nichts von mir.« Der Schankkellner stemmte seine Hände in die Hüften. Er schien den Spruch von Franz nicht witzig zu finden und blickte ihn herausfordernd an.
»Da schau her. Sie wollen der Münchner Kripo also ihr wohlverdientes Feierabendbier vorenthalten«, scherzte Franz weiter.
Eines ist sicher. Der geht zum Lachen in den Keller.
»Wenn du Gartenzwerg von der Kripo bist, bin ich der Kaiser von China.« Der Schankkellner grinste höhnisch, während er mit einem abschätzigen Blick auf Franz hinunterblickte.
Der zückte nur lässig seinen Dienstausweis und hielt ihn seinem Gegenüber mit ausgestrecktem Arm unter die Nase.
»Und jetzt hätte ich gern mein Bier, Eure Majestät«, sagte er. »Gut eingeschenkt, wie gesagt. Bitte schön.« Er lächelte übertrieben liebenswürdig. Dann steckte er seinen Ausweis wieder ein.
»Äh, selbstverständlich, Herr Hauptkommissar. Das konnte ich ja nicht wissen.« Der Schankkellner deutete eine kleine Verbeugung an. Er errötete. Von einer Sekunde auf die andere standen kleine Schweißperlen auf seiner Stirn.
Franz grinste innerlich. »Jaja«, sagte er abwinkend, »schon recht.«
Schon merkwürdig, wie viele Zeitgenossen im Angesicht der Polizeimarke ein schlechtes Gewissen zur Schau tragen. Es muss mehr Leichen in den verschiedenen Kellern dieser Welt geben, als wir jemals finden können. War ich gerade ein Arschloch? Ich glaube schon. Egal.
Dann nahm er seine drei gut eingeschenkten Halben entgegen, bezahlte und ging zu Max und Mathilde zurück an den Tisch.
3
Dagmar kam nicht nach einer guten halben Stunde zurück in den Biergarten. Auch nicht nach einer Stunde. Mathilde war die Sorge um ihre Freundin deutlich anzusehen.
»Normalerweise ist sie absolut zuverlässig«, sagte sie aufgeregt zu Max und Franz. »An ihr Handy geht sie auch nicht. Sehr merkwürdig.«
»Bestimmt hat sie es leise gestellt, weil sie bei ihrem Treffen nicht gestört werden will«, vermutete Max, der längst von Franz von dessen Gespräch mit Dagmar erfahren hatte.
»Glaub ich auch.« Franz nickte.
»Ich weiß nicht.« Mathilde, die direkt neben ihm saß, knetete unruhig ihre Finger. »Hoffentlich ist ihr nichts passiert.«
»Hier in der Innenstadt?« Max schüttelte den Kopf. »Viel zu viele Leute.« Er bemühte sich, so ruhig wie möglich zu klingen.
Natürlich wusste er als Ex-Kriminaler, dass immer und überall etwas Schlimmes passieren konnte. Aber er wollte nicht, dass sich die ohnehin schon besorgte Mathilde noch mehr beunruhigte. Zumal es ihm als unwahrscheinlich erschien, dass ihrer Freundin tatsächlich etwas zugestoßen war. Es war doch oft so: Ein kurzes Treffen zog sich in die Länge, weil es auf einmal doch viel mehr zu sagen gab, als ursprünglich gedacht.
»Wenn du das sagst.« Sie lächelte flüchtig. »Mit wem mag sie sich nur getroffen haben?«
»Wenn du das nicht weißt, weiß ich es erst recht nicht.« Max sah sie mit großen Augen an.
»Stimmt.« Sie zuckte nur die Achseln.
»Sie kommt bestimmt bald wieder.« Er klang zuversichtlich. »Hast du Hunger?«
»Ich glaube schon. Weiß nicht …« Sie sah ihn unentschlossen an.
»Dann hole ich uns jetzt original bayerische Schweinswürschtel mit Kraut. Schon mal gegessen?« Er blickte sie erwartungsvoll an.
»Das letzte Mal, als ich in München war.« Sie nickte. »Schmecken sehr gut.«
»Ich bin sofort zurück.« Max erhob sich, noch während er sprach, von seinem Platz und eilte davon.
Während er sich an der Essensausgabe des kleinen Biergartens in die Reihe der Wartenden stellte, geisterten ungute Gedanken in seinem Kopf umher.
Hoffentlich ist Dagmar wirklich nichts passiert. Das wäre nicht lustig, und es hieße Arbeit.
Franz und er hatten zufälligerweise gerade gestern einen Entführungsfall abgeschlossen. Franz als Leiter des Kommissariats in der Hansastraße, in dem unter anderem Entführungsfälle und Mord bearbeitet wurden. Er als externer Berater und ehemaliger Hauptkommissar mit viel Erfahrung und einer großen Anzahl an erfolgreich gelösten Fällen.
Das wollten sie eigentlich heute feiern. Nur deshalb waren sie hier. Gott sei Dank konnten sie das Opfer, zufällig eine Frau wie Dagmar, retten und den Kerl, der sie gefesselt in einem Heizungskeller fast verhungern und verdursten ließ, fassen. Es hatte nicht lange gedauert, bis er gestand.
Er kam mit einem Teller voller Würschtel und einem Extrateller Sauerkraut sowie einer großen Brezen an den Tisch zurück.
»Das sieht aber wirklich gut aus«, freute sich Mathilde.
»Bayern von seiner besten Seite.« Franz grinste zufrieden, während er Max den Teller mit den Würsteln abnahm und ihn direkt vor sich auf dem Tisch abstellte.
»Die sind für uns alle«, ermahnte ihn Max. Schließlich kannte er seinen besten Freund aus Kindertagen in- und auswendig. »Auch für Dagmar, wenn sie gleich wieder da ist.«
»Natürlich. Was denkst du denn?« Franz zog mit gespielter Empörung die Stirn kraus. »So viele schaffe ich doch gar nicht alleine.«
»Kein Wort wahr.« Max grinste breit.
Mathildes Handy klingelte.
»Dagmar?« Max sah sie neugierig an.
»Leider nicht.« Mathilde schüttelte den Kopf. »Nur eine Freundin aus Dortmund.«
»Vielleicht weiß die ja was.« Max nickte ihr aufmunternd zu.
Sie ging ran.
»Sabine, hallo … Ja, es ist sehr schön hier. Aber stell dir vor, Dagmar ist verschwunden. Ja, hier in München. Ich sitze auf dem Viktualienmarkt und warte auf sie. Sie geht nicht an ihr Handy.« Mathilde klang nach wie vor verunsichert und nervös.
»Schon merkwürdig«, raunte Max derweil Franz zu, der gerade gierig kauend sein drittes Schweinswürschtel in die Hand nahm.
»Hmm.« Er nickte nur und aß weiter.
»Nein, sag ihm nichts. Sonst macht er sich nur Sorgen.« Mathilde sprach nun lauter. »Ach, er ist sowieso nicht zu Hause? Wo denn dann? … Aha. Na gut. Ja, ich melde mich, sobald ich etwas Neues weiß.«
Sie legte auf.
»Jörg ist nicht zu Hause«, erklärte sie Max und Franz.
»Wer ist Jörg?« Max sah sie neugierig an.
»Hmm.« Franz dagegen ließ sich auch jetzt nicht beim Essen stören.
»Ach so. Könnt ihr ja nicht wissen.« Mathilde schüttelte flüchtig lächelnd den Kopf. »Jörg Krieger ist Dagmars junger Freund daheim in Dortmund.« Sie verstaute ihr Smartphone wieder in ihrer Handtasche. »Dagmar ist der Meinung, dass er in seiner eigenen Wohnung wäre. Ist er aber nicht, meint Sabine.«
»Wo ist er denn jetzt, wenn er nicht zu Hause ist?« Max konnte nicht anders, als weiterzufragen. Die Macht der Gewohnheit des Kriminalers in ihm.
»Das wusste Sabine auch nicht genau. Sie wollte ihn etwas wegen Dagmars Geburtstag nächste Woche fragen, hat ihn aber nicht erreicht. Auch auf dem Handy nicht. Jetzt vermutet sie, dass er zum Angeln gefahren ist und sein Telefon ausgeschaltet hat.«
»Für länger?«
»Keine Ahnung. Wieso?« Mathilde zuckte die Schultern.
»Nur so.« Max blickte ausdruckslos drein.
»Er fährt immer nach Holland und verkriecht sich dort irgendwo für ein paar Tage. Vor allem, wenn er und Dagmar Streit hatten.«
»Hatten sie?«
»Kurz bevor wir losfuhren.