es selbst angesichts all der Schäden, die es ins Werk setzt, auf keinen Fall „notleidend“ wird, wird in nie dagewesenen Dimensionen staatliches Geld und staatliche Unterstützung mobilisiert. Die Politiker wissen eben um die „Systemrelevanz“ des Gewerbes, kennen nämlich das von ihnen administrierte System so gut, dass sie wissen, dass die Spekulation der Finanzer auf künftige Rendite die „Lebensader“ ihrer Wirtschaft ist und kein Geschäft mehr geht, wenn die ihm den „Finanzhahn“ zudrehen, dass also die den realwirtschaftlichen Unternehmern überantwortete materielle Erhaltung der Gesellschaft für gar kein anderes Anliegen stattfindet als dafür, Renditeerwartungen aufgehen zu lassen. Deswegen waren und sind die staatlichen Rettungsaktionen für das Finanzgewerbe auch ein Dienst am „gemeinen Volk“, nämlich an dessen Arbeitsplätzen, weil es die ja auch nur gibt, wenn an ihnen für die Realisierung von Gewinnansprüchen gearbeitet wird, mit denen die Finanzwelt ihr Geschäft macht.
Weil die dafür aufgenommenen Staatsschulden nur die nach allen Kriterien des finanzkapitalistischen Sachverstands haltlosen Renditeansprüche erhalten und gar nicht der Erschließung neuer oder der Verbesserung vorhandener Geldquellen dienen, rächt sich das Finanzgewerbe umgehend an seinen Rettern, zieht die Tauglichkeit von Staatspapieren als erstklassige Geldverwertungsgarantie reihenweise in Zweifel und löst eine europaweite „Staatsschuldenkrise“ aus. Die deutsche Politik weiß sofort, dass es angesichts dessen kein „Weiter so!“ geben darf; nicht fürs Finanzgewerbe, sondern für das Regieren ihrer Partner in Europa: Sie bringt ihre ganze Erpressungsmacht zum Einsatz, um ein erbarmungsloses Austeritäts-Regime über den gesamten Kontinent auf die Agenda zu setzen, und ringt ihren geschätzten europäischen Partnern ab, ihre Haushaltsführung um alle Posten zu bereinigen, die bloß unproduktivem Krempel wie der Erhaltung der Lebensgrundlagen ihrer Völker dienen; wie man jetzt sieht, haben die bislang weit über „ihre“ Verhältnisse gelebt, nämlich über die, die sich finanzkapitalistisch lohnen.
Darunter leiden viele, aber nicht der deutsche Staat. Der erhebt sich vielmehr als strahlender Sieger über das ganze Zerstörungswerk. Sein ausgeglichener Haushalt ist nicht Resultat des Zusammenstreichens elementarer Staatstätigkeiten auf ein dem ausbleibenden Wachstum entsprechendes Niveau; ihm spielt vielmehr der Erfolg seiner Wirtschaft beim Niederkonkurrieren der restlichen Welt derzeit mehr Geld ein, als er zum Regieren braucht. Diese solide ökonomische Basis sowie die politische Durchsetzung seiner europapolitischen Tagesordnung, sämtliche unrentablen Gegenden und Insassen in der Peripherie des Kontinents abzuschreiben, um die finanzkapitalistische Spekulation zu sanieren, erreichen ihr Ziel, die Finanzmärkte zu beeindrucken. So sehr, dass seine Schulden ein AAA im Ranking der weltbesten Geldanlagen genießen und angesichts weltweiter Wachstumseinbrüche derart heiß begehrt sind, dass er – während deutsche Politiker wohlfeil die EZB beschimpfen, mit ihrer Überflutung der Märkte mit billigem Geld für Niedrigzinszeiten zu sorgen, in denen sich das Sparen nicht mehr lohnt – statt Zinsen zu zahlen sogar noch Geld dafür kassiert, dass ihm fremdes Geld geliehen wird.
Und die deutsche Politik verspricht auch gleich, ihr erfolgreiches Zerstörungswerk in neuen Dimensionen fortzusetzen. Von der digitalen Revolution im Maschinenbau zwecks Entwertung undeutscher Produktionsmittel für mehr deutsches Geschäft weltweit war bereits die Rede; aber darin erschöpft sich die Bemühung nimmermüder deutscher Politiker um die Monopolisierung zukünftiger Geschäftssphären keineswegs. Die verstehen sich darauf, die von Katastrophen und Krisen heimgesuchte Welt als eine Ansammlung von Geschäftschancen zu sehen, aus denen es – nur zu ihrem Besten – etwas zu machen gilt:
– Die deutsche „Klimakanzlerin“ weist jahrelang nachdrücklich auf den bevorstehenden Weltuntergang durch Erderwärmung mit schmelzenden Polkappen, steigenden Meeresspiegeln, Versteppungen etc. pp. hin, wenn sich die Welt nicht umgehend zum Abnehmer deutscher Stromerzeugungstechnik macht. Mit der Kernschmelze in einem Atomkraftwerk am anderen Ende der Welt sieht sie auch die Zukunftschancen eines langjährigen deutschen Technologieexportschlagers dahinschmelzen und nimmt – die damalige Perspektive eines weltweit vielversprechend steigenden Ölpreises wirkt bei dieser Entscheidung als Katalysator – die dortige Explosion als Startschuss für eine Umstellung der Energiepolitik im eigenen Land. Den traditionellen Giganten in der Energiewirtschaft werden Geschäftseinbrüche und ein festgelegter Abnahmepreis für Solar- und Windstrom von dezentralen Kleinstzulieferern aufgebürdet; die Finanzierung des Letzteren wird „haushaltsneutral“ und unter Vermeidung von Nachteilen für die energieintensive Wirtschaft zum großen Teil den nichtkommerziellen Endverbrauchern übertragen, damit die auch was für den Umweltschutz tun, der ja bekanntlich zur Ökonomie nicht im Widerspruch steht. So kann der Kredit ein ordentliches Geschäft mit dem Klimaschutz und die Entwicklung vielversprechender alternativer Exportschlager in Gang bringen, die perspektivisch der herkömmlichen Energiewirtschaft der Welt ihren Markt zerstören und ihn gewinnbringend für sich übernehmen sollen.
– Im langjährigen Klimasünderland USA wird eine technologische Meisterleistung aus Deutschland entdeckt, die es ermöglicht, Autos zu verkaufen, die das Klima stärker verpesten, als die dortige Polizei erlaubt. Das gilt als ein Rückschlag, nicht fürs Klima, sondern für den guten Ruf des Technologiestandorts Deutschland – diese Katastrophe kann nicht unbeantwortet bleiben. In der Branche, an der hierzulande „jeder siebte Arbeitsplatz hängt“, wird der verlustreiche Abschied von der „Sackgassen-Technologie“ eingeleitet, in die das Kapital deutscher Technologieführer investiert ist. So entnimmt die Politik dem Skandal den Auftrag, auch im Umweltschutz-Vorreiterland mal darauf zu achten, ob die Herstellerangaben zu den Emissionswerten etwas mit der Wahrheit zu tun haben, um mit dem negativen Ergebnis den Tricksereiverdacht auf alle VW-Konkurrenten und die ganze klassische Antriebstechnik auszuweiten und den gesamten Skandal in das Programm zu übersetzen, nun auf dem Felde der Elektromobilität die Technologieführerschaft zu erringen und auf diesem Zukunftsmarkt perspektivisch deutsche Besitzstände zu erobern.
– Für all die kostspieligen Weltrevolutionen, Disruptionen und nationalen Aufbrüche setzt das Land eine Finanzmacht ein, wie sie höchstens eine Handvoll anderer Staaten weltweit haben und in Anschlag bringen können. Die „Finanzmärkte“, die andere Länder vor den Staatsbankrott stellen, bewähren sich als Motor für die deutschen Offensiven an den Weltmärkten.
– Diese Art problemlösungsorientiertes Denken beherrscht nicht nur den wirtschaftspolitischen Sachverstand, sondern den ganzen Geist der Republik; der kann die Gleichung von deutschem Geschäft und Menschheitsbeglückung sogar umgekehrt buchstabieren. Wenn anlässlich eines nicht enden wollenden Krieges im Morgenland Millionen versuchen, Richtung Europa zu fliehen, werden sie nicht nur von Mutti Merkel als Gelegenheit für europapolitische Vorstöße genutzt, die Kompetenzen über die Außen- und Innengrenzen Europas im Sinne der deutschen Führungsmacht neu zu regeln. Die ungefragt Dahergelaufenen werden – wenn sie schon mal da sind – mit einem freundlichen Gesicht „integriert“, nämlich als Sonderangebot in den deutschen Kapitalismus, wo sie sich erkenntlich zeigen können für die Barmherzigkeit, dass Deutschland an ihnen seine weltpolitische Verantwortung demonstriert.
„Wir schaffen das!“: Sowohl vom weltoffenen deutschen Wesen wie von seiner Technologieführerschaft, Geldmacht und Staatsgewalt wird die davon heimgesuchte Welt wohl noch einiges an Genesung zu erwarten haben.
II. Lebensstandard und sozialstaatliche Fürsorge
im reichsten Land Europas
Das freie Privatleben und seine Herausforderungen
Dem Urteil, dass sein Lebensinhalt die Dienstbarkeit an fremdem Nutzen ist, will sich so einfach keiner von denen anbequemen, die sich dafür einspannen lassen. Schließlich eröffnet sich ihnen nach Arbeitsende und mit dem verdienten Lohn das geschätzte Reich der Freiheit, mit der jeder anfangen kann, was er für wichtig hält; und so machen sich Millionen daran, den Traum vom Lohn der Mühen wahrzumachen. Die Eigenart ihrer Mühen, sich für sie nicht zu lohnen, nehmen sie nur in der Form zur Kenntnis, dass viele Herausforderungen zu bewältigen sind, um sie für sich lohnend zu machen.
Die erste Herausforderung besteht darin, dass man sich das verdiente Geld einteilen muss; woran mehr festzuhalten wäre, als dass sich da einer selbstständig überlegen darf, wofür er sein Geld ausgeben will und wofür nicht, nämlich: was, wobei und zwischen welchen