du angerichtet hast. Und mit jeder Minute, die ich länger hier sitzen muss, werden es mehr.«
»Ich störe ja nur ungern«, meldete sich da Roland zu Wort, der das ganze Gespräch bislang schweigend und mit großen Augen verfolgt hatte. »Ihr denkt bei all dem noch daran, dass uns van Hellsmann soeben ein Ultimatum gestellt hat, ja? Vielleicht wäre es angebracht, zeitnah darauf zu reagieren. Oder wollen wir lieber warten, bis er seine Horden auf uns loslässt und uns erst dann einen Plan überlegen, wenn wir bereits mit dem Rücken an der Wand stehen?«
»Da gibt es nicht viel zu überlegen«, fauchte Sandra. »Ich habe doch bereits gesagt, dass es mir ein Spaß sein wird, mit dem Herrn Professor zu verhandeln. Also macht mich endlich los und verpasst mir diesen scheiß Gürtel, damit wenigstens einer hier das erledigen kann, was getan werden muss!«
»Und wenn wir wieder einen Lockdown auslösen, um die unteren Ebenen abzuriegeln?«, überlegte Roland laut. »Ich finde sicher einen Weg, die Steuerung der Anlage so zu schalten, dass wir wieder die Möglichkeit dazu haben. Dann wären wir vor van Hellsmann und seine Kreaturen sicher und könnten hier oben auf das Frühjahr warten. Und wer weiß, vielleicht fällt uns auch eine Möglichkeit ein, wie wir erneut die Kontrolle über den ganzen Bunker erlangen können.«
»Ich weiß, auf was du hinaus willst.« Steins wiegte bedächtig seinen Kopf. »Es wird jedoch nicht funktionieren. Pieter kennt die gesamte Anlage besser als wir alle zusammen. Er hat faktisch sein halbes Leben hier verbracht, und er weiß sicher eine ganze Reihe von Dingen, an die wir noch nicht einmal im Traum denken. Ich habe keine Zweifel, dass es dir gelingen wird, den Lockdown auszulösen, aber genauso wenig zweifle ich daran, dass Pieter einen Weg kennt, die Sperren wieder aufzuheben oder sie zu umgehen.«
»Könnte stimmen, Doc«, knurrte Roland. »Alle von Menschen geschaffenen Mechanismen haben Fehler, selbst wenn dieser lediglich darin besteht, dass es einen autorisierten Weg gibt, eine Sperre wieder aufzuheben. Wir müssten alle Aufzugschächte, die Lüftung und jede kleinste Ritze regelrecht zubetonieren, und auch dann bin ich mir nicht sicher, ob sich van Hellsmanns Zombies nicht einfach durch den Beton hindurchfräßen.«
»Wenn doch nur Jörg hier wäre«, murmelte Martin.
»Du meinst wegen seiner militärischen Ausbildung?«, mutmaßte Roland. »Die habe ich auch. Ich war lange genug bei dem Haufen, zwar nicht als Offizier, aber auch als StUffz lernt man so einiges über Taktik. Ich teile Franks Einschätzung: Wir können van Hellsmann da unten nicht einsperren, geschweige denn wird es uns gelingen, wieder die gesamte Suite 12/26 unter unsere Kontrolle zu bringen.«
»Davon rede ich doch die ganze Zeit!«, fauchte Sandra. »Anscheinend funktioniert mein Gehirn inzwischen besser als eure. Wir müssen evakuieren, und ich werde diesen Möchtegern-Herrscher lange genug hinhalten, damit es auch klappt.«
»Und wieso denkst du, dass das klappen wird?« Martin sah sie skeptisch an. »van Hellsmann ist nicht blöd, er wird es schnell durchschauen, wenn du auf Zeit spielst.«
»Na und? Was kann mir schon groß passieren? Schau mich doch mal an! Was will er mir denn antun, was mir nicht bereits angetan wurde? Mich töten?« Sandra lachte schrill. »Wenn ich es mir recht überlege, täte er mir sogar einen Gefallen damit.«
»Ich entnehmen deinen Worten, dass du einen Plan hast«, stellte Steins fest. »Dürfen wir erfahren, wie dieser genau aussieht?«
»Ja, ich habe einen Plan, wenn auch erst einmal nur in groben Zügen. Aber er wird funktionieren, denn ich habe in Köln geschworen, die Kinder zu beschützen. Bislang ist mir das gut gelungen, finde ich, auch wenn ich dabei immer wieder gegen Querschläger zu kämpfen hatte.«
Bei den letzten Worten bedachte sie Martin mit einem scheelen Blick, woraufhin dieser den Kopf senkte und betreten zu Boden starrte.
»Also gehe ich jetzt da runter und rede mit dem durchgeknallten Professor«, sprach Sandra weiter. »Außer mir und dem Doc kann sich eh keiner auf Ebene 2 wagen, ohne Gefahr zu laufen, ein Leckerli für einen verirrten Zombie zu werden.«
Martin hob den Kopf und sah Sandra direkt an. »Ich könnte ...«
»Nein danke, du hast schon genug Schaden angerichtet. Ich gehe, und damit basta!«
»Sandra hat recht«, stellte sich Steins auf ihre Seite. »Sie ist die geeignete Unterhändlerin, und sie wird uns die Zeit verschaffen, die wir benötigen, um den Bunker zu evakuieren. Außerdem wird jeder von uns für etwas anderes gebraucht: Roland und Gregor kümmern sich um die Fahrzeuge, Martin nimmt sich der Kinder an, Erich und ich kennen den Weg, der uns hier herausbringt.«
»So ist es entschieden.« Martin nickte, wandte sich ab und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
Steins machte Sandra los und begann dann, unterstützt durch Levi, ihr den Gürtel anzulegen, der sie mit Nährstoffen und Beruhigungsmitteln versorgen würde.
***
Pieter van Hellsmann saß in der Messe auf Ebene 2 und betrachtete die Einrichtung des Raums mit großem wissenschaftlichen Interesse, so als ob er sie nie zuvor gesehen hätte. Sein Blick glitt über die Tische, sezierte förmlich deren Form und Beschaffenheit, während ein weiterer Teil seines Bewusstseins unterschwellig registrierte, dass um die meisten von ihnen je zwölf Stühle standen.
Ein Dutzend also. Auf van Hellsmanns Gesicht entstand ein Lächeln, das vielleicht hintergründig gewirkt hätte, wäre da nicht ein abfälliger Zug um die Mundwinkel gewesen. Obwohl vor Anbruch der neuen Weltordnung offiziell überall das metrische und somit auch das Dezimal-System eingeführt wurde, haben sich die Menschen nie wirklich von überkommenen Dingen gelöst. Auch heute noch messen sie die Zeit in Vielfachen eines Dutzend, statten ihren Hausrat mit je zwölf Gläsern einer Sorte, zwölf Sätzen Besteck und Tellern aus oder messen Dinge in Zoll. Aber ja, offiziell ist jetzt alles dezimal. Dabei frage ich mich ohnehin, warum das eigentlich viel praktischere Zwölfer-System zugunsten des doch recht sperrigen Zehner-Systems aufgegeben wurde. Vermutlich liegt es daran, dass Menschen in der Regel über nur zehn Finger verfügen und das Zehner-System für sie somit im wahrsten Sinne des Wortes begreifbarer ist. Arme Kreaturen! Wie beschränkt ihre Gehirne doch sind.
Ein leise trommelndes Geräusch holte den Professor aus seinen Überlegungen. Für einen Moment wirkte er ein wenig verwirrt, dann machte er seine Finger als Ursache der Störung aus.
Sofort befahl er dem Teil seines Körpers, der sich verselbstständigt zu haben schien, damit aufzuhören. Für einen großen Staatsmann, der er ja künftig sein würde, geziemte es sich nicht, Ungeduld derart offen zu zeigen. Seit Übermittlung seines Ultimatums an die Menschen auf Ebene 1 war noch nicht einmal eine halbe Stunde vergangen. Er wusste genau, dass Jörg und seiner Truppe gar nichts anderes übrigblieb, als mit ihm zu verhandeln, und diesen Teil des Spiels wollte er unter gar keinen Umständen auslassen. Wenn die Menschen schließlich bemerkten, wie seine wirklichen Ziele aussahen, war es für sie ohnehin zu spät. Bislang hatte er am Ende immer das bekommen, was er wollte, und das würde auch diesmal nicht anders sein.
Schnell brachte van Hellsmann seine Mimik wieder unter Kontrolle, denn sein Grinsen schien mittlerweile von einem Ohr zum anderen zu reichen. Er war schon gespannt darauf, ob Jörg selbst kommen oder lieber jemand anderen vorschicken würde, und der Professor wollte dem Unterhändler auf jeden Fall würdig entgegentreten.
***
»Und, wie fühlst du dich?«, erkundigte sich Steins bei Sandra, nachdem er und Levi Kleinmann ihre Arbeit vollendet und die junge Frau von ihren Fesseln befreit hatten.
»Eigentlich auch nicht viel anders als vorher.« Sandra schloss die Augen und lauschte einen Moment lang nach innen. »Okay, der Hunger ist schwächer, aber ich muss immer noch pissen.«
Sie grinste breit, während Levi das Gesicht verzog.
»Der Harndrang ist immer noch da?«, wunderte sich Steins. »Merkwürdig. Aber ich fürchte, wir haben jetzt keine Zeit, dem weiter nachzuspüren.«
»Ja, Herr Kollege, so sehe ich das auch.« Kleinmann nickte zur Bekräftigung seiner Worte.
»Herr