Leipziger Südfriedhof haben sich aus einem bereits früher für Sozial- und Anatomieleichen angelegten Urnengarten seit 1960 mehrere Urnengemeinschaftsanlagen entwickelt.
In den alten Bundesländern ist ab 1970 eine signifikante Entwicklung der anonymen Bestattung als reguläre Bestattung zu beobachten: Frühe anonyme Urnenhaine in den westlichen Bundesländern entstanden beispielsweise 1970 auf dem Friedhof Hamburg-Öjendorf, 1974 in Bremen-Riensberg und 1975 auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf.
Zahlreiche Zwischenformen
Aus diesen rein namenlosen Rasenbestattungen haben sich inzwischen zahlreiche Zwischenformen mit unterschiedlichen Bezeichnungen entwickelt. Die bekanntesten Formen sind die Aufstellung von Gemeinschaftsdenkmälern, auf denen Namen und ggf. Lebensdaten der Verstorbenen verzeichnet sind. Bekannt sind auch Anlagen, auf denen in den Boden (Rasen) eingelassene Platten Namen und Lebensdaten aufnehmen.
Bild 40: Rasenbestattung mit Denkmal auf dem Friedhof Göttingen (Quelle: Norbert Fischer)
Bild 41: Rasenbeisetzungen mit Denkmal auf dem Südfriedhof Kiel (Quelle: Norbert Fischer)
Bild 42: Rasenbeisetzungen auf dem Südfriedhof Leipzig (Quelle: Norbert Fischer)
{Muslimische Bestattung}
Ein gutes Fünftel der Bevölkerung Deutschlands hatte 2016 einen Migrationshintergrund;[2] Tendenz steigend. Doch diese Gruppe kommt „in die Jahre“. Folge ist, dass fremde Bestattungsrituale somit auch mehr in das Licht der Öffentlichkeit treten. Migranten werden von ihren Toten Abschied nehmen, wie ihre Kultur sie dies lehrt, andere sind bereit, sich an die Kultur des neuen Heimatlands anzupassen. Die pluralisierte Trauerkultur ist Signum einer ethnisch, kulturell und religiös inhomogenen Gesellschaft.[3]
Muslime sind nicht die einzigen Angehörigen einer nichtchristlichen Religion in Deutschland, aber nach den Christen beider Konfessionen die mit Abstand größte religiöse Gruppe. 2016 hatten 22,5 % der Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Nur noch 55 % der Bevölkerung gehörten 2016 – in einer bis vor wenigen Jahrzehnten noch ausschließlich vom Christentum geprägten Gesellschaft – einer der christlichen Kirchen an; Tendenz fallend. Knapp 5 % waren zu diesem Zeitpunkt Muslime, und weniger als 3,9 % hatten ein anderes religiöses Bekenntnis. Dagegen gehörten 36,2 % überhaupt keiner Religionsgemeinschaft an. Daraus folgt, dass die künftige Trauerkultur voraussichtlich immer weniger von christlicher Semantik und ihren Ritualen geprägt sein wird. Muslimische Einflüsse und solche fernöstlicher Religionen werden zunehmen und ein weiterer steigender Anteil der Bevölkerung wird über kein religiöses Bekenntnis verfügen. Repräsentative Untersuchungen über das Trauerverhalten von Angehörigen nichtchristlicher Religionsgemeinschaften in Deutschland liegen nicht vor.3
Muslime sind eine heterogene Gruppe, die in Deutschland überwiegend der Gemeinschaft der Sunniten angehört, zu geringeren Anteilen den Aleviten und Schiiten. Von Bedeutung für die religiösen Rituale ist das Herkunftsland. Für in Deutschland lebende Muslime war es bisher überwiegend die Türkei, gefolgt von Südosteuropa, Naher Osten, Iran, Nordafrika und Süd-/Südostasien.[4] Da durch Bürgerkriege vermehrt Menschen aus Kriegsgebieten nach Deutschland eingewandert sind, beginnt sich dies inzwischen zu wandeln, sodass auf einigen Friedhöfen, die muslimische Gräberfelder anbieten, heute Bestattungen von Verstorbenen nicht-türkischer Herkunft überwiegen.
Es gibt einzelne Kommunen, in denen inzwischen Strukturen geschaffen wurden, die zum Anstieg der Zahlen von Bestattungen für Angehörige des Islams und anderer Religionsgemeinschaften geführt haben. Diese Bedingungen sind die entsprechenden Landesgesetze und Regelungen der Friedhofsordnungen sowie eine hinreichende bauliche Infrastruktur. Zu vermuteten ist, dass die in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Migranten sich künftig in größerer Zahl hier – und nicht im Herkunftsland – bestatten lassen werden. So dürfte es zu einem Nebeneinander unterschiedlicher Trauerkulturen auf deutschen Friedhöfen und auch einer Vermischung der Rituale kommen.3
Muslimische Bestattungen im Herkunftsland der Migranten
Die Bestattungen von Zugewanderten und deren Angehörigen haben bis vor einigen Jahren wenig Beachtung gefunden. Ursache ist, dass die Zahl in Deutschland bestatteter Muslime noch immer relativ niedrig ist. Üblich war anlässlich des Todes eine Rückkehr ins Herkunftsland.[5]
Das hat gleich mehrere Gründe. So verweigert der deutsche Gesetzgeber das Ewige Ruherecht {Ewiges Ruherecht}, welches vom Koran für die Toten vorgeschrieben ist. Auch eine Neubelegung des Grabes verbietet der Islam. Ein Grabesort kann i. d. R. nur einmal belegt werden.[6] Daraus folgt, dass z. B. in Dortmund, einer Stadt mit einem Migrantenanteil von über 25 %, zwischen 1996, dem Beginn der muslimischen Bestattungen, und 2013 nur 134 Muslime auf Dortmunder Friedhöfen beigesetzt wurden;3 dies trotz erheblicher Kosten für eine Bestattung im Herkunftsland, welche von einem Mitarbeiter des „Friedhofs am Hallo“ mit etwa 10.000 Euro beziffert werden. Zuvor war es üblich, dass in Deutschland eigens Bestattungsunternehmen gegründet wurden, die wie mit einer Art „Luftbrücke“ die Toten in die frühere Heimat brachten und somit eine Bestattung nach islamischem Ritus in heimischer Erde ermöglichten.3
Da die islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland keine Körperschaften des öffentlichen Rechts bilden, dürfen sie selbst keine Friedhöfe unterhalten.5
Erst 2015 wurde in Nordrhein-Westfalen (NRW) als erstes Bundesland das Bestattungsgesetz dahingehend geändert, dass auch muslimische Vereine Friedhöfe betreiben dürfen.[7] So ist es möglich, dem Wunsch zu entsprechen, auch im Tod Teil der Herkunftsgemeinschaft zu bleiben. Das wird verdeutlicht durch ein muslimisches Gebot, das die Beisetzung unter Nichtmuslimen verbietet. Islamische Friedhöfe sollten sich außerhalb bewohnter Gebiete befinden und außerdem „[…] keine Statuen oder Ornamente aus Schmiedeeisen aufweisen […]“.[8] Der Friedhof ist nicht nur ein Ort der Totenruhe, sondern gilt als ein Platz der Auferstehung.[9] Trotz der strengen Regularien werden inzwischen in einigen Großstädten muslimische Grabfelder angelegt.3
Muslimische Bestattungen am Beispiel zweier Städte im Ruhrgebiet
Die Initiative zur Bestattung von Muslimen in Dortmund ging dort vom Ausländerbeirat und dem Ausschuss für Bau, Verkehr und Grünflächen aus. Die vereinbarten Regelungen sehen vor, dass seit 1996 ungeachtet der Herkunftsnationalität in muslimischen Gräberfeldern bestattet werden kann.