Reinhold Ruthe

Hochsensibilität und Depression


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zu tun. Es ist vielmehr Ausdruck des Umstandes, dass es in diesem langen Zeitraum unseren Vorfahren von Generation zu Generation gelungen ist, dieses genetische Potenzial so zu nutzen, dass schließlich das aus uns werden konnte, was wir heute sind.“3

      Immer geht es darum:

      – Unser Gehirn spiegelt wider, was in uns gefördert und geweckt wurde,

      – Begeisterung kann neue Ideen wecken,

      – wir können negative und eingefahrene Geleise verlassen,

      – in jedem Alter sind neue Verschaltungen im Gehirn möglich,

      – brachliegende Potenziale können neu entfaltet werden,

      – weil wir lebendig sind, sind wir entwicklungsfähig, lernfähig und anpassungsfähig,

      – weil wir alles lernen müssen und können, sind ständig neue Verschaltungen im Gehirn möglich.

      Für alle Menschen – und für uns Christen – sind diese Erkenntnisse hilfreich und nützlich. Wir können neue Wege, neue Verhaltensmuster, neue Lebenseinstellungen und Praktiken ausprobieren und einüben, um mit Hochsensitivität und Depression besser umgehen zu können.

       Kapitel 2

       Was verstehen wir unter einer depressiven Gemütsverfassung?

      Wissenschaft und Forschung sprechen von affektiven Störungen, unter denen folgende Bereiche zusammengefasst sind:

       Die Major Depression

      Sie beinhaltet

      – eine etwa zweiwöchige depressive Stimmung,

      – den Verlust des Interesses oder der Freude an fast allen Aktivitäten,

      – eine reizbare und traurige Grundstimmung,

      – das Erfülltsein von mindestens vier der folgenden Symptome:

      

Veränderung in Appetit und Gewicht,

      

Veränderungen im Schlaf, Energiemangel und Müdigkeit,

      

Gefühle von Wertlosigkeit oder Schuld, Schuldgefühle und Selbstvorwürfe,

      

Schwierigkeiten beim Denken, bei der Konzentration und der Entscheidungsfindung,

      

Gedanken an den Tod, Selbstmordabsichten, Selbstmordpläne und Selbstmordversuche.

      Bei der Major Depression sind vier der genannten Störungen mehr oder weniger stark vorhanden.

       Dysthyme Störung

      Der Begriff ist aus der griechischen Sprache abgeleitet (gr. dys= übel, schlecht, miss …). Es geht hier um eine depressive Verstimmung, die mindestens zwei Jahre anhält. Damit verbunden sind: schlechte Laune, Missstimmung und Verstimmtsein.

      Die Symptome sind insgesamt nicht so schwer, aber sie dauern länger.

      Experten gehen davon aus, dass etwa drei Prozent aller an einer Depression Erkrankten unter Dysthymie leiden. Die Krankheit tritt oft im frühen Erwachsenenalter auf. Frauen sind etwa zweimal häufiger betroffen als Männer. Auch Unverheiratete und Menschen mit einem geringen Einkommen leiden häufiger unter Dysthymie.

       Die Zyklothymie oder Bipolare Störung

      Es geht um den Wechsel von manischen und depressiven Phasen. Die „Major Depression“ und die „Dysthyme Störung“ sind die beiden Störfelder, die in diesem Buch eine große Rolle spielen. Die manische Störebene bzw. die „Zyklothyme Störung“ lasse ich außen vor.

       Zunahme depressiver Störungen

      Depressive Störungen gehören heutzutage zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Depression ist in der Tat eine Volkskrankheit. Alle können befallen werden: Junge und Alte, Reiche und Arme, Manager, Schüler und Angestellte. Schwerwiegende Belastungen mit weitreichenden sozialen Folgen kommen hinzu. Diese Erkrankung betrifft das Zentrum des Wohlbefindens und der Lebensqualität. Sie geht mit einem hohen Leidensdruck einher.

      Wie kommt es zur Zunahme von depressiven Störungen? Mehr als die Hälfte der Deutschen empfindet laut Umfrage den Alltag als stressig. Schuld daran sei in erster Linie die Arbeit. Der Doppeldruck, das Einhalten von Terminen und der Leistungsdruck, sei vorwiegend dafür verantwortlich. Nur 15 Prozent der Menschen, die mit ihrem Lebensweg und den eigenen Entscheidungen zufrieden sind, geben an, häufig negativ gestresst zu sein.

      Die Depression hat viele Gesichter. Mal versteckt sie sich hinter Rückenschmerzen, dann tritt sie in Form von Müdigkeit auf. Immer wieder spielen Angst und Unruhe eine Rolle. Auch kritische Lebensereignisse wie Tod und Scheidung, Arbeitslosigkeit und der Eintritt in den Ruhestand können die Krankheit auslösen.

      Im Buch „Depression – Familie und Arbeit“ heißt es: „Neben der hohen individuellen Belastung zeigt sich die große gesundheitsökonomische Belastung depressiver Störungen insbesondere in einer zunehmenden Nachfrage nach Diagnostik und Therapie. Dies dokumentiert sich beispielsweise in der Zunahme von stationären Behandlungsfällen wegen psychischer Verhaltensstörungen von 1994 bis 2008 um fast 50 %.“ 4

      Die Behandlungskosten für die wichtigsten Störungen Depression und Demenz sind um 32 % gestiegen. Ca. 50 % der Menschen mit Depressionen erhalten laut WHO keinerlei Form der Behandlung. In erster Linie vermutet man ein Vermeidungsverhalten:

      – aufgrund von Scham,

      – aufgrund von Leugnung,

      – aufgrund von fehlenden Angeboten,

      – aufgrund der Unfähigkeit der Behandelnden, die Erkrankung richtig einzuschätzen.

       Depression und Psychosomatik

      Was ist der Unterschied zwischen Trauer und Depression?

      Erholt sich der Mensch rasch, nachdem der Grund für die Trauer wegfällt?

      Der Depressive erlebt keine Symptombefreiung nach kurzer Zeit. Auch Lustlosigkeit kann ein wichtiger Hinweis sein. Oft kommen noch andere Symptome hinzu:

      – ständige Müdigkeit

      – Appetitverlust

      – fehlende wichtige Nährstoffe

      Andere Nebensymptome sind:

      – vermindertes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl

      – Selbstmordgedanken und -absichten

      – Konzentrationsschwierigkeiten,

      – Schlafstörungen

      – Appetitverlust oder gesteigerter Appetit

      Depressionen werden heute als häufigster Grund für lange Fehlzeiten und für Gesundheitsprobleme genannt. Die Depression ist ein Problem des ganzen Menschen.

      Alle Krankheiten sind auch organischer Natur.

      Das Geschehen ist ein multidimensionales.

      Diese Ganzheitlichkeit muss bei der Behandlung im Blick bleiben.

      Nicht nur die Seele ist betroffen, sondern auch der Leib und der Geist. Die Antidepressiva bringen kurzfristig nur eine Unterdrückung der Symptome. Sie bringen keine Heilung. Mehrere Dimensionen müssen berücksichtigt werden: