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GegenStandpunkt 3-16


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Maschinen mit deutschen Kommunikationsstandards ließe nicht nur allerorten die Notwendigkeit wachsen, zum Kunden der deutschen Technologieführer zu werden, sondern verbaute in gleichem Maß Anbietern mit konkurrierenden Kommunikationsstandards Absatzchancen; idealerweise erlaubt der technische Vorsprung auf diesem Gebiet – und etwas anderes als der Vorsprung interessiert die kapitalistische Welt an arbeitssparender Technik sowieso nie – die Monopolisierung der Schlüsselstelle, von der die weltweiten Produktionsanstrengungen abhängen. Daher kann der Fortschritt gar nicht rasch genug gehen.

      Die digitale Technik lässt sich zweitens kapitalistisch noch in ganz anderer Hinsicht revolutionär benutzen, nämlich im Bereich der Dienstleistungen: Die Shooting Stars unter den Global Players entwickeln ausgehend von den eroberten Besitzständen im Bereich der privaten Kommunikation (Facebook), der Navigation in virtueller und realer Welt (Google), als Zentrale des Handels (Amazon) usw. usf. Technologien für die Auswertung und geschäftliche Nutzbarmachung von gesammelten Datenmengen, zentralisieren damit „den Markt“ in ihren Händen und bewirtschaften ihn nach den Maßstäben, unter denen Bedürfnisse in der Marktwirtschaft eben einzig interessieren. Die Bereiche von Marktforschung und Werbung sind bei weitem nicht das einzige Feld, auf dem sie traditionelle Geschäftsmodelle technologisch revolutionieren, ökonomisieren und effektivieren und sich so, auf Kosten etablierter Unternehmen und deren überkommener Geschäftsmodelle samt Arbeitsplätzen, für den Rest der Geschäftswelt interessant bis unentbehrlich machen; ihre Kompetenzen als führende Datenstaubsauger und -verarbeiter befähigen sie und ihresgleichen zum Vordringen in stets neue Sphären, sodass kein sachverständiger Bericht über die digitalisierte Ökonomie mehr ohne das Wort „Disruption“ auskommt. Für etablierte Industriekonzerne wird einerseits die Ausstattung ihrer Produkte mit internetbasierten Applikationen für die Marktfähigkeit unentbehrlich – selbst die Produkte führender Autofirmen werden zunehmend zu „Smartphones auf Rädern“. Andererseits wird die Nutzung der technischen Möglichkeiten für eine effektive Vernetzung mit ihren Kunden und mit ihren Geschäftspartnern zunehmend unwiderstehlich, wodurch allerdings auch die Kompetenz zur Gestaltung der Nachfrageseite auf ihrem Absatzmarkt – mit ihrer Modellpolitik, ihrer Werbung usw. – auf die neuen Organisatoren der Kundenwünsche übergeht. Sogar klassische Autohersteller haben die Notwendigkeit erkannt, sich zu „Mobilitätsdienstleistern“ weiterzuentwickeln, um nicht fremde Geschäftemacher definieren zu lassen, wie viele und welche von ihren traditionellen Produkten in einer „sharing economy“ noch nachgefragt werden.

      Auch auf diesem Feld versprechen also die Vorsprünge in Sachen digitaler Vernetzung – namentlich auf dem Wege der Standardisierung von Kernbereichen wie Betriebssystemen etc. – Schlüsselelemente zu monopolisieren, um die weltweiten Wertschöpfungsketten zu dominieren. Das ist in diesem Fall, weil der diesbezügliche Fortschritt in den USA entwickelt wird, eine grauenhafte Vorstellung für die Propagandisten des digitalen Updates für den deutschen Standort – und in ihrem Gefolge für alle europäischen Moralwachteln, Datenschützer, Kulturfexe usw., die die Amerikanisierung der Kommunikations-, Einkaufs- und Datenerhebungskultur mit äußerster Skepsis, die Degeneration der hiesigen Sitten und Persönlichkeiten betreffend, sehen. So undenkbar ist es für sie, dass die weltumspannende Kooperation einem anderen Zweck dienen könnte als dem, für den sie und ihresgleichen sie politisch vorantreiben, nämlich um die damit gestifteten Abhängigkeiten unbarmherzig zum einseitigen nationalen Vorteil auszunutzen. So droht dem deutschen Standort nicht nur ein großes Geschäftsfeld der Zukunft zu entgehen, was ja schon schlimm genug ist, sondern auch, dass sein bewährtes Mittel zur Dominanz der Weltmärkte ausgehebelt wird. Denn, so die Sorge, was ist weltrekordmäßig arbeitssparende Fertigungstechnik noch wert, wenn sie zum ausführenden Organ eines fremdbestimmten Wertschöpfungsprozesses wird?! Und zu was sind Spitzenprodukte noch nutze, wenn die Welt durch ökonomischeren gemeinsamen Gebrauch ausreichend davon hat?! Die politischen Verwalter des Standorts fragen sich sogar, ob sie nicht perspektivisch ihre Handlungsfreiheit gegenüber der Macht verlieren, deren Firmen sie das Funktionieren ihres ganzen gesellschaftlichen Innenlebens verdanken. Was daraus folgen muss, ist sonnenklar: Um nicht in verhängnisvolle Abhängigkeiten verstrickt zu werden – positiv ausgedrückt: um seinerseits fremde Standorte und Souveränitäten in derart vielversprechende Abhängigkeiten verstricken zu können –, braucht es eine erfolgreiche nationale Konkurrenzoffensive zur Eroberung „digitaler Souveränität“: Alle überseeischen Standards für die „Schnittstellen“, an denen Unternehmen und individuelle Konsumenten unter- und miteinander „vernetzt“ werden, müssen politisch „offen und frei zugänglich“ für das Eindringen europäischer Konkurrenten gehalten, die Marktmacht der digitalen Vorreiterkonzerne politisch eingehegt werden, und schnellstmöglich ist mit „Wagnis-Kapital“ und einer eigenen „Start-Up-Kultur“ die Aufholjagd in Angriff zu nehmen.

      Diese Offensive schließt ein Update für die Welt der Arbeit ein.

      Wie es sich für die Einschwörung auf ein umfassendes Erneuerungsprogramm gehört, mahnen die zuständigen MinisterInnen, vor lauter Freude über die Möglichkeiten des digitalen Fortschritts die Wirkung auf die arbeitenden Menschen nicht zu vergessen – als wäre der Umgang mit diesem Kostenfaktor vergessen worden! –, und laden die sozial gesinnte Öffentlichkeit zum ergebnisoffenen, herrschaftsfreien Dialog über die rhetorische Frage ein: „Wie wollen wir arbeiten in der digitalen Welt?“ In diesem Diskurs werden die Verheißungen einer neuen Freiheit, die endlich „Zeitsouveränität“ für persönliche Lebensentwürfe wie Kinderaufzucht und Altenbetreuung und ähnliche „Potenziale für eine Humanisierung der Arbeitswelt“ verspreche – die klassische Festanstellung mit „Präsenzpflicht“ erscheint in diesem Vergleich einmal geradezu als Gängelung und Unfreiheit –, den damit einhergehenden Gefahren „ungesicherter Abhängigkeit durch digitale Selbständigkeit“, zunehmender örtlicher und zeitlicher „Entgrenzung von Arbeit und Privatleben“ usw. gegenübergestellt. Das gibt, beide „Seiten“ einmal so zusammengefügt wie sie zusammengehören, dann doch sehr deutlich Auskunft darüber, was nach bestem Wissen und Gewissen der politischen Macher „die Digitalisierung“ für die arbeitende Menschheit vorgesehen hat: Der Zugewinn an Selbstbestimmung für die Lohnabhängigen ist eben die Form einer effektivierten Ausbeutung. Das liegt nicht am Internet, sondern am kapitalistischen Zweck, der darin sein Mittel hat. Smarte Unternehmer haben ein Beschäftigungsmodell aus dem vorletzten Jahrhundert für sich wiederentdeckt, das vielen isolierten Dienstkräften die ihnen entbehrliche Zeit zum Verdienen eines Zubrots zu nutzen erlaubt, ohne dass ihnen ihr Arbeitgeber dafür eigens kostspielig Räumlichkeiten zur Verfügung stellen müsste. Die damalige Mühseligkeit, Arbeitsmaterialien von Dorf zu Dorf auszufahren und die Ergebnisse wieder einzusammeln, hat sich damit erledigt, dass das Internet die Welt zum ‚global village‘ gemacht hat, in dem jeder selbstverständlich permanent erreichbar ist, wo immer er sich befindet, und das mehr oder meist weniger komplizierte Arbeitsresultat, um das es geht, in Datenkabeln transportierbar ist. Das Smartphone erlaubt, nicht nur den eigenen Computer, sondern auch das eigene Auto oder den Wohnraum dazu zu nutzen, in den verfügbaren Poren der eigenen Lebenszeit die Dienstleistungen zu erledigen, mit denen Uber, Airbnb oder sonst ein Vermittler aus der „Plattform-Ökonomie“ sein Geschäft macht. Auch traditionelle Unternehmen haben die Möglichkeiten der digitalen Freiheit für sich entdeckt und nutzen die gesellschaftlichen Potenzen geteilter Arbeit, wo es geht, auch ohne dass die benutzte Mannschaft kollektiv am selben Ort präsent sein müsste. Mit der Erledigung von IT-Arbeiten im „Home Office“-Format sparen sich die Unternehmen nicht nur Bürogebäude, sondern erschließen sich das gesamte digitalisierte Weltproletariat als potenzielle freie „Mitarbeiter“, was ganz von selbst überkommene Lohnunter- und Leistungsobergrenzen relativiert. Als Arbeitszeitregelung begnügt man sich in der digitalen Welt zumeist mit einer eng gesetzten Deadline, mit der es in die Selbstverantwortung der Arbeitenden fällt, mit wie viel Arbeit zu welcher Tages- und Nachtzeit sie ihren Auftrag erledigen. Mancherorts geht die Freiheit der Auftragnehmer so weit, dass sie sogar den Preis für ihre Arbeit selbst festlegen dürfen, indem sie durch wechselseitiges Unterbieten ihren Tagelöhner-Arbeitsplatz auf einer Internetplattform ersteigern. Im Extremfall dürfen sich alle Bewerber in freier Konkurrenz an einem Arbeitsauftrag abarbeiten, und wer ihn zuerst zur vollständigen Zufriedenheit des Auftraggebers erledigt hat, gewinnt den Lohn dafür... So und anders halten sich