recht vollzufüttern. Der konnte ihm gar nicht genug essen. Er saß dabei, die Ellbogen aufgestützt, und sah zu mit glänzenden Augen, wie es dem Hungerleider schmeckte.
»Äßt nor, äßt,« drängte er. »Gel, esu lecker hatt Ihr lang net gäß?« Erklopfte dem Bettler auf den Bauch: »Eweil is dän dick – jao, dat glauwen ech! Wann Eich de Leit fraon, dann saot nor: beim Müller-Hannes zu Maarfelden, lao es et gud sein.«
Als der Bettler gegangen war, seine armselige Gestalt und die barfußen Beine um die Wegbiegung verschwunden waren, stand Müller-Hannes noch lange in seiner Tür und ließ die Blicke rundum gehen. Was hatte er nicht alles?! Eine stattliche Mühle, Pferde im Stall, Kühe auf der Wiese, Wein im Keller, Schinken im Rauchfang und Forellen auf dem Tisch! Er pfiff hinter dem armen Teufel drein in unsäglichem Behagen.
Dort ritt ein Knecht die Pferdchen, die glatt und kugelrund gefüttert waren, in die Schwemme. Die große Dogge, ein Prachtexemplar, die Hannes sich jüngst um ein paar hundert Mark auf der Hunde-Ausstellung zu Koblenz erstanden, sprang tief belfernd um die Gäule herum und schnackte nach den hängenden Beinen des Reiters. Ja, der Nero hatte schon viel Hosen zerrißen – Hannes lachte – aber was taten die paar Mark, er war doch ein Staatstier!
Der Müller pfiff dem Hund. Der kam mit einem mächtigen Satz, sprang hoch und legte die breiten Tatzen auf die breiten Schultern seines Herrn; die rote dampfende Zunge hing ihm lang zum Halse heraus.
Das war ein Närren: »Fass’, Nero, fass’! Kätzchen … kß, kß, kß!« Wild sprang das junge, noch tolpatschige Tier im Hof herum. Gackernd stoben die Hühner nach allen Seiten; die Sperlinge, die sich’s am verstreuten Korn wohl sein ließen, flüchteten auf den höchsten First, der Stüpp riß kläffend an der Kette und wollte auch mit vom Spiel sein, im Stall entstand ein Brüllen und Muhen, ein Grunzen und Meckern. Die kleine Fränz kam aus dem Hause gelaufen, suchte mit Gekreisch den Nero am Stachelhalsband zu packen und tollte mit ihm um die Wette. Ein Rumoren war’s, daß die toten Steine hätten lebendig werden können. Der ganze Hof war erfüllt von Lärm und Leben und praller Sonne. Breit stand Müller-Hannes in seiner Tür und lachte sich eins.
Da kam ein Wägelchen vorgefahren. Darin saß der Laufeld, oben aus Manderscheid, der reichste Mann in der Runde. Er hatte eine Hypothek hier auf der Mühle, schon seit Menschengedenken; wären nicht Zinsen zu zahlen gewesen, alljährlich auf Martini, so hätte Hannes die längst vergessen.
Langsam stieg der Laufeld vom Wagen; er wartete, bis der Müller ihm entgegenkam.
Da konnte er lange warten. Müller-Hannes zog erst einmal das buntgewürfelte Tuch aus dem Sack und schneuzte sich umständlich. Der da sollte ja nicht denken, daß es ihm pressierte; war der reich, so war er ja auch reich! Aber dann kam doch die gewohnte gastfreundliche Lebhaftigkeit über ihn; er litt nicht, daß der Laufeld nicht ausspannte. Kotzdonner, das wäre doch eine Beleidigung, wenn der Gaul nicht an seiner Krippe fressen sollte; der Hafer war vom besten!
Mit gewaltigem Ton schrie er nach der Frau:
»Tina! Kaffee, Schnaps, frische Waffeln!« Einen »Momang«, und alles würde parat sein!
Er führte den Gast in das gute Zimmer, wo Tina rasch den Linnenbezug vom Kanapee gerissen, über dem der junge Hannes, als flotter Kavallerist abphotographiert und hübsch bunt ausgetuscht, stolz auf einem sich bäumenden Schecken zu sehen war. Über dem Bilde war auf zwei langen Nägeln die Jagdflinte am grünen Ledergurt befestigt, mit der Hannes so manchem Rehbock den Garaus gemacht und als Junggeselle zu frohem Hillig und zu mancher Kirmes und zu jedem Neujahr geschoßen hatte. Aus ihr hatte er auch den eigenen Hillig wohlgemut den Bergen verkündet.
Draußen tummelten sich die Frau und die Magd in der Küche; ein Knecht wurde noch zur Hilfe gerufen. Der mußte rasch Holzkolben ins Herdloch stopfen und frisch anfeuern. Rahm wurde abgeschöpft und Eier geschlagen. Mit hochroten Wangen stand Tina am Feuer, und dabei ängstigte der Gedanke sie: was wollte der Laufeld vom Hannes?! Der kam nicht in guter Absicht! Sie hatte immer Angst.
Drinnen saß der Laufeld auf dem Kanapee, bequem angelehnt, und musterte die Einrichtung. Er war noch kein alter Mann, einer mit frischfarbenem Gesicht und blanken Augen, aber doch ein gut Stück älter als Hannes, und er sah auf diesen mit dem Übergewicht, das ein ganz solides Besitztum gibt. Müller-Hannes fühlte das und blies sich auf.
Sie redeten hin und her: vom Wetter, von der Ernte, von der Kirmes und vom Viehstand. Auch von der Politik.
Der Laufeld, der alle Morgen, wenn Manderscheid noch im Nebel dampfte, zur Messe ging, fleißig den Rosenkranz betete und reichlich für die verfolgten Hirten der Kirch gab, spuckte auf die Maigesetze: Kaiser und Bismarck, die kamen gleich hinter dem Leibhaftigen. Aber Hannes, der gleich nach dem Krieg seinem Kaiser gedient, schwärmte für Siebzig und den »von Bismarck«. Das war mal ein Großer!
Sie kriegten bald das Zanken. Jakob Laufeld war ein Verbissener, der kaum die Lippen voneinander brachte, nur ab und zu ein Wort fallen ließ, als lohne es ihm nicht recht vor dem Hannes, der nichts wert war, wie die Maarfeldener sämtlich. Selbst deren Pastor war nicht besser. Zuckten nicht der Herr Dechant und die anderen Amtsbrüder über Arnoldus Cremer die Achseln, der in niedergetretenen Bastschuhen lief und von dem man munkelte, daß er bei Nacht der Bauern Weiden am Maar abschnitt?!
Auf Maarfelden ließ Hannes aber nichts kommen, das war ja seiner Mühle benachbart. Und auf den Cremer, das arme Männchen? Ei, da sollte doch die geistliche Obrigkeit, die selber im Fett saß, den besser stellen! Wenn er, der Müller-Hannes, Beginn Winters dem Alten nicht eine Fuhre Holz vor die Pfarre schickte und ab und zu eien Sack Hobelspäne, müßte der ja frieren. Und das bißchen, was seine Wirtschafterin, das Engelche, für die Körbe erlöste, die er von den Weiden flocht, war ihm wohl zu gönnen, dem Noldes, dem spaßigen Männchen!
Den Laufeld, was er auch selber denken mochte, entsetzte doch diese respektlose Rede. Gut, daß jetzt die Magd mit den goldgeränderten Tassen kam und Frau Tina einen Berg frischer Waffeln hereinbrachte.
Da langte der Laufeld wacker zu und trank auch verschiedene Schnäpse; dann, als er so recht dick, satt und befriedigt war, legte er die flache Hand auf den Tisch und sagte:
»Jao, wat ech eweil noch saon wollt, ech kündigen Eich de Hippothek. Martini muß ech mein Gäld haon!«
Hannes sah ihn ganz verdutzt an. Hypothek … kündigen … zu Martini … war der Laufeld schon besoffen?! Die Hypothek, die schon seit mehr als zwanzig Jahren auf der Mühle stand?!
»Haha, hoho … hohoho!«
Aber Jakob Laufeld blieb ganz ersthaft, erhob sich und knöpfte seine Weste zu, die er sich während des Schmauses ein wenig gelockert.
»Seid esu freindlich, Müller, laoßt anspannen. Eweil faohren ech.«
»Bleiwt doch noch, bleiwt doch noch en half Stund,« nötigte der Hausherr. »Ech haon noch des Bernkastler im Keller, dän müsse mir doch ehs prowiere!«
Aber der andere bestand darauf, jetzt fortzufahren. Dem Knecht, der das Pferd gefüttert und nun das Chaischen vor die Tür brachte, gab er fünf Pfennig Trinkgeld. Dann, schon mit einem Fuß auf dem Wagentritt, die Peitsche in der Hand, drehte er den Kopf noch einmal herum und sprach so über die Schulter:
»Also uf Martini – eweil wißt Ihr’t. Bringt noren dat sälwer, et soll mer angeniehm sein. Ech haon aach des Bernkastler im Keller. Hä, willste ziehen, hahrü« – er schlug auf den Gaul – »adjüs! Bis Martini – gud Zeit!«
Fort rollte das Wägelchen, und Müller-Hannes sah ihm nach mit offenem Mund und weitaufgerissenen Augen. Er kam sich ganz dumm vor – was hatte der Laufeld gefaselt? Hypothek – fünftausend Taler?! Das waren fünfzehntausend Mark – ein gehöriger Batzen!
»Kreizgewiederparaplei!« Ach, das war ja alles ein dummer Spaß, warum sollte der ihm denn auf einmal die Hypothek kündigen?!
Da legte sich eine zitternde Hand auf seinen Arm. Er sah um: seine Frau stand bei ihm und schaute ihn aus ängstlichen Augen an.
»Ich han’t gehört – ach Jesus, Hannes –, den Laufeld kündt Dir de Hypothek