mehr.
Da wurde die Tür aufgerissen.
Ein paar Männer stürmten in den Raum. Sie rissen Black von seinem Opfer, noch ehe er eine Chance hatte, sich zur Wehr zu setzen. Er war, da 'Briggs' ihm die Bernadelli abgenommen hatte, ohne Waffe ins Hotel gekommen, überzeugt davon, sich gegen Linda mühelos durchsetzen zu können. Das Auftauchen der Männer widersprach allen Erwartungen und Vorstellungen. Es gab dafür nur eine Erklärung.
„Briggs“, sagte Black nur.
Der Name entschlüpfte ihm fast wider Willen. Die Männer rissen ihn hoch und stießen ihn mit dem Gesicht gegen die Wand. Er musste die Hände dagegen legen und wurde nach Waffen abgeklopft.
„Was hat das zu bedeuten, verdammt nochmal?“, fragte er wütend. „Können Sie sich nicht vorstellen?“
Linda hatte für einen Moment das Bewusstsein verloren, jetzt kam sie wieder zu sich. Die Männer legten sie aufs Bett und deckten sie zu. Einer prüfte ihren Puls. Sie begann zu schluchzen. „Er wollte mich umbringen, er wollte mich umbringen ...“, stammelte sie unentwegt.
„Quatsch“, widersprach Black und drehte sich um. „Ich wollte ihr bloß ’ne kleine Lektion erteilen. Sie ist meine Freundin. Heute Nachmittag hat sie noch mit mir gepennt, und heute Abend ist sie mit ’nem Araber ausgegangen. Das hat mich sauer gemacht, deshalb habe ich sie ein bisschen scharf rangenommen ...“
„Er lügt. Er wollte mich töten“, sagte Linda schwer atmend. Sie hatte begriffen, dass sie die Flucht nach vorn ergreifen musste, wenn sie nicht erneut zur Zielscheibe von Wingates Attacken werden wollte. „Ich packe aus“, versicherte sie schwer atmend und massierte sich den schmerzenden Hals. „Ich sorge dafür, dass Louis und Archie bekommen, was sie verdienen.“
17
„Wir haben dir erlaubt, in Calumet City zu operieren“, sagte Bruno Gonella und ließ sein Gesicht hinter den blassblauen Wolken seiner schwarzen Havanna verschwinden. „Ich kann nicht behaupten, dass du dich dieses Entgegenkommens mit besonderer Klugheit bedient hast.“
Die Männer saßen sich in Gonellas Arbeitszimmer gegenüber. Sie waren allein. Die Tür zum Garten stand offen. Man hörte das Zwitschern der Vögel und die monotone Geräuschkulisse der nahen Straßen.
Archie Wingate musterte das runde, glatt rasierte Gesicht seines Schwiegervaters mit harten, kalten Blicken. Für Archie vertrat Gonella das Alte. Don Bruno verkörperte in seinen Augen die Generation der Pioniere. Gonella hatte zwar versucht, sich dem Computerzeitalter anzupassen, aber im Wesentlichen praktizierte er immer noch die Spielregeln der goldenen zwanziger Jahre. Don Bruno hielt seinen Bezirk in Ordnung, tat aber wenig, um die fantastischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die sich ihm hier boten.
„Ich habe neue Erwerbsquellen erschlossen“, sagte Archie Wingate. „Sie bringen mir Millionen. Davon profitiert auch deine Tochter.“
„Ich kann nicht finden, dass es sich so verhält“, meinte Gonella. „Deine Amouren sehe ich dir nach, aber mir missfallen deine Extratouren. In unserer Branche empfiehlt es sich nicht, allzu bekannt zu sein. Du bist es, und zwar auf eine sehr anrüchige Weise. Schlimmer noch, du heftest dir dabei unser Etikett ans Revers. Was du anstellst, fällt auf uns zurück.“
„Wenn das so ist, tut es mir leid – ich habe es niemals forciert.“
„Trotzdem ist es dir sehr recht, dass die Dinge nun mal so laufen. Ich bin deshalb vor die Commissione zitiert worden. Meine Freunde sind nicht länger bereit, sich in Toleranz zu üben.“
„Toleranz, wenn ich das schon höre“, erregte sich Wingate. „Ich zahle für die Lizenz. Und zwar nicht wenig.“
„Bei der Lizenzerteilung hatten wir uns auf einen Prozentsatz deines Einkommens geeinigt. Wir haben uns erlaubt, deine Einnahmen zu überprüfen und dabei festgestellt, dass du uns übers Ohr haust.“
„Ein Fehler der Buchhaltung vielleicht, ich kümmere mich darum“, versprach Wingate.
„Was ist mit Black?“
„Sie haben ihn verhaftet. Eine kleine Panne. Black wird daran festhalten, dass er dem Mädchen bloß eine Lektion erteilen wollte. Mir wird es in der Zwischenzeit gelingen, die Kleine aus dem Verkehr zu ziehen.“
„Ich muss dir eine schwerwiegende Mitteilung machen, Archie“, sagte Gonella. „Dein Klub wird geschlossen. Noch in dieser Woche. Wir haben uns darauf geeinigt, dir die Lizenz zu entziehen.“
Wingate blinzelte. Er legte den Kopf schief. „Ich höre wohl nicht richtig“, sagte er. „Du bist nicht der liebe Gott. Das trifft auch auf deine Freunde zu. Ihr habt mir nichts zu verbieten, ihr könnt auch nicht meinen Klub schließen.“
Gonella lächelte müde. „Du weißt, was wir können“, sagte er geduldig.
Wingate biss sich auf die Unterlippe. Er überlegte kurz: „Ich lasse mir das Geschäft nicht kaputtmachen. Es läuft großartig. Wenn ihr mit den Lizenzgebühren nicht zufrieden seid, können wir sie erhöhen, darüber lässt sich sprechen. Aber ich lasse mich nicht aus dem Geschäft drängen. Ich bin so mächtig wie du oder ein anderer in dieser Stadt. Was Calumet City betrifft, so ist mein Einfluss in diesem Bezirk größer als deiner. Ich stehe nicht allein. An mir verdienen viele Leute. Natürlich wäre es dumm von mir, wenn ich mich auf diese Burschen verlassen wollte – aber ich habe eine schlagkräftige Gang, die es mit euren Gorillas durchaus aufnehmen kann. Was hast du vor? Willst du mir den Krieg erklären? Das nehme ich dir nicht ab. Es widerspräche den Spielregeln und der Tradition. Deine Tochter ist meine Frau!“
„Daran brauchst du mich nicht zu erinnern, ich habe es über viele Jahre hinweg zur Grundlage meines Handelns gemacht. Du hingegen hast niemals Rücksichten geübt. Damit ist jetzt Schluss.“
Archie erhob sich. „Also doch Krieg?“
„Das liegt bei dir, mein Junge“, sagte Gonella gelassen. „Ich habe dir lediglich mitzuteilen, dass die Commissione die Schließung des Klubs erwartet. Wir werden ihn zu einem späteren Zeitpunkt wiedereröffnen, in eigener Regie. Wenn du vernünftig bist, erhältst du die Chance, ihm als Manager vorzustehen.“
„Als Angestellter der Mafia?“, höhnte Wingate. „Vielen Dank! Ich fühle mich in meiner Selbständigkeit sehr wohl und beabsichtige nicht, sie aufzugeben.“
„Du erhältst vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit“, erklärte Gonella.
„Ich verzichte darauf. Ich brauche sie nicht“, sagte Wingate. „Der Klub gehört mir. Ich denke nicht daran, ihn zu schließen.“
„Ist das dein letztes Wort?“
„Ja“, erwiderte Wingate und wandte sich mit grimmigem Gesicht zum Gehen. „Das ist mein letztes Wort.“
Als Archie Wingate die Halle des Hauses durchquerte, rechnete er damit, von Gonellas Gorillas aufgehalten zu werden, aber nichts dergleichen geschah. Wingate lächelte verächtlich, als er die Straße erreicht hatte. Er fand, dass die Zähne der Mafia ziemlich stumpf geworden waren. Ihre Handlanger mochten es fertigbringen, kleine Kaufleute zu terrorisieren und unzuverlässige Elemente aus dem Verkehr zu ziehen, aber sie hatten nicht das Zeug dazu, einen Mann seines Kalibers zu stoppen.
Calumet City gehörte ihm.