Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge.178
4. Wie man aber bei Armut an Lebensunterhalt ein rechtschaffenes Leben führen kann, so ist es auch bei Überfluß möglich, und nach unserer Ansicht kann man leichter und zugleich schneller mit Hilfe der Vorbildung die Tugend erjagen, die auch ohne sie nicht unerreichbar ist, freilich auch dann nur für die, die etwas gelernt haben und „geübte Sinne“179 besitzen.
5. „Denn der Haß“, sagt Salomon, „erregt Streit, dagegen die Wege des Lebens wahrt die Bildung“180 so daß wir nicht getäuscht, so daß wir nicht betrogen werden von denen, die zum Schaden ihrer Hörer Arglist ersonnen haben.
6. „Eine Bildung aber, die nicht mit zurechtweisender Widerlegung verbunden ist, geht in die Irre“, heißt es181 und man muß sich mit der Gattung (der Rhetorik), die das Widerlegen lehrt, beschäftigen,182 damit man die trügerischen Meinungen der Sophisten abweisen kann.
36.
1. Trefflich schreibt gewiß auch der Vertreter der eudämonistischen Ethik Anaxarchos183 in seiner Schrift über das Königtum: „Vielwissen nützt zwar sehr, schadet aber auch sehr dem, der es besitzt. Es nützt dem, der geschickt ist, schadet aber dem, der leichtfertig jedes Wort und vor allem Volk ausspricht. Man muß die Grenzen der richtigen Zeit kennen, denn das ist der Markstein der Weisheit. Wer aber zur Unzeit einen Satz vorträgt, mag er auch an sich verständig sein, gilt nicht als weise, sondern wird für töricht gehalten“.184
2. Und Hesiodos sagt: „Musen, die ja den Sänger mit Reichtum an Worten beschenken, Göttlich begeistert ihn machen und kundig der Sprache.“185 Denn mit dem Ausdruck (xxx) polyphradmon meint er den, der reich an Worten ist, mit (xxx) audäeis den, der sie wirksam zu verwenden weiß, und mit (xxx) thespios den, der erfahren, weisheitsliebend und der Wahrheit kundig ist.
VII. Kapitel
37.
1. Es ist also klar, daß die als Vorbildung dienende Wissenschaft zusammen mit der Philosophie von Gott her zu den Menschen gekommen ist, nicht als Hauptsache und um ihrer selbst willen, sondern in der gleichen Weise, wie die Regengüsse auf das gute Land und auf die Dungstätte und auf die Häuser herabstürzen. Es sprießt aber in gleicher Weise Unkraut und Weizen hervor, und auch auf den Gräbern wachsen Feigenbäume und sonst Bäume, die keiner besonderen Pflege bedürfen, und was so wächst, übertrifft der äußeren Erscheinung nach die edlen Pflanzen, weil es die nämliche Wirkung des Regens erfuhr; aber es hat nicht die gleiche Anmut erlangt wie das auf fettem Boden Gewachsene, indem es entweder vertrocknete oder zerrupft wurde.
2. Und auch hier ist das Gleichnis vom Säen verwendbar, das der Herr auslegte. Denn nur einer ist der Ackersmann, der das menschliche Ackerfeld bestellt, er, der von Anfang an seit der Erschaffung der Welt die Nahrung spendenden Samenkörner ausstreut und zu jeder Zeit den wirksamen Regen seines Wortes herabströmen läßt, während Zeit und Ort, je nachdem sie zur Aufnahme des Samens geeignet waren, die Unterschiede hervorriefen.186
3. Außerdem sät der Landmann nicht nur Weizen (freilich gibt es auch von ihm mehrere Arten), sondern auch die übrigen Samen, Gerste, Bohnen, Erbsen, andere Schotenfrüchte und die Samen für Gartengewächse und für Blumen.
4. Zu der gleichen Landwirtschaft gehört aber auch die Baumpflege, alle die Arbeiten, die es in den Baumschulen selbst und in den Parkanlagen und im Obstgarten und überhaupt beim Pflanzen und Pflegen mannigfacher Bäume zu verrichten gibt.
5. Ebenso sind nicht nur die Schafzucht, sondern alle die Tätigkeiten, die Rinderzucht, die Pferdezucht, die Hundezucht, die Bienenzucht, kurz alle Arten von Herdenhaltung und Tierzucht zwar voneinander dadurch verschieden, daß die einen mehr, die anderen weniger nützlich sind, jedoch nützlich fürs Leben sind alle.
6. Wenn ich aber von Philosophie rede, so meine ich damit nicht die stoische oder die platonische oder die epikureische und aristotelische, sondern alle die guten Gedanken, die bei jeder einzelnen von diesen Richtungen ausgesprochen wurden und Gerechtigkeit, verbunden mit frommem Wissen, lehren, diese ganze Auswahl187 nenne ich Philosophie. Was sie aber aus menschlichen Gedankengänge hergenommen und gleich gefälschten Münzen ausgegeben haben, das werde ich nie göttlich nennen.
38.
1. Jetzt wollen wir auch noch die Tatsache erwägen, daß Leute, die kein Wissen haben, auch wenn sie je ihr Leben rechtschaffen hinführen, noch nicht vollkommen werden allein durch ihr gutes Handeln.188 Denn ihr Gutestun beruht nur auf Zufall, ebenso wie manche zu der Lehre von der Wahrheit durch ihre natürliche Begabung glücklich gelangen; „Abraham aber wurde nicht infolge von Werken gerechtfertigt, sondern auf Grund seines Glaubens.“189
2. Es nützt ihnen also nach dem Ende des Lebens nichts, auch wenn sie jetzt gute Werke tun, wenn sie nicht Glauben haben.
3. Denn deshalb wurde die Heilige Schrift in die Sprache der Griechen übersetzt, daß sie nie einen Vorwand für ihre Unwissenheit vorschützen könnten, da sie in der Lage waren, auch unsere Lehren zu hören, wenn sie nur wollten.
4. Anders spricht jemand über die Wahrheit, anders legt sich die Wahrheit selbst aus. Ein anderes ist das Vermuten der Wahrheit, ein anderes die Wahrheit selbst; etwas anderes ist das Abbild, etwas anderes das Seiende selbst; und das Abbild wird durch Lernen und Üben gewonnen, die Wahrheit selbst aber durch Kraft und Glauben.
5. Denn ein Geschenk ist der Unterricht in der Gottesfurcht, und Gnade ist der Glaube. Denn indem wir Gottes Willen tun, erkennen wir seinen Willen.190 „Öffnet also“, so sagt die Schrift, „die Tore der Gerechtigkeit, damit ich durch sie einziehe und den Herrn preise!“191
6. Da aber Gott in seiner Güte auf vielerlei Weise Rettung bringt, gibt es viele verschiedenartige Wege zur Gerechtigkeit, und sie münden in den Hauptweg und führen zu dem Haupttor. Wenn du aber nach dem königlichen und wirklich gültigen Eingang suchst, so wirst du hören: „Dieses ist das Tor des Herrn; Gerechte werden hier einziehen.“192
7.„Da nun viele Tore geöffnet waren, so war das Tor zur Gerechtigkeit das Tor in Christus, und selig sind alle, die hier hineinziehen und ihren Weg gerade gehen in Heiligkeit“193 der Erkenntnis.
8. Dementsprechend setzt Clemens in seinem Brief an die Korinther die Unterschiede der in der Kirche Bewährten auseinander und sagt wörtlich: „Mag einer gläubig sein, mag er fähig sein, Erkenntnis auszusprechen, mag er weise sein in Unterscheidung von Reden, mag er gewaltig in Werken sein.“194
VIII. Kapitel
39.
1. Die sophistische Kunst, auf die sich die Griechen mit Eifer gestürzt haben, ist die Gewandtheit in der Beeinflussung der Vorstellungen, geschickt darin, durch Reden falsche Meinungen als wahre der Seele einzuflößen. Sie bietet nämlich für die Überredung die Rhetorik, für den Wortkampf die Eristik (Disputierkunst) dar. Wenn nun diese Künste nicht zusammen mit Philosophie verwendet werden, dürften sie für jedermann höchst schädlich sein.
2. Platon hat wenigstens die Sophistik geradezu eine Unglückskunst genannt,195 und im Anschluß an ihn bezeichnet Aristoteles sie als eine Art von Diebesfertigkeit,196 da sie sich die ganze Aufgabe der Weisheit in glaubhafter Weise heimlich aneignet und eine Weisheit zu lehren verheißt, um die sie sich nie gekümmert hat.
3. Um es kurz zu sagen: Wie bei der Rhetorik der Ausgangspunkt das Glaubhafte, der Hauptteil die Schlußfolgerung und das Endziel die Überzeugung ist, so ist bei der Eristik der Ausgangspunkt das Scheinbare, der Hauptteil der Kampf und das Endziel der Sieg.
4. In der gleichen Weise ist auch bei der Sophistik Ausgangspunkt der Schein, der Hauptteil doppelter Art, wobei aus der Rhetorik die ausführliche Darstellung, aus der