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Werden wir auf dem Mars leben?


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gelingt es so zumindest, die Tore größer zu machen.

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      Werden wir den Hunger besiegen können?

       // ERNST LANGTHALER

      Diese Frage stellte sich bereits der britische Bevölkerungswissenschaftler Robert Thomas Malthus vor 200 Jahren. Seine Antwort lautete: Nein, denn die Bevölkerung und damit die Nachfrage nach Nahrungsmitteln würden schneller als das Nahrungsangebot wachsen. Hunger- und andere Katastrophen schienen ihm unvermeidlich, wenn es nicht gelänge, das Bevölkerungswachstum zu begrenzen. Heute sehen wir, dass er unrecht hatte: Die Weltbevölkerung wuchs in den letzten 200 Jahren um das Sechs- bis Siebenfache, die weltweit verfügbare Nahrungsmenge hingegen etwa um das Zehnfache. Dies gelang einerseits durch die weltweite Ausweitung der Nutzflächen, andererseits durch die ergiebigere Nutzung des Bodens mittels neuer Technologien auf fossilenergetischer Basis. Unbestritten gab es auch im 19. und 20. Jahrhundert Hungerkatastrophen – aber nicht aus den von Malthus genannten Gründen.

      Und wie weiter angesichts von prognostizierten acht bis zehn Milliarden Menschen im Jahr 2050? Müssen wir heute wie Malthus und seine Anhänger besorgt in eine hungrige Zukunft blicken – oder können wir künftig auf eine ähnliche Steigerung der Pro-Kopf-Erzeugung hoffen wie in der Vergangenheit? Die Frage ist falsch gestellt, denn der Sieg über den Hunger hängt nicht allein von der verfügbaren Nahrungsmenge ab. Wir müssen die gesamte Nahrungskette – vom Acker bis zum Teller (eigentlich bis zum Abfall) – in den Blick nehmen, um zu schlüssigen Antworten zu gelangen.

      Im Bereich der Produktion geht es, je nach Region, um die nachhaltige Stabilisierung oder Steigerung der Erträge von Pflanzenbau und Tierhaltung. Um deren Grundlagen nicht zu zerstören, sondern dauerhaft zu erhalten, sind sozial- und umweltverträgliche Formen der Landbewirtschaftung nötig. Neben dem Biolandbau muss auch der konventionelle Landbau „ergrünen“, das heißt technologische Eingriffe (Kunstdünger, Pestizide, Gentechnik usw.) minimieren und das biologische Zusammenwirken von Pflanzen- und Tierarten maximieren. Anstatt die Anbauflächen auszuweiten, muss das bestehende Agrarland energieeffizienter genutzt werden – auch zur Eindämmung des Klimawandels. Im Bereich der Distribution geht es um die gerechte Verteilung der verfügbaren Nahrungsmenge. Hunger ist insgesamt kein Mengen-, sondern ein Zugangsproblem. Je ärmer und schwächer Menschen sind, umso eher sind sie dem Risiko des Hungers ausgesetzt. Folglich gilt es, eine gerechtere Wohlstands- und Machtverteilung anzustreben – im Großen wie im Kleinen. Übermäßige Konzentration von Marktmacht und überlange Transportwege sind zu vermeiden. Ungleiche Zugänge nach Klasse, Geschlecht, Ethnie, Alter oder anderen Unterschieden sind abzubauen. Im Bereich des Konsums geht es um die Begrenzung des Fleischverbrauchs in den Schwellenländern und dessen Senkung in den Industrieländern, während den Entwicklungsländern eine Anhebung zugestanden werden muss. Eine bestimmte Kalorienmenge an tierischer Kost erfordert ein Vielfaches der Anbaufläche für dieselbe Kalorienmenge an pflanzlicher Kost. Das heißt nicht, dass wir uns alle vegetarisch oder gar vegan ernähren müssen. Vielmehr ist ein gemäßigter Fleischkonsum – vor allem von Hühnern als effizienten Futterverwertern – unter dem derzeitigen Weltdurchschnitt von 43 Kilogramm (einschließlich Knochen) pro Kopf und Jahr anzustreben. Zudem müssen Nahrungsmittelverluste und -abfälle, die ein Drittel bis die Hälfte der Erzeugung ausmachen, eingedämmt werden.

      Diese Veränderungen entlang der Nahrungskette stellen sich nicht von selbst ein, sondern müssen hergestellt werden. Aber von wem – dem Markt, der Politik, der Zivilgesellschaft? Die Antworten auf diese Frage gehen, je nach Interessenlagen und Werthaltungen, auseinander. Die neoliberale Strategie, die etwa die Welthandelsorganisation (WTO) vertritt, fordert den Ausbau des agroindustriellen Modells mittels wissenschaftlich-technischen Fortschritts (z. B. Gentechnik). Dazu gibt es mehrere Alternativen: Die reformistische Strategie, die etwa viele Aktivitäten der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) anleitet, sucht die Auswüchse des herrschenden Systems mittels Nahrungshilfsprogrammen und der Förderung nachhaltiger Landbewirtschaftung einzudämmen, ohne jedoch die Machtverhältnisse grundsätzlich umzuwälzen. Die progressive Strategie, der alternative Lebensmittelnetzwerke folgen (z. B. Fair Trade), sucht innerhalb des herrschenden Systems Nischen eines gerechten und nachhaltigen Umgangs mit Nahrung auszubauen. Die radikale Strategie, die etwa die Bauernvereinigung Via Campesina vertritt, zielt auf die Aushebelung agroindustrieller Geschäfts- und industriestaatlicher Machtinteressen mittels durchgreifender Ressourcenumverteilung und Demokratisierung.

      Lässt sich das Menschenrecht auf quantitativ und qualitativ angemessene Nahrung in der heutigen Welt verwirklichen? Ja, aber dazu bedarf es weit reichender und tief greifender Anstrengungen, die kein Unternehmen, keine Regierung und keine NGO allein zu leisten vermögen. Es liegt in der Verantwortung aller maßgeblichen Markt-, Staats- und zivilgesellschaftlichen Akteure dieser Welt, den Hunger zu besiegen – letztlich auch an uns. So bleibt zu hoffen, dass wir auch in 30, 50 oder 100 Jahren bilanzieren können: Malthus hatte nicht recht.

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      Droht das Ende der Demokratie?

       // PETER FILZMAIER

      Wer in (Nieder-)Österreich geboren und jünger als 70 oder 80 Jahre ist, hat nie die Schrecken eines nicht demokratischen Regimes miterlebt. Wir verwenden das Wort Demokratie daher mit großer Selbstverständlichkeit, sind uns jedoch immer weniger bewusst, dass es sich um keinen irgendwie garantierten Zustand handelt. Verfassungen sind ein Schutzmechanismus gegen eine allzu leichtfertige Entdemokratisierung, aber – so zeigt es die Geschichte des 20. Jahrhunderts – keine für politische Brandstifter unüberwindbare Feuermauer. Weder entsteht Demokratie automatisch noch ist sie für immer und ewig gesichert. Im Gegenteil: Man muss sie auch im 21. Jahrhundert stets neu erkämpfen und sorgsam bewahren.

      Geschieht das in ausreichendem Ausmaß? Oder gibt es zunehmend antidemokratische Entwicklungen, die das Ende unserer Demokratie bedeuten können? Welche Anforderungen bestehen überhaupt, damit sich die jeweilige Heimatgemeinde, Niederösterreich, Österreich und EU-ropa zu Recht als demokratisch bezeichnen dürfen? Übrigens leben, so die Daten der renommierten NGO Freedom House, nur rund 40 Prozent der Weltbevölkerung in demokratischen Ländern. Parallel dazu kritisieren internationale Studien zunehmend Einschränkungen der politischen und zivilen Freiheit, was auch Länder auf dem europäischen Kontinent – etwa Polen und Ungarn sowie Russland und die Türkei – betrifft.

      Außer Streit stehen als allgemeine Voraussetzung für Demokratie zwei Grundprinzipien: Das erste Prinzip betrifft die Kontrolle der politischen Entscheidungsträger, insbesondere durch das Volk mittels allgemeiner, freier, gleicher und geheimer Wahlen. Bereits hier könnte man diskutieren, warum ein immer größerer Teil der Wohnbevölkerung nicht mitstimmen kann. Staatsbürger anderer EU-Länder sind in Österreich nur bei Gemeinderatswahlen wahlberechtigt, hier länger lebende Bürger von Drittländern gar nicht. Ebenso zu beachten ist eine Trennung der Staatsgewalten der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Bei uns sind Parlamente – Nationalrat und Landtage – gegenüber der Regierung relativ schwach, anderswo wird oft die Justiz durch die Regierungsmehrheit beeinflusst oder gar entmachtet.

      Das zweite Grundprinzip umfasst gemeinsame politische Rechte für alle Bürger sowie die Wahrung der elementaren Menschenrechte durch die Gesellschaft – etwa den Schutz persönlicher Freiheit und der körperlichen Unversehrtheit sowie die Meinungs-, Presse-, Religions-, Vereins- oder Versammlungsfreiheit usw. Da erleben wir Tag für Tag heftige Auseinandersetzungen, ob und inwieweit solche Rechte im Interesse anderer Ziele der Sicherheit beschränkt werden. Beispiele sind ein mögliches Verbot oder die Einschränkung von Versammlungen trotz Demonstrationsfreiheit oder die staatliche Sammlung personenbezogener Informationen trotz Datenschutz.

      Merkmal von Demokratien ist drittens aber genauso, dass eine Demokratisierung gesellschaftlicher Teilsysteme – etwa des Bildungsbereichs und der Arbeitswelt – gefördert wird. Zweifellos ist (Nieder-)Österreichs Demokratie einerseits durchaus führend, wenn man die Schuldemokratie