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verhinderten, dass die meisten Regierungen die Visionen, die in beiden Vereinbarungen enthalten waren, erfüllten.1

      Trotz dieses bedauernswerten Bruchs erlebten die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts – mit ihren Gesetzgebungen, internationalen Abkommen und einem neuen Grad von Konsens bezüglich der Rechte von Flüchtlingen, Minderheiten, Frauen und Kindern – einen tief greifenden Beitrag zu einer globalen Kultur des Friedens. Ebenso waren Bürger- und politische Rechte – die einen organisierten und offen ausgetragenen politischen Dissens ermöglichen –, Arbeitnehmerrechte, humanes Verhalten in Krisengebieten, Freiheit von Folter sowie Pressefreiheit Teil dieser Entwicklung internationalen Rechts. Dabei können wir einen evolutionären Trend zu immer mehr Inklusivität erkennen, der inzwischen auch Unterstützung im Bereich der sexuellen Orientierung, Gesundheit und Umweltschutz mit einschließt.

      Wir sehen aber auch, dass Gesetze als Beschleuniger evolutionären Fortschritts und kultureller Transformation an ihre eigenen Grenzen stoßen. Bei den Nürnberger Prozessen etwa hatten wir es mit dem Problem einer selektiven Anwendung der Gesetzgebung zu tun – eine für die Siegermächte und eine andere für die Besiegten. (Gehören die Bombenangriffe der Alliierten auf Dresden, Hiroshima und Nagasaki nicht ebenfalls in die Kategorie »Kriegsverbrechen«?) Es lassen sich viele weitere Beispiele von Regierungen finden, die Menschenrechts- und Friedensabkommen selektiv anwenden, die sie zwar ratifiziert haben, zu deren Vollzug sie sich aber nicht vollständig verpflichten. Als Reaktion darauf machen Menschenrechtsbewegungen auf der ganzen Welt weiterhin mobil und drängen auf Rechenschaftspflicht und Transparenz bei entsprechenden Rechtsverletzungen.

       »Restorative Justice« – eine auf Ausgleich bedachte Justiz

      Das juristische Leitbild ist aber auch bedingt durch die Weltanschauung der sie begleitenden Bestrafung. Eine Rechtsverletzung erfordert, dass derjenige, der das Recht verletzt, seine gerechte Strafe erhält – im Falle von Regimen bedeutet das, dass sie sanktioniert werden. Die auf Strafen setzende Weltanschauung beinhaltet oft lange währenden Freiheitsentzug mit nur geringen Bemühungen, die Häftlinge zu resozialisieren, was wiederum zu einer hohen Rückfälligkeitsrate führt. Diese Weltsicht kümmert sich nicht um die zugrunde liegenden Narrative von Trauma und Verletzung, die sich oftmals in zyklischen Verhaltensmustern aus Gewalt und Vergeltung entladen, sodass sie nie durchbrochen werden und sich selbst erhalten. Doch glücklicherweise steht uns nicht nur diese strafende Weltsicht zur Verfügung.

      Durch ein wirkmächtiges Zusammenkommen verschiedener Elemente konnten Weltanschauungen erschlossen werden, die eher transformierenden und heilenden Charakter haben. Eines dieser Elemente war der Wandel in der Psychologie – von der Ausrichtung auf Krankheitsbilder hin zu positiven Strategien, die Veränderung bewirken. Als die Positive Psychologie Ende des 20. Jahrhunderts weltweit an Boden gewann, begannen die Menschen sich auch für demokratische Veränderungen zu engagieren. Mitbestimmung wurde zu einem zentralen Thema, und die Volksbewegungen blühten auf. Es kam zum Fall der Berliner Mauer, die Apartheid fand ein Ende, und viele Diktaturen wurden überwunden, als das Prinzip der Positiven Psychologie – also jene Veränderung zu kreieren, die wir in unserem eigenen Leben sehen wollen – zugleich auf der politischen Bühne ausgedrückt wurde: und zwar in Form der Idee, dass wir nicht nur das Recht, sondern auch die Verantwortung haben, die Kultur zu schaffen, in der wir gerne leben möchten.

      Der bürgerliche Aktivismus erlebte eine Blütezeit in Bezug auf die Stärkung der Bürgerrechte, des Kampfes gegen Rassismus, die Entlarvung genderbasierter Vorurteile, die Förderung des fairen Handels und die Etablierung des Umweltschutzes. Eine richtungsweisende Vision für den Aufruf, Verantwortung für eine tief greifende kulturelle Transformation zu übernehmen, fand für viele NGOs (Nichtregierungsorganisationen) in der Deklaration der Erd-Charta ihren Ausdruck, welche in den späten 1990er-Jahren in einer weltweiten offenen Diskussion erarbeitet wurde.

      Während Menschen auch weiterhin eingesperrt oder gefoltert werden und ihr Leben für soziale Gerechtigkeit opfern, hat in den 50 Jahren von den Nürnberger Prozessen bis zur Truth and Reconciliation Commission (TRC) – der Wahrheits- und Versöhnungskommission Südafrikas aus dem Jahr 1995 – ein grundlegender Wandel stattgefunden. Das Bedeutendste an dieser Veränderung war, dass die Apartheid nicht nur für illegal erklärt wurde und jene bestraft wurden, die für die Aufrechterhaltung ihres systemischen Missbrauchs verantwortlich zeichneten, sondern dass darüber hinaus große Anstrengungen gemacht wurden, eine Justiz der Wiedergutmachung zu etablieren. Das Ziel der TRC war es, gleichermaßen Verantwortlichkeiten zu thematisieren und die Ursachen des tief gehenden Traumas der Nation zu untersuchen und so die Rahmenbedingungen zu schaffen, um deren Wunden zu heilen. Der auf Ausgleich bedachte Ansatz der TRC bei der Rechtsprechung in Post-Konflikt-Umgebungen ging über eine vergeltende bzw. rein bestrafende Justiz hinaus. Sie setzte außerdem Maßstäbe, indem sie die Wahrheit anerkannte – nicht nur so, wie sie sich in den faktischen Schilderungen widerspiegelte, sondern auch in den traumatischen Erfahrungen der Menschen. Während der Verfahren der TRC waren Tränen stets willkommen, und subjektive Erfahrungen standen bei dieser auf Versöhnung bedachten Methode an allererster Stelle.

      Obwohl die auf Ausgleich bedachte Restorative Justice auf der globalen politischen Bühne Interesse und ernsthafte Aufmerksamkeit gewonnen hat, handelt es sich keineswegs um einen neuen Ansatz. Restorative Justice, die auf der Interaktion zwischen Opfer und Täter und Verantwortlichkeit aufbaut, ist in einer Vielzahl indigener Praktiken tief verwurzelt. Wir können sie beispielsweise in der beduinischen und polynesischen Kultur, bei den Ureinwohnern Nordamerikas sowie in einigen afrikanischen Gesellschaften finden. Ich hatte das persönliche Privileg, dass ich die Erlaubnis erhielt, dem Prozess eines Gacaca-Gerichts in Ruanda beizuwohnen, das sich mit den Folgen des dortigen Völkermords auseinandersetzte. Ich war sehr beeindruckt vom Ausmaß der aktiven und tatkräftigen Beteiligung so vieler Dorfbewohner, die mit dem Fall in Verbindung standen, und ihrem inspirierenden Engagement, die ganze Wahrheit ans Tageslicht zu bringen und – sofern ehrliche Reue zum Ausdruck gebracht wurde – auch zu vergeben.

      Vergebung und ihre Rolle in der persönlichen sowie der Heilung der Gesellschaft hat in den vergangenen Jahren wachsendes Interesse erfahren. Vergebung befreit das Opfer aus seinem Trauma seelischer Verletzung und der Falle des An-der-Verletzung-festhalten-Wollens. Ohne Vergebung bleiben die Opfer häufig mit unbewältigtem Groll oder sogar dem Gefühl des Hasses zurück. Vergebung muss nicht bedingungslos sein. Der Prozess der Restorative Justice betont die Vorteile von Wiedergutmachung und Sühne, die im Täter das Gefühl echter Reue verstärken. Vergebung bietet dem Täter einen Weg der Wiedergutmachung und dem Opfer einen Weg zur Heilung. Vergebungsarbeit ist ein Beitrag zur Karte des Friedens – der Verbindung zwischen innerer Heilung und der äußeren Wiederherstellung von Beziehungen auf der Ebene des Einzelnen sowie der Gemeinschaft. Dieses Konzept ganzheitlicher Kartografie des Innen und Außen ist ein entscheidender Antrieb entstehender Friedensmodelle.

       Frieden praktizieren

      Der beschleunigende Beitrag zweier vormals voneinander getrennter Bereiche – Neurowissenschaft und Achtsamkeitspraktiken (Mindfulness) – hat den ganzheitlichen Ansatz zur Herausbildung einer globalen Kultur des Friedens noch verstärkt. Die Neurowissenschaft hat mittels Konzepten wie beispielsweise der Neuroplastizität zeigen können, dass wir darauf angelegt sind, uns anzupassen und zu stets neuen Einsichten zu gelangen. Selbst seit Langem eingefahrene Nervenbahnen, die für die Übermittlung von Reaktivität und Vorurteilen verantwortlich sind, können »neu verdrahtet« werden, um offener zu werden im Hinblick auf Empathie, Verbundenheit und Verpflichtung gegenüber anderen. Das schafft neue Möglichkeiten, die uns helfen, neue Sinngehalte zu integrieren, indem es die Auslöser von Kampf-Flucht-Erstarrungs-Reaktionen abschwächt und uns erlaubt, mit anderen Menschen tiefere Beziehungen einzugehen.

      Forschungen zu Meditation und Mindfulness deuten darauf hin, dass eine regelmäßige Meditationspraxis, einschließlich der Metta-bzw. »Liebende-Güte-Meditation«, entscheidend zur Verminderung von Angst, Stress und emotionaler Reaktivität beiträgt. Zusätzlich helfen eine Reihe von Atem- und herzzentrierten