ermöglichten, in den regenlosen Sommermonaten die Pflanzen mit Wasser zu versorgen. Ein zu schnelles Austrocknen der Böden wurde zudem durch die Weinblätter, die unmittelbar auf dem Boden auflagen (Abb. 5) und nicht wie bei uns an Spalieren hochgezogen wurden, verhindert: Durch sie entstand eine höhere Bodenbeschattung, die ein vorschnelles Austrocknen der Böden verhinderte.
Abb. 4: Terrassen in der Umgebung von Jerusalem.
Abb. 5: Typischer Weinstock im Vorderen Orient.
Ein biblischer Text, der wohl die Verhältnisse in der Umgebung Jerusalems vor Augen hat, beschreibt die Anlage eines solchen Weingartens sehr schön (Jesaja 5,1 – 2):
1 Ich will für meinen Freund das Lied seiner Liebe zu seinem Weingarten singen.
Einen Weingarten hatte mein Freund auf einer fruchtbaren Höhe.
2 Er grub ihn um, entsteinte ihn und pflanzte ihn mit edlen Reben an.
Er baute darin einen Turm, hob eine Kelter aus und hoffte, dass er Trauben brächte.
Das Entsteinen des – vorher offenbar landwirtschaftlich nicht genutzten – Geländes diente dazu, den Boden besser bearbeiten zu können. Die Steine wurden für Terrassen- und Umgebungsmauern, aber auch für die in Vers 2 erwähnten Türme (Abb. 6) verwendet. Die Türme hatten eine multifunktionale Aufgabe. In den Sommermonaten wohnte in dieser Wingertschutzanlage jeweils ein Familienmitglied, häufig wohl die Tochter des Hauses. Sie sollte aufpassen, dass keine wilden Tiere in den Weingarten eindrangen und die Reben abfraßen. Zudem diente die mit Palmzweigen überdachte Terrasse auf den Türmen als Ruheplatz für die Arbeiter in den heißen Mittagsstunden. Im Turm selbst war es außerdem kühler als in der Umgebung. Daher eignete sich das Turminnere sehr gut zum Aufbewahren von frisch geernteten Reben, die sonst schneller unter der Hitze gelitten hätten, aber v.a. der Weinkrüge. Durch die kühlere Temperatur hielt sich der Wein länger. Rotwein, der damals wohl ausschließlich in dieser Region angebaut wurde, verträgt zwar mehr Oxidation als Weißwein, seine Qualität wird aber durch eine kühlere Lagerung besser bewahrt. Eine Alternative, die bislang aber nicht archäologisch nachgewiesen ist, wäre das Vergraben mannshoher Krüge (Pithoi) mit Wein auf dem Feld gewesen; auch dadurch wäre die Lagerung kühler und damit die Haltbarkeit besser gewesen.
Abb. 6: Turm in einem Weingarten bei Betlehem.
Bemerkenswert ist, dass hier im judäischen Bergland die Keltern nicht am Abhang der Berge, sondern im Bereich der Weingärten standen. Diese Keltern stellten einen Privatbesitz dar, d. h. jede Familie stellte ihren eigenen Wein her.
Weinanbau im 16. Jh. – ein Beleg für longue durée?
Im 16. Jh. n. Chr. wurde eine osmanische Steuerliste erstellt, in der für alle Orte des Landes die Abgaben erfasst wurden. Abb. 7 zeigt diejenigen Regionen, in denen damals mehr als 15 % der Steuerzahlungen durch Weinanbau erbracht wurden. Diese Steuerliste bietet die Möglichkeit, einen Vergleich der Weinanbaugebiete über einen Zeitraum von mehr als 2.000 Jahren anzustellen. Entsprechend der These der longue durée der französischen Annales-Schule müssten die Ergebnisse sich einigermaßen entsprechen. Allerdings kann von vornherein eingewandt werden, dass sich die religiösen Verhältnisse seit der Königszeit in Israel und Juda erheblich geändert haben. Während Weingenuss im Alten Israel gang und gäbe war, ist er im Islam untersagt. Wein wurde daher (fast) nur noch für Tafeltrauben und für Rosinen angebaut. Mit einer Verringerung der Einkommensmöglichkeiten durch Weinanbau wegen des verminderten Bedarfs an Trauben gingen zwangsläufig auch die Produktionsflächen für Weinanbau zurück. Immerhin dürften die im 16. Jh. n. Chr. genutzten Areale besonders ideal für den Weinanbau gewesen sein, weil man gerade sie weiterhin nutzte. Zudem muss auch berücksichtigt werden, dass es mehrfach starke Entvölkerungen auf palästinischem Boden gab, was zu einer Aufgabe von Anbauflächen und in späteren Zeiten zu einer völlig neuen Kultivierung geführt hat. Dadurch gibt es keine durchgehende wirtschaftliche Erwerbsstruktur. Vielmehr muss man mit vielen Abbrüchen und Neugestaltungen rechnen.
Abb. 7: Gebiete des 16. Jhs. n. Chr., bei denen mehr als 15 % des Ortseinkommens mit Weinanbau erwirtschaftet wurde.
Trotzdem blieb das Weinanbaugebiet in Juda im Vergleich zur biblischen Zeit in etwa konstant. Hier scheinen ideale Möglichkeiten vorhanden zu sein, die über die Jahrhunderte hinweg weiter intensiv genutzt wurden. Vermutlich – aber nicht sicher nachweisbar – wurden die Terrassen immer wieder repariert und gepflegt. Angesichts der Präsenz von Juden und Christen in Jerusalem und Hebron bestand hier auch weiterhin ein Markt für Wein und nicht nur für Tafeltrauben. Der Weinanbau auf dem Karmel wurde dagegen völlig aufgegeben, vielleicht weil das Gebiet inzwischen verwildert war und die Höhen hätten gerodet werden müssen. In Galiläa verlagerte sich der Weinanbau von Untergaliläa auf die südlichen Abhänge Obergaliläas. Im samarischen Bergland spielte der Weinanbau im 16. Jh. n. Chr. dagegen keine wirtschaftlich bedeutsame Rolle mehr. Offenbar fand eine gewisse Konsolidierung statt: Wo noch Bedarf an Wein bestand, wurde dieser auch weiterhin produziert, während die Weintraubenherstellung in anderen Gebieten nachließ.
Im Ostjordanland gibt es gleichfalls Verschiebungen. Neu sind Flächen im südlichen Adschlun. Im Süden des ehemals moabitischen Gebietes spielte im 16. Jh. der Weinanbau eine wirtschaftlich bedeutsame Rolle, während etwas weiter südlich die Weinproduktion im ehemals edomitischen Gebiet aufgegeben wurde.
Die biblischen Weinanbaugebiete – eine Zusammenschau
Die Befunde der Überlieferungen, der Samaria-Ostraka und der Ortsnamen ergänzen sich ideal und stützen sich gegenseitig. Wichtig ist dabei, dass es sich um völlig unabhängige Quellen handelt, sodass keine Zirkelschlüsse möglich sind. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Weinanbaugebiete in biblischer Zeit bestens kartieren (vgl. Abb. 1).
Die biblischen Erzählungen berichten von intensivem Weinanbau auf dem Territorium des Nordreichs im Bereich von Samaria, Silo und Sichem. Die Samaria-Ostraka bestätigen, dass in einem Umkreis von etwa 20 km um Samaria herum intensiv Wein produziert wurde. Dies gilt auch für die Ortschaften Gat-Paran und Kerem-Tel, die in diesem Umfeld gesucht werden müssen. Ergänzt wird unser Wissen über Weinanbaugebiete im Norden durch den Namen Karmel, der den Weinberg (hebr. käräm) sprachlich enthält. Am Rande des Karmel sind mit Gat-Karmel und Gat-Padalla Ortschaften genannt, in denen der Wein gekeltert wurde. Vermutlich dürften die Weinbaugebiete um Samaria unmittelbar in diejenigen am Karmel übergegangen sein. Daneben wurde, wie der Name Gat-Hefer zeigt, auch in kleinen Bereichen Untergaliläas Wein angebaut. Allerdings dürfte man die sanften Hügel Untergaliläas stärker für Getreideanbau genutzt haben.
In Juda gab es intensiven Weinanbau um Hebron herum sowie an den Abhängen nach Timna und Lachisch hin. Aber auch im Bereich des Westufers des Toten Meers, v.a. bei En Gedi und wahrscheinlich noch nördlich davon in der Buqea, wurde Wein angebaut, was nur mit künstlicher Bewässerung möglich war. Intensiven Weinanbau um Hebron herum bestätigen die beiden Ortslagen Anab und Karmel hinlänglich, aber auch das Eschkol-Tal, das irgendwo in der Nähe von Hebron gesucht werden muss. Ebenso wurde nördlich von Hebron bis in den Bereich nördlich von Jerusalem Wein angebaut. Dies zeigen die Ortsnamen Bet-Kerem, unmittelbar südlich von Jerusalem gelegen, und Gittajim, das irgendwo nördlich