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Inklusion und Qualifikation


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wird heute durch die Gewissheiten der empirischen Bildungsforschung unterstützt (vgl. Anders 2019; Honneth 2012; Siraj et al. 2016) und löst Bildungsansätze ab, die in der Frühpädagogik lange Zeit auf eine organische Entwicklung gesetzt haben – wie u. a. auch die Bildungsphilosophie von Fröbel (vgl. Oelkers 2009), aber auch die Sozialisationsvorstellung der 1970er Jahre (s. o.).

      Die Kernberufsgruppe in Kindertageseinrichtungen, die diese Ansprüche erfüllen sollen, sind staatlich anerkannte Erzieherinnen und Erzieher. Sieben von zehn pädagogischen Fachkräften können heute eine solche Ausbildung vorweisen (vgl. Autorengruppe Fachkräftebarometer 2019). Nur sechs Prozent der pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen verfügen über einen akademischen Abschluss (vgl. ebd.). Trotz der starken Expansion in den letzten Jahren weist das Qualifikationsgefüge in den Einrichtungen eine hohe Stabilität auf. Nur ca. zwei Prozent des Personals sind in der Kindertageseinrichtung ohne Ausbildung (vgl. ebd.) als zusätzliche Kräfte tätig.

      Im Folgenden wird auf die Ausbildung zum Erzieher bzw. zur Erzieherin näher eingegangen, da diese Berufsgruppe noch immer als Grundqualifikationsprofil in den Kindertageseinrichtungen anzusehen ist. Die Ausbildung wird an staatlichen Fachschulen für Sozialpädagogik vollzeitschulisch erworben. Sie unterliegt nicht dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und der Handwerksordnung (HwO), sondern untersteht der Länderhoheit und orientiert sich an Beschlüssen der Kultusministerkonferenz (KMK). Die Erzieher-bzw. Erzieherinnenausbildung ist eine generalistische Ausbildung, die auf der Fachschulebene verortet, eigentlich eine Weiterbildung, vergleichbar mit dem Meister oder Techniker in der technischen Berufsbildung. Sie qualifiziert für sozialpädagogische Arbeitsfelder: Kindertageseinrichtungen, Kinder- und Jugendarbeit, Hilfen zur Erziehung und für sozialpädagogische Tätigkeiten in der Schule. Darüber hinaus legt sie für die pädagogische Arbeit mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen den Grundstein. Leitend ist für die Ausrichtung der Ausbildung zum einen der allgemeine Beschluss der KMK vom 07.11.2002 i. d. F. vom 10.09.2020 zu den Fachschulen (soziale, pflegerische, technische und betriebswirtschaftliche Berufe); hier findet sich unter dem Schlagwort Inklusion aber kein Eintrag (siehe auch Heimlich 2013b). Dieser Befund ist erstaunlich und zeigt zugleich den Sonderstatus, den die Fachschulen gegenüber den allgemeinbildenden Schulen genießen (vgl. KMK 2011). Zum anderen orientieren sich die Länder inhaltlich an dem Kompetenzorientierten Qualifikationsprofil für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern an Fachschulen und Fachakademien (Beschluss der KMK vom 01.12.2011 in der jeweils gültigen Fassung) (vgl. KMK 2020). Inklusion wird mit dem Qualifikationsprofil als Querschnittsaufgabe unabhängig von der Beschreibung von Handlungsfähigkeiten in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern ausgewiesen. Wie Heimlich bereits 2013 konstatiert, »wird eine detaillierte Kompetenzbeschreibung für diesen Bereich [noch] offengelassen« (Heimlich 2013b, S. 16). Eine Studie von Haude & Volk (2015) zur Analyse der Ausbildungsstrukturen frühpädagogischer Fachkräfte aus der Perspektive von Diversity Education legt anhand von Dokumenten- und Interviewanalysen offen, dass in den Ausbildungen eine Pfadabhängigkeit zur gesunden Normalentwicklung besteht (vgl. Haude & Volk 2015). Die Autorinnen lösen aus den Lehrplänen eine Differenzierung von normal vs. besonders heraus. Dabei heben sie auch hervor, dass »das zu erlernende (früh-)pädagogische Handeln in der Aneignung von Kompetenzen für die Beobachtung, für die Entwicklungs- und Unterstützungsdiagnostik und im Erlangen von Wissen über Fördermethoden sowie Präventionsarbeit und deren Anwendung« (ebd., S. 75) besteht. Inklusion gilt es zu fördern, zu unterstützen und als Querschnittsaufgabe zu bearbeiten. Inklusive Bildung und Erziehung ist aber keine Querschnittsaufgabe, sondern kann nur als Kern der Pädagogik Bedeutung erwirken (vgl. Heimlich 2013b).

      Seit der Einführung der UN-BRK hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mehrere Förderlinien ausgeschrieben, um die Aus- und Weiterbildung im Bereich Inklusion zu stärken. Im Schulbereich zählen dazu die umfangreichen Förderungen im Rahmen der Qualitätsoffensiven Lehrerbildung (QLB). Im Elementarbereich hat insbesondere das bundesweite Projekt Weiterbildungsinitiative frühpädagogischer Fachkräfte (WiFF) Akzente im Bereich der Aus- und Weiterbildung gesetzt. Das Projekt zeichnet sich durch empirische Forschungszugänge aus, agiert aber auch als Plattform (abrufbar unter: https://www.weiterbildungsinitiative.de/). Diese hat in den mehr als zehn Jahren ihres Bestehens ein bemerkenswertes Netzwerk im System der Kindertagesbetreuung aufgebaut (vgl. König 2020a). Die Plattform initiiert unterschiedliche Experten- und Expertinnengruppen für das Handlungsfeld Frühpädagogik, in denen Erkenntnisse und Entwicklungen aus unterschiedlichen Ebenen (Fachpraxis, Ausbildung, Wissenschaft, Administration und Fachpolitik) zu speziellen Themengebieten geteilt und diskutiert werden. In sogenannten Wegweisern für die Weiterbildung wird der Wissenstand aus Expertisen (u. a. Heimlich 2013a) und Experten- bzw. Expertinnengruppen zusammengetragen und kompetenzorientiert für die berufliche Weiterbildung aufbereitet. Der Zugriff auf die Materialien ist barrierefrei (kostenfrei) und hat so zu einer enormen Dissemination der Publikationen und Diskussionen beigetragen. Zum Schwerpunktbereich Inklusion wurden Wegweiser zu den Heterogenitätsdimensionen Behinderung, Kultur, Sprache, Armut sowie Teilhabe und Partizipation vorgelegt, insbesondere durch WiFF und das Deutsche Jugendinstitut (DJI) (abrufbar unter: https://www.dji.de/index.php?id=1226).

      Dass in der Frühpädagogik ein anderer Weg gewählt wurde als z. B. in der Schule – wo die QLB neue Impulse in der Hochschullandschaft gesetzt hat, könnte auch an der Systemdifferenz von Elementarbereich und Schule liegen. Bis heute gibt es eine Kluft zwischen Forschung und Wissenschaft und der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte. Die Einheit von Forschung und Lehre ist mit dem System der Fachschulen nicht gegeben und der Wissenstransfer aus Forschung und Wissenschaft gilt derzeit als größte Herausforderung in diesem Sektor. Denn hinsichtlich der enormen Veränderungsprozesse, mit denen dieser Bereich im Zuge des sozialen Wandels konfrontiert ist, fehlt es nach wie vor an Orientierungswissen in der Praxis. Dissemination wurde hier an die Weiterbildungsbereitschaft geknüpft, die als Kern des Selbstverständnisses frühpädagogischer Fachkräfte beschrieben wird (vgl. König & Buschle 2017). Der Weiterbildungsmarkt gilt zwar als relativ unübersichtlich, anhand der Analyse von 4000 Weiterbildungsangeboten zeigt sich aber, dass Inklusion durchaus auf Resonanz in der Praxis der frühen Bildung stößt und zu den ersten zehn Topthemen der Weiterbildung zählt (Rangliste: Platz 9) (vgl. ebd.). Die Auseinandersetzung mit Inklusion hat insbesondere zu einer konzeptionellen Bearbeitung geführt (vgl. Cloos & Becker-Stoll 2015) und damit auch Anschluss geschaffen an die erziehungswissenschaftliche Theoriebildung. Gemessen daran hinkt die empirische Beforschung des Ausbildungsbereichs und der Umsetzung von Inklusion in der Praxis hinterher (vgl. ebd.).

      1.3 Empirische Einblicke

      Anknüpfend an die Aussage, dass Vorstellungen, Erzählungen, Werte und Haltungen, die die Fachkräfte teilen, ein wesentliches Fundament darstellen, um Bildungsteilhabe und Partizipation umzusetzen (vgl. Prengel 2016), werden hier Einblicke in zwei Gruppendiskussionen gegeben. Diese wurde im Rahmen der WiFF-Teilhabestudie ergänzend zu einer Beobachtungsstudie durchgeführt (vgl. Beutin, Flämig & König 2018). Die Interviews fanden in zwei deutschen Großstädten statt. Das Korpus umfasst knapp 35.000 Wörter und überstreckt sich bei beiden Interviews auf über 90 Minuten. An den Diskussionen waren vier bis sieben pädagogische Fachkräfte aus mehreren Einrichtungen beteiligt, die sich als inklusionsorientierte Einrichtungen verstehen.

      Die Methode der Gruppeninterviews wurde gewählt, um kollektive Meinungen zu erfassen (vgl. Hussy, Schreier & Echterhoff 2013). In den hier analysierten Interviews wurde der Fokus auf Inklusion gelegt und damit Raum zu Diskussion und Erfahrungsaustausch gegeben. Auf diesen relativ offenen Einstieg folgte in beiden Diskussionen relativ rasch eine Annäherung an den Begriff, wie die folgenden Zitate aus der Studie zeigen:

      »Inklusion, also ich hab mich selten explizit so mit dem Begriff der Inklusion auseinandergesetzt, das ist für mich ein Begriff, bei dem es ganz viel, wie bei so vielen pädagogischen Begriffen, oder menschlichen Begriffen, wo es irgendwie um Haltung geht, und ähm, ja, und die Haltung heißt für mich so etwas wie, ich bin offen dafür, dass es ein Miteinander mit Menschen gibt […].« (Stadt A)

      »Ich würde da auf jeden Fall von Inklusion sprechen, weil meiner Meinung