Edie Calie

3 a.m.


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und glücklich sein und mit einem Lächeln auf den Lippen zugrunde gehen. Ich werde mich mit Burgern und Schokolade vollstopfen, mit jedem ficken, der mich nimmt und an all die Orte reisen, die ich schon immer sehen wollte.«

      Paul blickte nervös in den Spiegel, während er auf seinen Lippen herumkaute. Verdammt, selbst im Spiegel war die Optik verzerrt.

      Während das Speed Sarah offensichtlich eine Offenbarung geschenkt hatte, sorgte Sarah für seinen Horrortrip. Seine Pupillen waren übernatürlich groß und das Gift in seinem Körper ließ ihn nicht in Ruhe nachdenken, während Sarah unaufhaltsam Sachen zusammenraffte. Matthias fing im Nebenzimmer an lauthals zu schreien, was genauso zur langsam aggressiv werdenden Stimmung beitrug, wie die Hip Hop Musik, die aus der Nachbarwohnung drang.

      »Sarah, Liebling. Schau’ mich an! Ich bin es, Paul.« Er hatte Schwierigkeiten seine Beherrschung zu bewahren und liebevoll zu klingen. »Das bist nicht du, das ist das bekackte Speed. Matthias und ich lieben dich, wir sind doch eine Familie. Wenn du mehr reisen willst, können wir doch darüber reden.«

      Scheinbar drangen seine Worte zu ihr durch, denn mitten in ihrem Wahn blieb sie plötzlich stehen und starrte ihn an. Doch anstatt sich zu besinnen, packte sie ihn an den Schultern und schüttelte ihn heftig, während sie schrie: »Die beschissene Welt geht unter! Es gibt keine Moral mehr! Du kannst machen, was du willst, verstehst du? Und genau das mache ich. Ich hab’ keine Lust mehr allen etwas vorzuspielen, also hör’ auf mit diesem Scheiß von wegen Liebe und Familie. Jetzt zähl’ nur noch ich!«

      Wie vom Blitz getroffen fiel sie plötzlich um und schlug sich den Kopf an der Tischkante auf. Sie war bereits tot, als sie den Boden erreichte. Die Obduktion würde später ‚Herzstillstand auf Grund übermäßiger Ausschüttung von Glückshormonen‘ als Todesursache feststellen.

      7 Monate, 8 Tage, 4 Stunden, 1 Minute und 3 Sekunden später entfuhr Paul neben einem Furz auch ein ehrfurchtsvolles: »Sie hatte recht.«

      Recht hatte auch Robbie mit seiner Forderung. Der Pinguin, der sich für eine Robbe hielt und deswegen auf diesen Namen hörte, beschwerte sich zum wiederholten Mal, dass er/sie keine Hauptrolle in der Geschichte spielte. Doch was taugen die Identitäts- und Genderkrisen eines Stofftieres, das abwechselnd in einem Schlafzimmer und einer Handtasche lebt, schon als Hauptthema?

      Hätte er sich für Jesus gehalten, hätte die Sache anders ausgesehen, doch diese Rolle war bereits an einen Menschen vergeben.

      »Jedes Kunstwerk ist eine Zumutung«, stand auf der Treppe und fiel ihr an diesem Morgen zum ersten Mal bewusst auf.

      »Ja, weil das meiste langweilig, unnötig und schlecht ist, was hier als ‚Kunst‘ fabriziert wird«, dachte sie, während sie die Stufen in Richtung Hörsaal 5 erklomm. Sie konnte Kunst nicht ausstehen, weshalb sie die Wahl ihrer Studienrichtung als äußert originell empfand.

      »He! Was für einen Mist schreibst du denn da? Ich hasse Kunst nicht, mir gefällt nur 99 % von dem nicht, was als Kunst bezeichnet wird.« Sie störte sich am Kunstbegriff.

      »Eher an der Gesellschaft, die allen einredet, kreativ und künstlerisch sein zu müssen.«

      Bitte, meinetwegen auch das. Eigentlich ist es ja auch egal, es interessiert sich sowieso niemand für deine Meinung über Kunst.

      »Aha, und warum schreibst du es dann? Das heißt ja auch, dass sich niemand für deine Geschichte interessiert.«

      Stille. Tick tack, tick tack, tick –

      »Hallo? Hier ist deine Romanfigur und will mit dir reden!«

      Ich aber nicht mit dir. Hier kann doch nicht jeder schizoide Anwandlungen haben, glaub mir, meine psychische Verfassung ist fraglich genug.

      »Blödsinn, so schlimm ist es doch gar nicht. Aber ich versteh’ schon, du willst halt auch wichtig und was Besonderes sein.«

      Whatever. Und jetzt?

      »Jetzt muss die Geschichte weitergehen, aber nicht mit mir. Ich komm’ erst später wieder vor.«

      Und mit wem dann?

      »Mit Johnny?«

      Nein, Johnny ist ein Hipster-Trottel, dem das Müsli aus den Ohren rauskommt. Unter uns gesagt, ich kann ihn nicht ausstehen.

      »Du hast ihn erfunden!«

      Nein, hab’ ich nicht. Etliche von denen laufen in Echt da draußen rum, die Stadt ist voll von denen. Außerdem muss ich nicht jeden meiner Charaktere mögen, oder?

      »Hm, dann schreib über dich.« Das interessiert doch niemanden.

      »Mit der Einstellung kannst du gleich wieder mit dem Schreiben aufhören.«

      Vielleicht ein andermal.

      »Wie wär’s mit einem neuen Kapitel?«

      Ich hörte ihr schon gar nicht mehr zu, sondern sah gelangweilt aus dem Fenster. Die Uhr zeigte 3:20, es wäre ohnehin Zeit gewesen ins Bett zu gehen, doch zwei schreienden Katzen im Innenhof erregten meine Aufmerksamkeit. Wenn Katzen schreien, dann klingen sie wie menschliche Babys, erst beim Wurf gegen die Wand zeigen sich Unterschiede.

      Offensichtlich hatte die eine keine Lust mehr das dämliche Spiel der Menschen mitzuspielen und hatte sich selbst aus dem Sack gelassen.

      Warum man die Katze auch sprichwörtlich aus dem Sack lassen kann, habe ich nie verstanden (und zugegebenermaßen auch nie recherchiert). Vielleicht hat es was mit der im Sack gekauften Katze zu tun. Ist das eigentlich die selbe?

      Ich habe generell wenig Verständnis für das Vorkommen von Tieren in Redewendungen, oder für Tiere im Allgemeinen for that matter.

      Wahrscheinlich hat meine Abneigung Viechern gegenüber ihren Anfang genommen, als ich zwischen 6 und 8 Jahre alt war und auf dem Schulweg etliche Nacktschnecken zertreten habe, die den Weg bevölkerten, sobald ein Tropfen vom Himmel fiel. Pfitsch. Pfitsch. Das Knirschen unter den Schuhsohlen fand ich schon damals nicht sonderlich sexy und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass andere Tiere besser klingen, wenn sie zermalmt werden.

      Wie auch immer, ich wollte eigentlich nicht über mich, sondern über die entlaufene Katze schreiben, die später in der Geschichte noch eine Rolle spielen wird, wenn auch keine große. Hätte diese Katze wenigstens Schrödinger gehört, so wäre sie, in einer Kiste verschlossen, lediglich ein theoretisches Problem geblieben und fünf Männer hätten sich erspart, wie verrückt nach diesem Biest zu suchen. Aber ‚verrückt sein und handeln‘ lag, wie man mittlerweile schon mitbekommen haben müsste, immerhin im Trend und in der Luft.

      Die Natur war von dem Aufruhr, der unter den Menschen herrschte, ebenfalls betroffen. Die Blätter und Äste der Bäume hatten plötzlich aufgehört sich zu bewegen. Nicht, weil es windstill war – im Gegenteil, die Medien würden am nächsten Tag von heftigen Stürmen berichten – sondern, weil die Bäume, ähnlich wie die Katze knapp 30 Jahre später, gemeinschaftlich beschlossen hatten, das Spiel nicht mehr mit zu spielen und sich nur noch aus eigener Motivation heraus zu bewegen. Es war 3 Uhr morgens und die Population dieser Stadt würde sich bei Sonnenaufgang um ein paar Prozent verringert haben. Ebenso wie die Bäume, beschlossen nämlich auch die Herzen von Säuglingen aufzuhören, sich zu bewegen. Die Bestattungsunternehmen profitierten davon und verdoppelten ihre Preise für Babysärge. Eine Laune der Natur.

      In launiger Stimmung befand sich auch Paul. »Jetzt hör’ mal genau zu. Ich habe gerade meine Frau und mein Kind verloren. Weißt du eigentlich, was das bedeutet? … Was soll das heißen, das ist schon mehr als 24 Stunden her? Ich muss Matthias’ Beerdigung planen. Ich hab’ wirklich Besseres zu tun, als eine bekackte Schlampe zu vögeln, um das neue Zeitalter einzuleiten. … Ich weiß, dass morgen der 30. ist. Ja, ich weiß … Nein, ich will nicht, dass alles umsonst war, aber –« Paul gab auf. »Okay, verdammt, hol mich morgen wie besprochen ab. … Vertraust du mir nicht? Für einen 4° bist du ganz schön frech, du solltest dir mal überlegen, mit wem du gerade redest. … Ist schon okay, manchmal braucht der Bär einen Schlag auf den Kopf. … Mach mit den Vorbereitungen weiter, ich lern’ jetzt den Text und verschieb’