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Inklusion und Qualifikation


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kann, für die mangelhafte Teilhabe am schulischen, gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben, für das Abdriften in die Position von Außenseiterinnen und Außenseitern sowie für den Weg in ein unerfülltes und nicht ausreichend gelingendes Leben. Dabei hat Professor Heimlich sowohl in seiner Funktion als Lehrer als auch während seiner Tätigkeit als Universitätsprofessor stets gezeigt, dass die Gestaltung einer solidarischen Welt in Familie, Kindertagesstätte, Schule und Hochschule in der Inklusion liegen kann. Stets war es sein Ziel, den Fokus seiner wissenschaftlichen und pädagogischen Anstrengungen für Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Würde und Gleichberechtigung von Menschen zu orientieren.

      Lernen

      Dass sich Professor Heimlich ein Berufsleben lang sowohl in der schulischen Praxis als auch im Wissenschaftsbereich der Thematik des Lernens, vor allem für Kinder und Jugendliche in Kindertageseinrichtungen und Schulen, verpflichtet sah, war die logische Konsequenz seiner eigenen Suche nach Antworten auf die Frage nach der Entwicklung und Förderung von Lernen bis hin zu einem Lernen mit Lust und Freude am Geschehen. Wie sehr sich auch sein hoher wissenschaftlicher Anspruch stets auf der Basis eines breiten Spektrums fachlich-inhaltlicher Grundlagen bewegte, so war seine fachliche Expertise innerhalb der Pädagogik bei Lernschwierigkeiten immer orientiert am fundamentalen Wohl – ich möchte sagen am Gesamtwohl – von Kindern und Jugendlichen, unabhängig davon, ob mit oder ohne sonderpädagogischem Förderbedarf.

      Lernen in seiner Selbstverständlichkeit und als eine allen Menschen gleichermaßen zugängliche Lebenschance möge folgendermaßen ausgerichtet sein:

      • Neues zu entdecken und Lernen als wesentlichen Bestandteil des Menschseins zu sehen,

      • bei der Gestaltung der selbstregulierten Lernprozesse die kognitiven, emotionalen und sachlichen Aspekte einzubeziehen,

      • sich im gemeinsamen Lernen konstruktivistisch die verschiedenen Lernfelder und -ebenen im Sinne einer »Pädagogik der Vielfalt« anzueignen,

      • wiederholende Lernstrategien als gewinnbringend zu werten,

      • in der Ich-Du-Wir-Beziehung Glückserfahrungen zu ermöglichen sowie

      • die Fachlichkeit der Wissenschaft in den Dienst der Menschen zu stellen.

      Professor Heimlichs Expertentum als Wissenschaftler für Sonderpädagogik forderte immer wieder mit folgenden Fragestellungen heraus: »Wer sind wir? Was macht uns aus? Wie erlebt man uns? Wo wollen wir hin? Was sind unsere Kernanliegen?«

      Dadurch hat er das Profil der Person bzw. der Persönlichkeit der Sonderpädagogin bzw. des Sonderpädagogen nachhaltig geprägt, wird doch die Fachlichkeit von sonderpädagogischen Lehrkräften in der Praxis in vielfältiger Weise herausgefordert: Sie erziehen, unterrichten, diagnostizieren, beraten, fördern und kommunizieren gleichzeitig mit verschiedenen Partnerinnen und Partnern und haben dabei stets den bestmöglichen Bildungsweg für das einzelne Kind und den Jugendlichen im Blick. Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sind gleichsam Botschafterinnen und Botschafter der Inklusion. Sie sind mit ihrer Fachlichkeit innerhalb der sonderpädagogischen Förderschwerpunkte an den Förderzentren verankert, dabei aber auch außerhalb der Förderzentren, in der Unterstützung für inklusiv beschulte Schülerinnen und Schüler aktiv. Dieses breite Spektrum erfordert eine hohe fachliche Kompetenz und eine gefestigte professionelle Identität, die immer wieder auf neue, sich wandelnde Entwicklungen abgestimmt und aktualisiert werden muss. Zentraler Bezugspunkt ist dabei stets die Frage nach dem Kern eines speziell sonderpädagogischen Denkens und Handelns ebenso, wie das Bemühen um eine sonderpädagogische Haltung, basierend auf der sensiblen, empathischen Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in deren gesamtem Lebens- und Lernumfeld: zuhause, in der Kindertagesstätte und in der Schule. Fachliche und gesellschaftliche Entwicklungen begleiten diesen Prozess.

      Lieben

      Ein Kernanliegen von Professor Heimlich ist, dass jedes sonderpädagogische Handeln von einer absoluten Hinwendung zum »Du« geprägt sein möge. Sowohl bei seinen Begegnungen mit Kindern in Kindertagesstätten sowie mit Schülerinnen und Schülern in Schulen als auch in seinen Funktionen innerhalb der LMU, in seinem politischen Engagement bei Verbänden, auf KMK-Ebene, in den Ministerien, im Bayerischen Landtag oder in Funk und Fernsehen, zu jeder Zeit trat er mit großer sonderpädagogischer Leidenschaft ein für den kategorischen Imperativ der Sonderpädagogik, den ich wie folgt zusammenfassen möchte: »Handle so, dass sich aus der Gestaltung jedes einzelnen Moments in Erziehung und Unterricht, die Grundlage einer allgemeinen Haltung ergibt!«

      Herrn Professor Heimlichs sonderpädagogisches Herz ist beseelt von der Überzeugung unendlicher Entwicklungsmöglichkeiten jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen und geprägt von der Hinwendung zu den Menschen, mit denen er sich im Dialog zu Erziehung und Unterricht befindet.

      Mögen die zahlreichen Fachbeiträge der sich mit Herrn Professor Heimlich stets im Austausch befindlichen Autorinnen und Autoren – gemäß einem seiner zentralen Arbeitsschwerpunkte – das Thema Inklusion immer wieder so zum Blühen bringen, dass es dem Ziel einer solidarischen und sich der Bedeutung der Menschenwürde verpflichteten, demokratischen Gesellschaft stets Aufgabe und Ansporn bleibt. Dies ist der erklärte Wunsch von uns allen, die wir Herrn Professor Ulrich Heimlich auf so manchen Stationen seines unerschöpflichen Wirkens begleiten durften.

      Abschließend möchte ich mich bei Herrn Professor Dr. Ulrich Heimlich, in seiner Rolle als hervorragenden Impulsgeber, besonders im Bereich der Inklusion, von Herzen für all die Jahre der intensiven und bereichernden Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst bedanken.

      München, im November 2020

      Erich Weigl, Sonderpädagoge und Ministerialrat a. D. am Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst

      Einleitung

      Kathrin Wilfert & Tatjana Eckerlein

      Der Rückblick auf mehr als zehn Jahre Erfahrung mit Inklusion im deutschen Bildungssystem zeigt deutlich, dass Inklusion – und damit auch die Qualifizierung zur Inklusion – eine ständige Herausforderung ist. In der zweiten Dekade nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) besteht wohl Einigkeit darüber, »dass schulische Inklusion nicht einfach verfügbar ist« (Speck 2019, S. 135). Die »Verfügbarmachung von Welt (Rosa 2018, S. 25)«, so wie sie der Soziologe Hartmut Rosa beschreibt, funktioniert allerdings nicht ohne »soziale Resonanz«. Zwischenmenschliche Beziehungen als Resonanzerfahrungen, die gegenseitiges Zuhören und wechselseitige Anteilnahme erfordern, machen die Inklusion erst zu einem mit-menschlichen Prozess, der nicht einfach verfügbar ist, sondern eine stetige Aufgabe darstellt (vgl. Speck 2019, S. 107). Diese kann nur bewältigt werden, wenn von politischer Seite passende Bedingungen geschaffen werden und ihr von gesellschaftlicher Seite ein gewisser Grad sozialer Bereitschaft entgegengebracht wird.

      In diesem Band steht die Frage im Mittelpunkt, wie pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen, Schulen und auf anderen Ebenen eines inklusiven Bildungssystems für ihre professionelle Tätigkeit in unterschiedlichen inklusiven Settings qualifiziert werden können. Lösungen dieses Problems stehen, wie so häufig im Bildungsbereich, im Spannungsbereich zwischen begrenzt vorhandenen Ressourcen auf der einen Seite und, angesichts der Herausforderungen von Heterogenität, Diversität und Inklusion, gestiegenen Anforderungen an die Professionalität auf der anderen Seite.

      Im Bewusstsein der Bedeutung von Inklusion und Qualifikation sollen in diesem Band Antworten auf die eben genannten Herausforderungen gegeben werden. Dabei wird die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet: Konkrete Bemühungen der Qualifizierung lassen sich zunächst im Bereich der Ausbildung von frühpädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen aufzeigen. Darüber hinaus haben aber auch in spezifischen sonderpädagogischen Feldern, wie Förderdiagnostik und -planung sowie die Beratung, die ihre Konzepte an die neuen Anforderungen eines inklusives Bildungssystems angepasst haben. Schließlich wird die Debatte um Inklusion und Qualifikation auch von universitärer Seite durch