Ursula Schmid-Spreer

Geständnis mit Folgen


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Freistunde hatten.«

      »Meier war also ein umgänglicher Kollege, mit dem man auch mal was unternehmen konnte. Haben Sie sich auch privat getroffen?«

      »Das nicht. Unser Kontakt blieb auf die Schule beschränkt. Ich mochte ihn. Leider hat er sich in den letzten Jahren sehr verändert. Ist zynisch geworden, oft auch wütend. Aber er hatte sich immer gut unter Kontrolle.«

      »Wie äußerte sich das?«, hakte Klaus nach.

      »Nun, blöde Sprüche, die teilweise verletzend waren. Nicht nur gegenüber Schülern, auch im Lehrerkollegium nahm er kein Blatt vor den Mund. Ich bin mir nicht sicher, ob er immer mit fairen Mitteln gearbeitet hat.«

      »Sie meinen, weil Sie sich beide auf den Posten des Direktors beworben haben?«

      Petermann schwieg angespannt. Die Ader an seiner linken Schläfe pochte leicht.

      »Sorry!« Der Junge, der wieder ins Klassenzimmer eilte, sagte atemlos: »Ich habe was vergessen.« Zielstrebig ging er auf die hintere Bankreihe zu, holte seine Jacke, die über dem Stuhl hing. Und schon war er wieder weg.

      »Wer war das?«, fragte Belu.

      »Nico Wolfermann. Ein Mathegenie, wie man allgemein hört. Er war in Meiers Mathe-Arbeitsgemeinschaft. Seit einem halben Jahr ist er bei uns an der Schule«, war die Antwort.

      »Ach ja, er bekam vorhin den Radiergummi an den Kopf.«

      Petermann nickte. Dann schloss er das Fenster und nahm das Klassenbuch an sich.

      »Die Schüler haben den Kollegen Meier ganz gut dargestellt. So war er. Ich glaube, eine bessere Beschreibung über seinen Charakter bekommen Sie nicht.«

      Petermann nickte den beiden Kommissaren zu und entfernte sich grußlos. Belu und Klaus gingen schweigend zum Parkplatz vor dem Schulgebäude.

      »Schon komisch, dass die Schüler sich mehr über die Person Meier ausgelassen haben. Der Mord und unsere Ermittlungen interessierte sie weniger. Keiner hat gefragt, wer es war. Ist dir das auch aufgefallen, Klaus?«

      4

      Zielstrebig ging Belu nach Verlassen des Schulhauses auf einen BMW zu, der auf dem Lehrerparkplatz abgestellt war. Bewundernd blieb sie stehen. »Geile Karre!« Sie drückte auf ihren Schlüssel und die ersten Takte der Titelmelodie von Agatha-Christie-Filmen ertönte. Man hörte die Filmmusik, in der die Romanfigur Miss Marple ermittelte.

      Zufrieden summte Belu mit. Dann drehte sie sich um.

      »Schwing dich rein, Kollege, falte dich zusammen.«

      Freudig öffnete sie die Türe ihres knallroten Smarts, der neben dem BMW geparkt war, und setzte sich hinters Steuer. Klaus wurde in den Sitz gepresst, als seine Chefin aufs Gas drückte und mit Quietschen auf die Hauptstraße einbog.

      »Ich habe keine Lebensversicherung«, schrie Klaus, »bitte fahr sachter.«

      »Du weißt doch, wie ich Auto fahre, du Schattenparker«, konterte Belu, »vor allen Dingen, wenn ich mit meinem Privat-Pkw unterwegs bin.«

      »Du weißt, dass das nicht …«

      »Papperlapapp. Möchtest du mit der gesamten Polizeimontur eine Todesnachricht überbringen? Du bist doch ein Kerl. Seit wann haben Männer Angst beim Autofahren?«

      »Wenn jemand so einen Bleifuß hat wie du, werte Chefin, dann bekommt selbst der hartgesottenste Rennfahrer ein flaues Gefühl in der Magengegend. Wo fährst du denn jetzt wieder hin? Links, liiiiinks geht’s nach Ziegelstein, also wirklich: Als der liebe Gott den Orientierungssinn vergab, hast du dich verlaufen.«

      Belu schnaubte, bremste scharf, zog das Lenkrad des Smarts nach links. Ein Hupkonzert war die Folge.

      »Augen auf im Straßenverkehr«, brüllte Belu. Klaus setzte sich auf seine Hände, um nur ja nicht in Versuchung zu geraten, in das Lenkrad zu greifen. Es ging eine ganze Weile nur geradeaus. Nach etwa zehn Minuten Fahrt schrie Belu so laut, dass Klaus zusammenzuckte: »Ha! Da ist es. Numero 17.«

      Frech stellte sie sich mit ihrem roten Smart mitten in eine Einfahrt.

      »Auf geht’s, Herr Kollege, setz dein Ich-muss-Ihnen-eine-schlechte-Nachricht-überbringen-Gesicht auf.

      »Immer ich«, maulte Klaus.

      »Damit du es lernst. Komm, dann haben wir es hinter uns.«

      »Sagtest du schon!«

      »Dass du aber auch immer das letzte Wort haben musst, Kollege Klausi.«

      Ein Brummen war die Antwort.

      Sie würde sich wohl nie daran gewöhnen, unangenehme Botschaften zu überbringen. Belu setzte eine ernste Miene auf, während sie die Türglocke betätigte. Lange Zeit tat sich nichts, alles blieb ruhig.

      »Die schläft bestimmt noch«, rief eine Stimme vom Nachbargrundstück. »Vor zehn, besser noch vor elf Uhr steht die doch nicht auf.«

      Belu ging interessiert ein paar Schritte Richtung Nachbarzaun.

      »Darf ich fragen, wer Sie sind?«

      »Wenn Sie mir sagen, wer Sie sind«, konterte die weibliche Stimme.

      »Kriminalpolizei.«

      »Ach so, hätte ja sein können, dass Sie von den Joshuas sind oder einer anderen Sekte. Es ist was passiert, gell? Haben sich die zwei jetzt endlich die Köpfe eingeschlagen?«, fragte die Nachbarin neugierig.

      »Wie kommen Sie darauf?« Belu sah die Frau über den Rand ihrer Lesebrille an.

      »Wenn die Meiers aneinandergeraten, ist das schöner als der spannendste Krimi. Das ist so laut, das hört man die ganze Straße entlang. Und am nächsten Tag läuft sie mit einer Brille rum. Ich sag’s Ihnen, da geht die Post ab. Erst gestern wieder haben sie sich gestritten. Und dann lassen sie auch noch das Fenster offen, so dass jeder, ob er will oder nicht, mithört. Es hat sogar mal kräftig gescheppert. Geradeso, als wenn was zu Bruch gegangen ist. Hilfe will Frau Meier übrigens nicht, ich habe es ihr schon oft genug angeboten.«

      »Wir kommen nachher auf Sie zurück, Frau …?«

      »Keeser, Maria Keeser, ich wohne gleich nebenan. Bin sozusagen mitten im Geschehen. Aber sagen Sie, ist etwas passiert?«

      Belu nickte. Im selben Moment öffnete sich die Tür und eine Frau mit zerzaustem Haarschopf, gekleidet in einen angegrauten Frotteebademantel, streckte den Kopf heraus. Der Pony hing ihr ungepflegt in die Augen.

      »Sind Sie schon wieder am Klatschen, Frau Keeser? Kehren Sie doch Ihren eigenen Dreck weg.«

      »Also hören Sie, Sie …«, rief Frau Keeser entrüstet.

      »Sie sind Frau Eva Meier?«

      Als diese nickte, stellten sich Belu und Hofmockel vor. Beide Kommissare zückten ihre Dienstausweise. Gehen wir doch lieber rein?« Sie ließ den Satz wie eine Frage klingen.

      »Wenn es sein muss, dann kommen Sie halt rein. Ich bin noch nicht zum Aufräumen gekommen, habe mich heute Morgen nicht wohl gefühlt, deshalb bin ich liegen geblieben.«

      Eva Meier ging vor ins Wohnzimmer. »Nehmen Sie Platz.« Schnell nahm sie einige Bierflaschen und eine halb leere Kognakflasche vom Tisch, trug sie in die angrenzende Küche. Sie kam mit einer kleinen Schaufel und einem Besen wieder. Eilig kehrte sie Scherben weg.

      »Die Flasche ist mir runtergefallen«, murmelte sie. Der Rest ihrer Worte ging in Geflüster unter. Geschäftig eilte sie eine Weile zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her. Belu und Klaus verfolgten stumm das Geschehen.

      Es sah nicht besonders sauber in dem Raum aus. Ein übervoller Aschenbecher stand auf dem Tisch, auf dem man klebrige Ränder erkennen konnte. Brösel lagen auf dem Teppich. In einer Ecke hingen Spinnweben. Auch die Vorhänge hätten dringend einer Wäsche bedurft. Am Fensterbrett standen zwei Blumentöpfe. Das Grünzeug sah schlapp aus. Es juckte