mit folgendem ein Zeugnis geben: Sara war schon lange unfruchtbar und war Abrahams Weib. Da Sara kein Kind gebiert, überläßt sie ihre Magd, die Ägypterin Hagar, dem Abraham, um mit ihr Kinder zu zeugen.147
4. Die mit dem Gläubigen vermählte Weisheit (als gläubig aber und gerecht wurde Abraham erachten)148 war also zu jener Zeit noch unfruchtbar und kinderlos und hatte dem Abraham noch nichts Tugendhaftes geboren; da hielt sie es begreiflicherweise für richtig, daß er sich, da es für ihn bereits Zeit zum Fortschritt war, zuerst mit der weltlichen Bildung vermähle (mit dem allegorischen Ausdruck Ägypten ist die Welt gemeint)149 und erst später sich mit ihr selbst verbinde, um entsprechend der göttlichen Vorsehung den Isaak zu erzeugen.
31.
1. Philon übersetzt aber den Namen Hagar mit „Aufenthalt in der Fremde“150 (denn hier heißt es: „Verkehre nicht viel mit der Fremden!“),151 den Namen Sara aber mit „meine Herrschaft“152 Es ist also möglich, nach Vollendung der Vorbildung zu der Weisheit zu gelangen, die zur Herrschaft am fähigsten ist; aus ihr entsprossen, wächst das Geschlecht der Israeliten heran.
2. Damit ist bewiesen, daß die Weisheit, deren sich Abraham befleißigte, fähig ist, zu lehren, da er von der Betrachtung der Himmelskörper zu dem gottgemäßen Glauben und zur Gerechtigkeit fortschritt.153
3. Isaak aber zeigt die Fähigkeit, etwas aus sich selbst zu lernen; deshalb wird er auch als Vorbild Christi erfunden. Dieser ist der Gatte einer einzigen Frau,154 der Rebekka, was man mit „Geduld“ übersetzt.155
4. Von Jakob aber wird erzählt, daß er mit mehreren Frauen verkehrt habe. Das entspricht dem, daß sein Name als „der Übende“ gedeutet wird (denn die Übungen finden an mehreren, verschiedenen Lehrmeinungen statt); deshalb erhält er auch den anderen Namen Israel, der in der Tat „zum Sehen Geschickte“,156 als ein Mann, der vielerfahren und fähig ist, sich zu üben.
5. Auch noch etwas anderes dürfte durch die drei Erzväter kundgetan sein, daß nämlich das Siegel der Erkenntnis echt ist, wenn es aus Naturanlage, Lernen und Übung besteht.157
6. Als ein anderes Gleichnis des Gesagten kannst du noch Thamar nehmen, die sich an einem Kreuzwege niedergesetzt und den Anschein, eine Dirne zu sein, erweckt hatte. Diese betrachtete der lernbegierige Judas (er wird mit „mächtig“ erklärt),158 der nichts ungeprüft und unerforscht ließ, und „bog zu ihr ab“; er blieb aber seinem Bekenntnis zu Gott treu.159
32.
1. Deshalb geschah auch folgendes. Als Sara auf Hagar, die sie an Glück übertraf, eifersüchtig war, da sagte Abraham zum Zeichen dafür, daß er von der weltlichen Philosophie nur das Nützliche ausgewählt hatte: „Siehe, das Mädchen ist in deiner Hand; tu mit ihr, was dir gefällt!“ Damit will er sagen: Ich weiß zwar die weltliche Bildung zu schätzen, jedoch ohne zu vergessen, daß sie noch jung und nur deine Dienerin ist; deine Wissenschaft aber achte und verehre ich als die im reifen Alter stehende Herrin.160
2. „Und Sara bedrängte sie“,161 was gleichbedeutend ist mit: sie strafte und ermahnte sie.162 Es ist also trefflich gesagt: „Verachte, mein Sohn, die Zucht Gottes nicht und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst! Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn, den er annimmt.“163
3. Wenn wir die soeben angeführten Schriftworte an anderen Stellen untersuchen, werden wir darlegen, daß sie andere Geheimnisse verkünden.
4. Wir sprechen es also von jetzt an ganz offen aus: Die Philosophie hat die Erforschung der Wahrheit und des Wesens der Dinge zur Aufgabe (es handelt sich aber um die Wahrheit, von der der Herr selbst sagte: „Ich bin die Wahrheit“164); andererseits schult die auf die Ruhe in Christus vorbereitende Bildung den Geist, weckt den Verstand und erzeugt Gewandtheit im Suchen nach der wahren Philosophie.165 Diese besitzen die Eingeweihten, nachdem sie sie gefunden oder vielmehr von der Wahrheit selbst erhalten haben.
VI. Kapitel
33.
1. Viel trägt aber die durch die Vorübung erlangte Fertigkeit dazu bei, daß man das Nötige sieht. Übungsfeld für den Geist kann aber nur das Geistige sein. Dessen Wesen ist dreifach und wird im Zählbaren und Meßbaren und Gedachten166 gesehen.
2. Denn die auf Beweise gestützte Lehre flößt der Seele dessen, der sich von ihr leiten läßt, unerschütterlichen Glauben ein, daß er nicht einmal an die Möglichkeit denkt, das Bewiesene könnte sich auch anders verhalten, und sie läßt ihn den Bedenken nicht unterliegen, die sich, um uns zu täuschen, heimlich bei uns einstellen.
3. Bei solcher Beschäftigung mit den Wissenschaften wird also die Seele von den Sinnendingen gereinigt und neubelebt, damit sie endlich die Wahrheit sehen kann.167
4, „Wenn nämlich die gute Erziehung und die treffliche Bildung festgehalten werden, so bringen sie tüchtige Naturen hervor, und die trefflichen Naturen, die eine solche Bildung erhalten, werden noch besser als die früheren, sowohl im übrigen als auch hinsichtlich der Fortpflanzung des Geschlechts, wie das auch bei den anderen Lebewesen der Fall ist.“168
5, Deshalb sagt auch die Schrift: „Gehe zur Ameise hin, du Fauler, und werde weiser als sie“, die in der Erntezeit reichliche und mannigfache Speise für die drohende Winterzeit aufspeichert.
6. „Oder gehe zur Biene und lerne, wie tätig sie ist!“169 Denn auch sie holt Honig von der ganzen Wiese und stellt eine einzige Wabe her.
34.
1. Wenn du aber in deiner Vorratskammer zu Gott flehst, wie der Herr lehrte,170 und im Geiste anbetest,171 so soll deine Fürsorge nicht mehr nur deinem Hause gelten, sondern auch deiner Seele, auf welchen Gebieten du für sie Nahrung suchen sollst und auf welche Weise und wie viel, und was du in ihr aufbewahren und aufspeichern sollst,172 und wann du das hervorholen sollst und für wen.173 Denn nicht durch Geburt, sondern durch Lernen entstehen die tüchtigen und erfahrenen Männer, wie Ärzte und Steuerleute.174
2. Wir sehen zwar alle in gleicher Weise den Weinstock und das Pferd, aber nur der Weingärtner wird erkennen, ob der Weinstock gut oder schlecht im Fruchttragen ist, und nur der Pferdekenner wird leicht unterscheiden, ob das Pferd leidenschaftslos oder feurig ist.
3. Daß aber einige mehr Anlage zur Tugend haben als andere, das zeigt sich darin, daß die in dieser Hinsicht besser als die anderen Veranlagten die Neigung zu gewissen Tätigkeiten haben.
4. Damit ist aber noch in keiner Weise bewiesen, daß die besser Veranlagten irgendwie schon die Vollkommenheit in der Tugend erreicht hätten, da ja auch die zur Tugend schlecht Veranlagten, wenn sie nur die richtige Erziehung erhielten, in der Regel treffliche Leistungen vollbrachten und andererseits im Gegensatz dazu die vorzüglich Veranlagten durch Vernachlässigung schlecht geworden sind. Gott hat uns aber mit der natürlichen Anlage für die Pflege der menschlichen Gemeinschaft und für die Gerechtigkeit geschaffen.
35.
1. Daher darf man auch nicht behaupten, daß, was gerecht ist, sich nur dadurch zeige, daß es festgesetzt wird; vielmehr muß man erkennen, daß durch das Gebot nur die von der Schöpfung herrührende Anlage zum Guten angeregt wird, indem die Seele durch den Unterricht zu dem Entschluß erzogen wird, das Edelste zu wählen.175
2. Wie wir es aber für möglich erklären, daß man ohne Kenntnis der Schreibkunst gläubig sein kann,176 so sind wir darüber einig, daß man die im Glauben enthaltenen Lehren unmöglich verstehen kann, ohne zu lernen. Denn die richtigen Lehren anzunehmen und die anderen zu verwerfen, dazu befähigt nicht einfach der Glaube, sondern nur der auf Wissen beruhende Glaube.
3.