Dong Xi

Bereuen


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aufzusuchen, um dir diese Medizin verschreiben zu lassen. Man nimmt das zweimal im Monat. Es ist garantiert, daß du nicht weiter dumme Gedanken hast.“ Mein Vater steckte die Nase ins Päckchen, roch ein paar Mal darin und schleuderte es blitzschnell zum Fenster hinaus. Das Päckchen ging kaputt und die Heilkräuter verstreuten sich auf dem Boden. Onkel Yu bückte sich, um sie aufzunehmen.

      „Wärmespender, oh, Wärmespender, es ist OK, daß du mir nicht helfen willst! Aber warum musst du noch zusätzlich meinen Körper ruinieren?“

      „Denke doch nicht falsch! Ich habe befürchtet, daß du da Nacht für Nacht so sitzt und dabei krank werden musst.“

      „Danke für deine gute Absicht. Ich bereue sehr, dir so viel erzählt zu haben.“

      „All andere Hilfe kann ich dir geben, nur diese schaffe ich wirklich nicht. Diese Sorgen kann man echt nicht runterschlucken!“

      „Nicht alle haben kein Herz wie du. Nicht alle sind undankbar wie du. Wie vielen Menschen hat unsere Familie Zeng in der Vergangenheit geholfen? Auch kein Bettler ging mit leeren Händen von uns weg. Ich glaube nicht, daß es in der Umgebung keinen Menschen gibt, der nicht ein weiches Herz hat.“

      Einige Zeit war vergangen, als sich eine Röte im Gesicht meines Vaters zeigte, die man aber nicht als gesunde Farbe bezeichnen konnte. Sein Schnarchen wurde immer lauter und dauerte immer länger, konnte sogar von Beginn der Nacht bis zur Morgendämmerung währen. Nach Mitternacht musste er nicht mehr das Bett verlassen. Beim Gemüseputzen und Kochen wollte seine Zunge nicht nur den Geschmack probieren, auch aus dem Mund entsprangen ihm ein paar südländische Volksweisen. Er hatte die Chinesische Medizin nicht genommen. Wie konnte er sich so einfach in einen anderen Menschen verwandelt haben?

      Die gute Gesichtsfarbe meines Vaters hätte lange bestehen können, hätte ich mich vielleicht nicht zum Sperlingfang entschieden. Aber der Sperling schien mich zu necken, genau wie eine augenblinzelnde Frau. Sollst du sie nicht als die zu Jagende betrachten, wird es heißen, daß du machtlos bist. Damals war ich unfähig, richtig zu denken. Nach dem vergangenen Vorfall glaube ich jetzt, daß das ein weiblicher Sperling gewesen sein musste, denn sonst wäre das unerklärliche Verhalten nicht wie das eines liederlichen Frauenzimmers gewesen. Ich verdächtige den Vogel sogar, durch Tausendjahr entsandt worden zu sein. Er flog vom Hausdach herunter und landete innerhalb eines Meters vor mir. Die Federn schüttelnd zwitscherte er „jiji-zhazha.“ Mit sachten Schritten ging ich auf ihn zu und streckte meinen Arm aus, um ihn zu fangen, aber er sprang einige Schritte nach vorn. Ich versuchte es noch einmal und er sprang wieder nach vorn. Jedes Mal sprang er nicht sehr weit, nach wie vor in der Reichweite meines Armes, als hätte er einen Mathematiker zu Rat gezogen, um die Distanz präzis auszurechnen. Einmal berührten meine Finger bereits seine Federn. Er war nicht verängstigt und sprang wieder einen kleinen Schritt, als ob er auf mich hätte warten wollen. Ich hielt inne, atmete ein paar Mal tief ein. Dann, den Atmen anhaltend, warf ich mich auf ihn. Meine Nase berührte die Erde; das tat weh. Er flog unter meiner Hand davon, landete auf dem Dachvorsprung und zwitscherte laut. Ich hob einen Stein und warf nach ihm. Er machte einen Sprung und kroch in ein Nest unterm Dach. Der Holzsäule entlang kletterte ich nach oben. Ohne Schwierigkeiten war ich am Dachrand angekommen. Ich steckte meine Hand ins Nest. Zwei Sperlinge flogen aufgescheucht aus ihrem Nest heraus und ich wurde dadurch sehr erschreckt. Ein Dachziegel brach ab. Ich habe erzählt, daß wir zwischen den drei Familien lediglich einfache Trennwände hatten und jeder Haushalt das einzige Dach des Lagers gemeinsam überm Kopf hatte. Die Sperlinge waren weggeflogen. Ich war hoch wie im Himmel und schaute durch die Ziegelspalten ins Haus hinunter. Die Abdeckung der Moskitonetze, die Schränke und die tönerne Wassertonne der Familie Yu, alles sprang mir auf einen Blick ins Auge. Onkel Zhao rauchte Pfeife im Wohnzimmer. Ein Kreis weißen Rauches umwickelte wie zartes Gewebe seine Haare. Im Schlafzimmer der Familie Zhao lag mein Vater zu meiner Überraschung auf Bergfluss. Ach du meine Güte! Mein Körper fing an zu zittern und mir standen Haare zu Berge. Mir war, als würde das ganze Lager in sich zusammenstürzen. Der an meinem Gesicht klebende Ziegel fiel direkt vor Onkel Zhao auf den Boden und zersplitterte. Onkel Zhao hob seinen Kopf:

      „Wer ist da?“ Mein Vater wälzte sich blitzschnell vom Körper von Bergfluss weg und deckte sich mit einer Jacke zu. Mit erhobenem Haupt schaute er herauf. Sie konnten nur maximal ein kleines Stück meines Gesichts sehen, während ich sie vollständig sah.

      Onkel Zhao lief durch die Hintertür des Lagers. Mit der Hand am Sonnenzelt gestützt schaute er zu mir herauf: „Du bist es, Kleiner!“ Unmittelbar lief auch mein Vater aus dem Haus und brüllte mich an, indem er mir drohte. „Suchst du den Tod? Warte ab, wie ich dich bestrafe!“ Mein Vater sprang wie der Sperling hin und her und suchte nach etwas. Er fand endlich eine Bambuspeitsche und schwang sie geräuschvoll durch die Luft. „Komm sofort runter!“ Ich stand auf dem Dachrand und mir zitterten die Beine wie Stroh im Wind auf einer Mauer. Onkel Zhao entriss meinem Vater die Peitsche, zerbrach sie und schmiss sie zu Boden. „Ihn so zu erschrecken!“

      Ich schob mich langsam zur Säule und wollte daran herunterrutschen. Meine Hände waren wie betäubt und ich konnte mich nicht richtig festhalten. Um ein Haar wäre ich wie ein Ziegelstein abgefallen. Mit dem Kopf nach oben gerichtet meinte Onkel Zhao: „Guang-xian, keine Panik, festhalten, langsam runterrutschen. Ja, so ist es richtig, die Säule fest umklammern. Gut so, ja, beide Beine zusammendrücken. Ja, langsam, langsam runterrutschen. Keine Angst. Dein Onkel Zhao kletterte in seinen jungen Jahren öfters hier auf und ab, um die Sperlinge oben zu fangen, für deinen Großvater zum Schnapsdrink. Vor Freude darüber lud er mich zu einem Schluck ein. Ja richtig, so kommst du runter, weiter runter..!“

      Der Stimme von Onkel Zhao folgend kam ich gut runter, mit beiden Füßen sicher auf dem Boden. Kaum stand ich aufrecht, wurde mein Ohr durch meinen Vater hochgezogen. Ich schrie vor Schmerzen und stand auf allen Zehen. Mein Vater donnert mich an: „Was hast du gesehen?“

      „Ich habe dich nackt gesehen.“

      Meines Vaters Hand drehte noch fester: „ Was hast du wirklich gesehen?“

      Ich versuchte mit beiden Händen mein Ohr zu schützen und schrie vor Schmerzen noch lauter auf.

      „Schäme dich zu weinen! Sage, was hast du tatsächlich gesehen?“ „Ich... ich habe gar nichts gesehen.“

      „Merk dir, du hast gar nichts gesehen. Sonst schlage ich dir deine Schneidezähne ein!“

      Mein Vater ließ endlich los. Mein Ohr ähnelte einem Stück brennender Kohle und erwärmte meine Handfläche. Onkel Zhao brachte mich zu seiner Wohnung. Er holte ein kleines Gefäß mit Arznei, mit der er mein dick geschwollenes Ohr bestrich. Dabei erzählte er mir: „Ab heute bist du sozusagen erwachsen geworden. Als ich so alt war wie du jetzt, war ich schon dreimal wegen Hunger auf den Straßen umgekippt. Das letzte Mal war ich deswegen vor eurem Hauseingang fast hingestürzt. Dein Großvater hatte mich aufgenommen. Hätte ich nicht in Gedanken deinem Großvater einen Dank erweisen wollen, hätte ich heute deinen Vater nicht so gut behandelt. Obwohl ich, Aufrichtig Zhao, aus einer armen Familie stamme, bin ich in keinem Fall ein undankbarer Typ. Gibt mir jemand einen Löffel Reis, so gebe ich ihm eine Schüssel zurück. Was ich tue, ist gut für deine Familie, ist auch gut für die Gesundheit deines Vaters. Sollte dein Vater schwer erkranken oder nicht Haus halten können und sich in den Kehrfluss stürzen, dann müssten alle Mitglieder deiner Familie Hunger leiden. Dann könnte es sein, daß es um euch noch schlimmer steht als mir damals. Ich war ein Leben lang ohne ordentliche Kleidungen. Kannst du mein Verhalten verstehen? Wenn ja, solltest du deinen Mund zunähen und nichts von dem weitererzählen, was du heute gesehen hast.“

      Die Wattekugeln mit der Medizin von Onkel Zhao wurden kräftig an meine Ohren gedrückt. Ich schrie auf.

      Plötzlich bemerkte ich, daß mich ein Paar Augen die ganze Zeit betrachtet hatten. Das waren die Augen von Bergfluss. Sie hatte sich heute in die Schale geworfen, lehnte sich an den Türrahmen ihres Schlafzimmers, zerknackte dabei Melonenkerne und die Schalen spuckte sie in meine Richtung. Ihr Gesicht war so ruhig, als ob gar nichts geschehen wäre. Wahrscheinlich war sie es gewohnt. Die weißen Schalen bedeckten langsam den ganzen Boden. Eine flog auf den Kopf von Onkel Zhao, der sich nicht länger beherrschen