Von besonderem Interesse sind Ortsnamen, die in irgendeiner Weise den Begriff Wein beinhalten. Dies gilt in zweierlei Weise. Ein Ortsname wird nicht zufällig gewählt, sondern enthält häufig charakteristische Informationen über den Ort. Findet sich demnach ein mit Wein verbundener Begriff in einem Ortsnamen, so ist von einem Weinanbau vor Ort auszugehen. Antike Ortsnamen lassen sich häufig genau mit antiken Stätten identifizieren, und daher haben wir auch eine sehr genaue Information, wo entsprechender Weinanbau belegt ist. Die Tabelle auf S. 44 bietet eine Zusammenstellung der Ortsnamen in biblischen und außerbiblischen Texten im Bereich der südlichen Levante, die mit einem Begriff gebildet sind, der irgendwie mit dem Weinanbau verbunden ist. Außerdem sind außerbiblische Belege hinzugefügt, wenn sie einen konkreten Bezug auf Weinanbau in bestimmten Gebieten belegen. Die Ortslagen sind, soweit sie lokalisiert werden können, in Abb. 1 eingetragen.
Ein kurzer Überblick über die Lage der Orte bestätigt weitgehend, was schon anhand der biblischen Erzählungen beobachtet wurde. Das Gebiet Judas mit den Ortschaften bzw. Landschaftsbezeichnungen Anab, Bet-Kerem, Eschkol, Gittajim, Karmel und Sorek-Tal findet sich hier ebenso wieder wie das samarische Bergland mit Gat-Paran und dem Kerem-Tal. Mit Abel-Keramim ist auch das moabitische Territorium vertreten. Hinzu kommt nun das Karmel-Gebiet im Nordwesten des heutigen Staates Israel mit Gat-Padalla, Gat-Karmel und der Bezeichnung des Bergzuges Karmel selbst. Dieses Gebiet war auch im 20. Jh. n. Chr. wieder ein wichtiges Weinanbaugebiet. 1882 belebte Baron Edmond de Rothschild die Weinbaukultur in Palästina neu und pflanzte dort wieder Reben an.
Zusätzlich werden nun, allerdings nur mit jeweils einem Ortsnamen, Untergaliläa (Gat-Hefer), Gat-Rimmon im Norden von Tel Aviv und Masreka in Edom (südliches Ostjordanland) genannt. Letztendlich zeigen die Ortsnamen aber gerade in der Kombination mit den Erzähltexten an, wo Wein vornehmlich angebaut wurde: Im Bergland Judas, Samarias und auf dem Karmel. Die Keltern, hebr. gat, lagen nach den Ortsnamen eher am unteren Abhang der Berge. Gat (Tell es-Safi) liegt bereits in der Schefela, wenig westlich von den Abhängen des judäischen Berglandes. Gat-Padalla und Gat-Karmel liegen jeweils südlich bzw. nördlich des Karmelgebirges, nur eine kurze Strecke von dem Bergzug entfernt. Die Verarbeitungszentren lagen offenbar eher in den Ebenen abseits der Abhänge, während das Bergland für den Weinanbau genutzt wurde.
Ortsname | Belegstellen | Moderner Name |
Abel Keramim | Richter 11,33 | Tell el-Umeri in Jordanien, südlich von Amman gelegen |
Anab | Josua 11,21; 15,50 | Khirbet Anab es-Sagira in Juda |
Bet-Kerem | Jeremia 6,1; Nehemia 3,14 | Khirbet Salih/Ramat Rahel unmittelbar südlich von Jerusalem |
Eschkol | Numeri 13,23.34;Deuteronomium 1,24 | Tal bei Hebron, nicht genau lokalisiert |
Gat | Josua 11,22 u.ö. | Tell es-Safi in der judäischen Schefela |
Gat, Gat-Padalla | Amarnabrief 250 | Tell Dschett südlich des Karmelgebirges |
Gat-Hefer | Josua 19,13; 2 Könige 14,25 | Khirbet ez-Zerra in Untergaliläa |
Gat-Karmel | Amarnabriefe 288 - 290;Inschrift auf einem Krug aus Schiqmona (4. Jh. v. Chr.) | Tell Abu Hawam im Bereich der heutigen Stadt Haifa an der Mittelmeerküste nördlich des Karmel |
Gat-Paran | Samaria-Ostraka (öfters) | Nicht lokalisiert, in der Umgebung von Samaria |
Gat-Rimmon | Amarnabrief 250; Josua 19,45; 21,24;1 Chronik 6,54 | Tell el-Dscherische nahe der Mittelmeerküste, am Nordrand der heutigen Stadt Tel Aviv |
Gittajim | 2 Samuel 4,3; Nehemia 11,33;1 Chronik 7,21 | Nicht lokalisiert, muss aber im Gebiet nördlich von Jerusalem liegen |
Kachal | Kruginschrift aus Khirbet el-Kom (8. Jh. v. Chr.) | Vermutlich Bet Kahil bei Hebron |
Karmel | Josua 15,55; 1 Samuel 15,12; 25,2. 57. 40; 30,29 | Khirbet el-Kirmil in Zentraljuda |
Karmel | Josua 19,26 u. a. | Karmel-Gebirge im Nordwesten des Landes |
Kerem-Tel | Samaria-Ostraka | Nicht lokalisiert, in der Umgebung von Samaria |
Masreka | Genesis 36,36; 1 Chronik 1,47 | Nicht lokalisiert, wahrscheinlich unmittelbar südlich des Wadi el-Hesa in Edom gelegen |
Sorek-Tal | Richter 16,4 | Tal von Jerusalem aus nach Westen |
Wein in den Samaria-Ostraka
Bei den Grabungen im Palast der Hauptstadt Samaria wurden 1910 insgesamt 102 Ostraka (beschriftete Tonscherben) gefunden, die – soweit vollständig lesbar – alle einem bestimmten Typ entsprechen. Sie nennen – mit kleineren Varianten – zunächst eine Jahreszahl, wohl das Regierungsjahr eines Königs, dann einen Herkunftsort (alternativ den Namen eines Clans), einen Personennamen als Adressat und schließlich die Angabe einer Lieferung (Wein oder Öl), teilweise um eine Zahlenangabe ergänzt. Da die Ostraka im Bereich des Palastes gefunden wurden und die Herkunftsorte allesamt in einem Umkreis von ca. 20 km um Samaria herum liegen, kann man annehmen, dass es sich um Abgaben der Region an das Königshaus handelt. Die Jahresangaben beziehen sich allesamt auf das 9./10. sowie das 15. Regierungsjahr. Daher dürfte es sich nicht um regelmäßige Steuern, sondern um Sonderabgaben an den Palast gehandelt haben. Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich um die Regierungszeit des Königs Jerobeam II. (787 – 747 v. Chr.) und damit um die Jahre 779/78 und 773 v. Chr. Diese Zufallsfunde aus Samaria unterstützen die bereits festgehaltene These, dass das Gebiet um Samaria herum intensiv für Wein- und Olivenanbau genutzt wurde.
Weinanbau in der Umgebung von Jerusalem
Das Stadtgebiet des heutigen Jerusalems, das mit einer Fläche von rund 125 km2 natürlich wesentlich größer ist als das antike Jerusalem im 1. Jt. v. Chr. (max. 1 km2), bietet noch zusätzliche Erkenntnisse. Hier wurden durch intensive Oberflächenbegehungen und durch die Baumaßnahmen der letzten Jahrzehnte nicht nur antike Ortschaften, sondern auch eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Einrichtungen in besonderer Dichte erfasst. Manche von ihnen lassen sich definitiv in die alttestamentliche Königszeit (1. Hälfte 1. Jt. v. Chr.) datieren. Nur sie sollen hier weiter betrachtet werden, auch wenn andere typologisch ähnliche Anlagen vielleicht ebenfalls in diese Zeit datiert werden könnten (Abb. 3).
Abb. 3: Weinpressen in der unmittelbaren Umgebung von Jerusalem.
Deutlich zu erkennen ist, dass Jerusalem selbst, aber auch die südwestlich davon gelegene Refaim-Ebene, die Kornkammer der Stadt, frei von Weinkeltern sind. Die Refaim-Ebene bildet einen Teil des Sorek-Tals, das sich bis hinab in die Schefela erstreckt. Wein wurde, wie die Karte deutlich zeigt, in den bergigen Gebieten vor allem südwestlich der Refaim-Ebene, aber auch nördlich der Stadt angebaut. Auch für die Bauern der südlichen Levante traf offenbar ein alter pfälzischer Winzerspruch zu: »Wo ein Pflug kann gehen, soll kein Weinstock stehen«. Getreide war wertvoll für die Versorgung der Menschen. Jedes halbwegs flache, mit guten Böden angefüllte Tal wurde für den Getreideanbau genutzt, und das traf für die Umgebung Jerusalems – insbesondere für die Refaim-Ebene – zu. Die Abhänge in den hügeligen und gebirgigen Zonen konnten dagegen mit großem Arbeitsaufwand terrassiert werden, sodass auch hier für Weinanbau nutzbare Flächen entstanden. Als das Nordreich Israel 733/722 v. Chr. von den Assyrern erobert wurde, flohen viele Menschen in das Südreich Juda. Der enorme Bevölkerungsanstieg in wenigen Jahren – man geht von etwa der dreifachen Anzahl aus – führte zu billigen Arbeitskräften, die den Bau der Terrassen möglich machten. Solche Terrassen waren in der Regel 10 – 15 m breit und bis zu 50 m lang (Abb. 4). Für den Getreideanbau eigneten sie sich nicht. Der Aufwand, ein Rind zum Ziehen des Pfluges von einer Terrasse zur anderen zu bewegen, hätte sich nicht gerechnet. Aber hier ließen sich ideal Weinberge (besser: Weingärten) anlegen. Durch die Haltemauern entstanden waagerechte Felder, die in den Wintermonaten das Wasser ideal speichern konnten bzw. das Regenwasser sogar stauten. So wurden die Böden bis in