ich sei im falschen Film. Sofort hatte ich die Krebsstorys meiner Eltern vor Augen. Paps verstarb 11 Monate nach der Diagnose 2012 und Mutter zwei Monate nach der Diagnose 2013.
Am nächsten Tag saß ich am PC und schaltete nach einiger Zeit ERF
POP ein, was ich nur hin und wieder mache. Es lief das Lied King of My Heart von Kutless. In dem Lied ist die Rede davon, dass der König meines Herzens der Wind in meinem Segel sein soll, der Anker in den Wellen, dass er es gut mit mir meinte und mich nicht im Stich lassen würde. Es passte perfekt in die Situation und gab mir Mut und Hoffnung. Ich machte es zu meinem Handy-Klingelton und wusste einfach, dass sich das Schicksal meiner Eltern bei meiner Frau nicht wiederholen würde. Die schwere Last blieb trotzdem.
Dazu fielen mir noch zwei Sätze ein:
- Das Leben ist echt nicht immer fair, aber Gott meint es immer gut.
- Gott gibt uns nicht immer das, was wir wollen, aber alles, was wir brauchen.
Zu meiner Frau sagte ich: „Schatz, ich habe keine Ahnung, wie tief das Tal ist, wie weit der Weg ist, aber eines Tages werden wir dahinten auf dem Berg sein, uns auf eine Bank setzen, eine Flasche Limo trinken und alles wird vorbei sein. Lass uns einen Tag um den anderen nehmen und uns keine Sorgen um das Morgen machen, denn das wird uns die Kraft für das Heute rauben. Gemeinsam werden wir es schaffen.“
Dazu sagte ich noch: „Ich werde hier an dieser Stelle den Muskathlon nicht aufgeben. Ich kümmere mich um dich und um unsere Tochter, und wenn dann noch Zeit ist, trainiere ich. Was im Mai ist, wissen wir heute nicht.“
Wir fuhren zusammen zu den Besprechungen in die Klinik, aber es kam alles ganz anders, als uns die Ärzte gesagt hatten: Der Krebs war nicht gutartig, sondern bösartig; nicht eine OP war nötig, sondern zwei; nicht nur eine Hormontherapie, nein, Chemo mit anschließender Bestrahlung kamen dazu. Das volle Programm. Aber jedes Mal, wenn eine schlechte Nachricht kam, kam auf der anderen Seite eine Spende oder ein Mut machendes Wort an – das gab mir neue Kraft.
An unserer Tochter ging das nicht spurlos vorbei; es hat sie sehr beschäftigt. Sie hatte Angst, die Mama zu verlieren. Es waren viele Gespräche, tröstende und Mut machende Worte nötig.