Michael Gerwien

Mord am Viktualienmarkt


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Max nickte. »Vielleicht ist er ja hier in München, weil er sich versöhnen wollte.«

      »Zuzutrauen wäre es ihm.« Sie sah ihn nachdenklich an.

      »Du musst unbedingt auch ein paar Würschtel essen«, meinte Max. Er zeigte auf den halbleeren Teller vor Franz. »Sonst sind sie weg.«

      »Ich habe eigentlich gar keinen Hunger.« Sie blickte nachdenklich durch ihn hindurch.

      »Der kommt beim Essen. Mach dir nicht so viele Sorgen. Dagmar ist bestimmt bald zurück.« Er zog Franz den Teller unter der Nase weg und schob ihn vor Mathilde.

      »Hey, Moment mal«, protestierte Franz, »ich bin noch nicht fertig.«

      »Schon recht, Franzi. Jetzt ist aber erst mal unser Gast an der Reihe. Wir sind doch höflich, oder?«

      Während Mathilde zaghaft in eines der Würschtel biss, schickte Max seiner Teilzeitlebensabschnittsgefährtin Monika Schindler eine Nachricht aufs Handy, dass es später werden würde, bis er ihr heute in ihrer kleinen Kneipe in der Nähe des Tierparks beim Ausschenken helfen könne. Er und Franz hätten leider noch kriminalistisch zu tun. Da könne er im Moment nichts dagegen tun.

      Das würde sie ihm bestimmt eher nachsehen als die Tatsache, dass sie in netter Gesellschaft am Viktualienmarkt saßen und Bier tranken. Vorausgesetzt, sie glaubte ihm überhaupt, was sie oft genug nicht tat, wie er wusste.

      4

      »Max wollte pünktlich zum Abendessen hier sein und mir danach hinter dem Tresen helfen«, sagte Monika zu ihrer Freundin Anneliese, während sie die Tür zu ihrer kleinen Kneipe aufsperrte. Sie waren in den Isarauen spazieren gewesen, und um 18 Uhr ging, wie an jedem Wochentag, das Geschäft los. »Und jetzt klebt er sicher wieder mit Franzi an irgendeinem Bierausschank in der Stadt fest. Immer dasselbe.«

      »Und wenn schon«, erwiderte Anneliese. »Du kennst doch die Männer. Sobald sie zwei Halbe zu viel haben, kommen sie ins Ratschen und Herumblödeln, und alles andere ist vergessen.«

      Die platinblonde Anneliese Rothmüller war Monikas älteste und beste Freundin. Blond und schwarz passt immer gut, scherzten die zwei gerne, wenn sie zusammen ausgingen oder gemeinsam eine Urlaubsreise unternahmen.

      »Aber die Arbeit hier macht sich nicht von selbst. Bei dem heftigen Föhn ist der Biergarten heute bestimmt rappelvoll.« Obwohl sie ihr Lokal über alles liebte, graute Monika fast schon vor dem abendlichen Ansturm der Gäste, der bei dem heutigen warmen Wetter von ihr allein wohl kaum zu bewältigen war. Morgen und am Sonntag würde sich das besser verteilen, weil sie da schon mittags aufmachte. Aber heute war ihr voller Einsatz gefragt.

      »Und wie immer bei Föhn wird die Hälfte deiner Gäste total grantig und daneben sein«, meinte Anneliese. »Das wird ein Spaß.«

      »Das darfst du annehmen.« Monika nickte.

      »Ich helfe dir.« Anneliese holte sich eine der weißen Schürzen, die hinter dem dunklen Holztresen hingen, vom Haken.

      »Musst du aber nicht, Annie. Genieß doch lieber deinen wohlverdienten Eheruhestand.«

      »Wer rastet, der rostet.«

      Annelieses Mann hatte sie wegen einer Jüngeren verlassen, ihr aber dank ihres hervorragenden Anwalts ein riesiges Haus in bester Lage sowie jede Menge Bargeld überlassen müssen. Arbeiten musste sie in den nächsten 100 Jahren garantiert nicht mehr, um ihren Lebensstandard zu halten. Aber nur alleine zu Hause zu sitzen war einfach nicht ihr Ding, wie sie Monika bereits mehrmals anvertraut hatte. Sie würde dabei irgendwann ganz bestimmt an Langeweile sterben.

      Also träfe sie sich lieber mit ihrer besten Freundin. Auch wenn diese etwas für sie zu tun hätte. Arbeit schadete schließlich nicht. Noch dazu in einer netten Kneipe, in der regelmäßig jede Menge interessante Männer auf der Bildfläche erschienen. Natürlich auch uninteressante. Doch die könnte man geflissentlich übersehen. Schließlich wäre sie, genau wie Monika, eine gestandene Frau und kein leicht zu beeindruckendes Mädchen mehr wie zum Beispiel ihre Tochter Sabine. Die schien regelrecht darauf programmiert zu sein, an die falschen Typen zu geraten. Anders könne man sich ihre diesbezüglichen Missgriffe nicht erklären.

      »Du bist wieder mal meine Rettung.« Monika, die selbst keine Kinder hatte – Max reichte ihr auch völlig –, atmete erleichtert auf.

      »Mach ich doch gerne, Schnucki. Geh du in aller Ruhe in deine Küche und bereite alles vor. Ich kümmere mich solange um den Tresen und den Biergarten.« Anneliese warf ihr eine Kusshand zu. Dann klatschte sie entschlossen in die Hände.

      »Angeblich haben sie noch kriminalistisch zu tun«, meinte Monika auf dem Weg in die Küche.

      »Max und Franzi?«

      »Ja.« Monika blieb stehen und drehte sich um. »Das hat er zumindest so in seiner Nachricht geschrieben.« Ihr Tonfall verriet, dass sie ihre Zweifel daran hatte.

      »Vielleicht stimmt es ja.«

      »Vielleicht aber auch nicht.« Monika zuckte die Achseln. »Irgendwie traue ich ihm nach all den Jahren immer noch nicht so recht über den Weg.«

      »Weil er das eine oder andere Mal fremdgegangen ist?«

      »Das meine ich nicht.« Monika schüttelte vehement den Kopf. »Ich sehe das auch nicht so eng. Wollte ja selbst nichts Festes.«

      »Das behauptest du immer. Aber ist es auch wirklich so?«

      »Es ist so, Annie.« Monika blickte entschlossen drein. »Ich habe schließlich auch nie seine Heiratsanträge angenommen.«

      »Aber warum traust du ihm dann nicht über den Weg?«

      »Kann ich nicht sagen.« Monika zuckte die Achseln. »Müsste ich mal drüber nachdenken.«

      »Klingt irgendwie zickig.«

      »Ja?«

      »Ja.«

      »Dann ist es halt so.«

      »Sie sprechen in Rätseln, schöne Frau.« Anneliese schüttelte langsam den Kopf.

      »Lass uns arbeiten.«

      »Magst du vorher einen kleinen Prosecco?«

      »Immer.«

      5

      Max, Franz und Mathilde setzten gleichzeitig ihre Gläser auf dem Tisch ab.

      »Zum Bruderschafttrinken gehört aber auch ein Küsschen links und rechts«, meinte Mathilde.

      »Gerne.« Franz, der direkt neben ihr saß, hielt ihr schnell seine rechte Wange hin.

      Dann hauchten sie jeweils zwei Bussis neben ihren Ohren in die Luft. Anschließend kam Max an die Reihe. Er und Mathilde beugten sich dazu weit über den länglichen Biergartentisch.

      »Aber wir zwei küssen uns nicht schon wieder«, fuhr er danach, an Franz gewandt, fort.

      Der nickte nur mit einem breiten Grinsen.

      »Das wäre geschafft.« Mathilde lächelte zufrieden. »Duzen tun wir uns ja sowieso längst. Dann bin ich wohl jetzt mit Bierholen an der Reihe.«

      »Auf gar keinen Fall. Du bist unser Gast«, wehrte Franz ab. »Max hat zuletzt das Essen geholt. Jetzt bin ich wieder mit Bier dran.«

      »Wirklich?« Sie war bereits aufgestanden und blieb unschlüssig stehen.

      »Setz dich wieder.« Franz entfernte sich schnell Richtung Schenke. Seinem breiten Grinsen nach freute er sich offensichtlich schon auf das Wiedersehen mit seinem neuen Freund, dem Schankkellner.

      »Vielleicht sollten wir uns bald mal auf die Suche nach Dagmar machen«, meinte Max. Er hatte die ganze Zeit über immer wieder an Mathildes verschwundene Freundin gedacht und machte ein ernstes Gesicht.

      »Mir wäre es auch lieb. Sie ist jetzt wirklich zu lange fort, ohne erreichbar zu sein. Ist sonst gar nicht ihre Art.« Sie schüttelte