Dominique Manotti

Schwarzes Gold


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ab und drückt Daquin die Hand, während er ihn mustert. Gegenseitiges Beschnuppern.

      Hinter ihm folgt Delmas, ein kleiner Dunkler von sechsundzwanzig, ein Muskelpaket mit dem Gesicht eines Lebemanns. Er kommt mit leeren Händen, begrüßt Daquin gut gelaunt und nimmt den letzten verfügbaren Schreibtisch.

      Ein paar Willkommensworte, dann sagt Daquin: »Richten Sie sich in Ruhe ein, ich hole solange Espresso, dann machen wir uns an die Arbeit.«

      »Espresso? Woher?«

      »Auf der Etage. Keine Espressomaschine?«

      »Nein, nicht dass ich wüsste.«

      »Dann in der Bar des Hauses. Es gibt doch wohl eine?«

      Grimbert setzt sich mit einer Pobacke auf eine Schreibtischecke, schiefes Lächeln auf den Lippen. »Ja, natürlich gibt es eine, im Keller, die Garage, eine Bar, die die Kfz-Mechaniker der Truppe betreiben. Aber ich muss Ihnen das erklären. Sie sind dort nicht willkommen. Aus einer Reihe von Gründen. Der erste: Es ist das Terrain der Sécurité publique, Beamte in Uniform, die auf der Straße arbeiten, sich aufführen wie die Prolls der Profession. Uns, die Bullen in Zivil, die Ermittler der Kriminalpolizei, betrachten sie als Faulpelze und Intelligenzler, und sie wollen uns in ihrer Garage nicht haben. Zweiter Grund: Sie sind Commissaire, also einer von den Bossen, und kein Commissaire, nicht mal einer der Sécurité publique, ist in der Garage willkommen. Zu guter Letzt sind Sie Pariser. Wenn ein Pariser den Évêché betritt, schrillt im ganzen Haus die Alarmglocke. Das wird sich legen, aber es wird etwas Zeit brauchen.«

      Grimbert spricht mit einem ausgeprägten Marseiller Dialekt. Überspielt, denkt Daquin, oder antrainiert.

      »Ich danke Ihnen, dass Sie mir eine peinliche Situation ersparen. Ich verzichte heute auf Kaffee, das wird schwer, aber ich werd’s schaffen. Und ich werde Mittel und Wege finden, in diesem Kabuff einen elektrischen Espressokocher zu installieren.«

      Ein paar Minuten später machen sich die drei Männer an die Arbeit.

      »Sie wissen, dass wir den Mordfall Belle de Mai geerbt haben?«

      »Ja, der Chef hat uns informiert.«

      »Er hat Ihnen gesagt, dass ich mit Inspecteur Courbet eine Fahrt zum Tatort gemacht habe?«

      »Ja, das hat mich überrascht.«

      »Reiner Zufall, ich kam gerade hier vorbei.«

      »An einem Sonntag?«

      Die Akte mit den Erhebungen am Tatort, ersten Ergebnissen und den Fotos liegt aufgeschlagen vor Daquin auf dem Schreibtisch, der sie Grimbert zuschiebt und fortfährt: »Bei diesem Fall sprechen der Chef und Courbet beide spontan von einer Abrechnung im Milieu. Woran erkennen Sie Abrechnungen im Milieu, Grimbert?«

      »Zunächst die Vorgehensweise der Mörder: Sie halten sich nicht mit Feinheiten auf, veranstalten ein Gemetzel, schießen aus nächster Nähe oder mit einer Automatikwaffe. Auf offener Straße oder an öffentlichen Orten. Am helllichten Tag und mit unverhülltem Gesicht. Keine Spuren, wir sammeln zwar ein paar Patronenhülsen auf, aber die Waffen werden exportiert oder zerstört, im Allgemeinen werden sie nicht zweimal benutzt. Und auch keine Zeugen. Dann die Persönlichkeit der Opfer: Sie töten sich untereinander, im Rahmen von Machtkämpfen. Es gibt zwar manchmal Kollateralopfer, aber das ist schlichtes Pech und wir kümmern uns nicht groß darum … Schließlich und endlich wird keiner der Fälle mit der Identifizierung der Mörder abgeschlossen, schon gar nicht mit ihrer Festabnahme.«

      »Das ist eine detailgetreue Wiedergabe dessen, was ich gestern gesehen habe. Der Chef sagte mir, dass solche Abrechnungen öfter vorkommen. In welchem Rhythmus, seit wann?«

      »Seit letztem September hatten wir fünf, etwa einen pro Monat, mit insgesamt acht Toten. Ich schreibe Ihnen eine detaillierte Notiz, wenn Sie wollen.«

      »Warum diese plötzliche Häufung?«

      »Es ist die Rede von einem Erbfolgekrieg zwischen Zampa und Francis le Belge um die Kontrolle des Marseiller Milieus nach dem Fall des Hauses Guérini.«

      »Wo kommen diese beiden her?«

      »Beide sind Zöglinge von Guérini. Zampa wurde etwas länger bebrütet als Le Belge, er ist erfahrener. Im Moment trägt er allem Anschein nach den Sieg davon, es steht sechs Tote gegen zwei.«

      »Ein Spielstand wie im Tennis«, bemerkt Delmas. »Zampa gewinnt das Set, aber noch nicht die Partie.«

      Daquin beachtet ihn nicht weiter. »Etwas bequem als Erklärung. Ich bin neu hier, ich kenne mich mit der Marseiller Situation nicht gut aus, aber ich weiß, dass die Guérinis, die für Ordnung sorgten, seit mindestens vier Jahren von der Bildfläche verschwunden sind, Antoine wurde 1967 erschossen und Mémé 1969 eingebuchtet. Also warum nach so langer Zeit dieses Wiederaufflackern der Rivalitäten?«

      »Wollen Sie meine Meinung hören?«

      »Selbstverständlich.«

      »Es hat mit der Zerschlagung des Heroinrings in Marseille zu tun, die in Wirklichkeit erst letztes Jahr im Februar begonnen hat, 1972, mit einem sehr großen Fang auf einem kleinen Frachtschiff, der Caprice des Temps, über vierhundert Kilo reines Heroin. Seitdem haben sich die Festnahmen vervielfacht, es ist einiges in Bewegung, und zwar in alle Richtungen, und jeder versucht sich die Situation zu nutze zu machen. Die Banditen verpfeifen ihre Konkurrenten oder Rivalen, damit die Bullen für sie aufräumen und ihnen alles hübsch sauber hinterlassen. Die verschiedenen Polizeidienste verbünden sich mit einem Clan gegen einen anderen, jeder Dienst verfolgt seine eigene Bündnispolitik …«

      »Was erklärt, dass die Ermittlungen nie zu etwas führen?«

      »Die Verantwortung für Ihre Schlussfolgerung müssen Sie selbst übernehmen, Commissaire. Aber Sie sollten wissen, dass Sie in einem Klima gelandet sind, das, sagen wir … Marseille-typisch ist.«

      »Gut. Kommen wir zurück zu unserer Akte Belle de Mai. Keine Spuren, keine Zeugen, einverstanden. Aber ich habe mich in der Gegend umgesehen. Es handelte sich um einen sehr sorgfältig vorbereiteten Hinterhalt. Route und Zeitplan der Opfer waren bekannt. Woher? Es ist unmöglich, die Kreuzung längere Zeit zu blockieren. Jemand hat also ein Startsignal gegeben, und es war mindestens ein Späher in der Nähe der Kreuzung, um das zweite Signal zu geben. Folglich viele Komplizen, deren Spur man möglicherweise verfolgen kann. Welche Mittel zur Informationsweitergabe haben sie benutzt? Ich habe auf dem Boulevard Burel in der Nähe der Kreuzung eine Telefonzelle entdeckt, direkt gegenüber einem Parkplatz vor einem Gebäude. Die Mörder können dort gewartet und das letzte Zeichen über das Telefon in dieser Zelle bekommen haben. Auf dem Boulevard Guigou, weniger als einen Kilometer entfernt, gibt es eine Bar, die sonntags geöffnet hat, und eine Telefonzelle. Das erste Signal kann von einem dieser beiden Punkte aus erfolgt sein. Man kann die von diesen Anschlüssen getätigten Anrufe zurückverfolgen und im Umfeld nach Zeugen forschen. Jetzt zu den Opfern: Mit wem waren sie zu diesem Zeitpunkt verabredet? Mit wem hatten sie Streit? Wer kann sie verraten haben? Was sagen die Angehörigen? Welche Verbindung besteht zwischen den beiden Opfern, Marcel Ceccaldi und dem Jungen? Alle diese Punkte können wir verfolgen. Und dahinter werden sich die Auftraggeber abzeichnen.«

      Grimbert setzt wieder sein schiefes Lächeln auf. »Zweifellos, Commissaire. Aber bevor wir uns in dieses Abenteuer stürzen, gehen Sie zu Richter Bonnefoy. Vergessen Sie nicht, es ist seine Ermittlung, nicht Ihre.«

      Im Gericht empfängt Richter Bonnefoy, ein freundlicher Mann von geruhsamen fünfzig, Daquin umgehend in seinem sonnigen Büro mit Blick auf den Vieux-Port. Er hört sich seinen Bericht des Belle-de-Mai-Massakers und seine Vorschläge zu möglichen Ermittlungsansätzen an. Er macht sich keine Notizen, trommelt mit den Fingern auf seinem Schreibtisch.

      »Commissaire, Sie sind neu hier, wenn ich Contrôleur Général Payet richtig verstanden habe. Wie in jeder anderen Stadt fehlt es Polizei und Justiz hier in Marseille bitter an Mitteln. Und die Kriminalität, unter denen die ehrlichen Bürger leiden, nimmt sprunghaft zu, die Überfälle auf alte Leutchen beim Verlassen von