Jork Steffen Negelen

Der Bergboss und die Königskinder: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 3)


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Lumich auch schon hinten auf. Der verzweifelte Kutscher bekam einen Prankenhieb und flog im hohen Bogen vom Wagen. Er schlug auf der Straße auf und wurde von den drei Lumichs im nächsten Augenblick zerrissen. Sein Wagen mit den beiden Pferden raste noch ein Stück weiter. Die Lumichs eilten hinterher und trieben die Pferde von der Straße runter in den Wald. Dort ging es nicht weiter und die armen Tiere wurden von den Bestien zerfleischt.

      Albanarius und Bebo hatten ihre Flugschalen gestoppt und sahen diese barbarische Jagd mit entsetzen. Die Lumichs waren jedoch so schnell, dass den beiden keine Zeit zum Eingreifen blieb. Unterdessen hatten die Bestien die beiden fliegenden Gestalten und ihre Kiste in der Luft bemerkt und sahen ihnen zu, wie sie eine Runde nach der anderen drehten.

      Albanarius zeigte mit seinem Zauberstab auf die mordgierigen Lumichs. »Schau sie dir ruhig an. Diese drei Monster haben schon so manchen guten Kaufmann aufgefressen. Vielleicht war auch mal ab und zu ein Betrüger oder Ähnliches auf ihrer Rechnung. Doch den Tod hatten gewiss die allerwenigsten von Ihnen verdient. Diese Kreaturen sind das Werk von Irrsande. Ich wünschte mir, ich könnte den Fluch dieser alten Hexe von ihnen nehmen.«

      Bebo sah nach unten und erschauerte. Er sah das Blut auf der Straße und ihm fröstelte. Kreidebleich sah er zu Albanarius. »Haben wir kein Mittel um dieses schreckliche Treiben zu beenden? Es muss doch eine Lösung geben?« In Bebo stieg der Zorn auf und er verlieh ihm wieder Farbe im Gesicht. »Was ist Albanarius, kannst du den Fluch von ihnen nehmen?!«

      Der Zauberer sah etwas ratlos aus. »Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Die Flüche von Irrsande sind so stark, dass sie noch nie von einem anderen Zauberer gebrochen wurden. Am besten ist es, wenn wir zum Steinbruch fliegen. Dort rufe ich meine Kammer herbei. In ihr sind wir vor jedem Angriff sicher und wir können in den alten Schriften nach einer geeigneten Lösung suchen.«

      Bebo sah noch einmal hinunter zur Straße. Dort liefen noch immer die drei Lumichs hin und her. Albanarius schwebte dicht neben ihm und rief. »Es hat keinen Zweck hier zu bleiben. Wir können nichts mehr tun. Lass uns zum Steinbruch fliegen.«

      Bebo stimmte traurig zu und schlug mit seiner Schale die Richtung zum Steinbruch ein. Albanarius und seine Kiste folgten ihm. Einige Meilen weiter wendeten sie sich von der Heerstraße nach Norden ab und flogen über dichte Wälder. Dann tauchten die ersten Berge des Drachengebirges auf. Zwischen diesen Bergen, dort wo der Wald endete, lag eine Wiese. Sie führte nach Norden geradewegs zum Steinbruch von Garend.

      Der Kobold landete vor einer alten Hütte. Nur hundert Schritte weiter begann die zerklüftete Wand des Steinbruches. Er war ein Teil eines großen Berges. Anerkennend musterte Albanarius die Hütte. »Nicht schlecht, sie ist zwar alt, aber du hast sie gut instand gehalten. Doch wir werden nicht in deiner Hütte schlafen können. Sie ist zu unsicher. Selbst ein guter Schutzbann würde nicht lange halten.«

      Das wusste Bebo selbst sehr gut. Er sah nur kurz nach, ob noch alles in Ordnung war.

      Albanarius stellte sich auf die Wiese, hob seine Arme, und rief laut einen Zauberspruch. Ein Rauschen war gleich darauf zu hören und ein leichter Wind kam auf.

      Bebo kam aus seiner Hütte und schaute der Landung von Albanarius Kammer zu. Sanft setzte sie auf der Wiese auf und ihre Tür öffnete sich. Die Kiste des Zauberers schwebte sogleich hinein und stellte sich auf ihren alten Platz. Zufrieden lächelte Albanarius. »So ist es Recht. Jetzt ist wieder alles dort, wo es hingehört.« Er sah Bebo an und zwinkerte ihm zu. »Wir machen uns am besten erst einmal ein ordentliches Frühstück und dann lesen wir in den alten Schriften. Wir finden bestimmt etwas Brauchbares für die Lumichs. Vielleicht einen Zauberspruch oder einen Heiltrank.«

      Bebo schüttelte energisch den Kopf. »Nein du alter Zauberer, wir frühstücken und dabei wirst du mir ganz genau erzählen, was es mit den Lumichs auf sich hat. Oftmals ist es so, dass genau das, was man sucht, in der Vergangenheit begraben ist. Also fangen wir mit der Vergangenheit an und du berichtest mir all das, was du vor langer Zeit erlebt hast. Und wehe dir, wenn du etwas auslässt.«

      Albanarius verschränkte beide Arme und beugte sich ein wenig vor. »Na sieh mal einer an. Du willst es also ganzgenau wissen. Doch keine Angst mein kleiner Kobold. Ich spendiere dir das beste Frühstück deines Lebens und ich erzähle dir auch die ganze Geschichte über die Lumichs.«

      Im nächsten Augenblick stellte der Zauberer einen Tisch und zwei Stühle auf die Wiese. Auf dem Tisch entrollte sich ein weißes Tischtuch. Frisches Brot, das noch vor Wärme dampfte, ein Napf mit Butter, eine Pfanne mit gebratenen Eiern und Speck, sowie ein großer Krug mit heißer Milch und Honig standen plötzlich darauf. Der Duft der Speisen zog den beiden in die Nasen.

      Bebo ließ sich jetzt nicht mehr lange bitten. Er setzte sich auf einen der beiden Stühle und roch an der Pfanne. »Albanarius, ich sage es dir ganz ehrlich. Manchmal sind deine Zaubersprüche gar nicht so übel.«

      Die Legende der Lumichs

      Es dauerte nicht lange und von dem Brot und dem Innhalt der Pfanne war nicht mehr viel übrig. Genüsslich trank Bebo die Milch mit dem zuckersüßen Honig und er tupfte sich immer wieder den Mund mit einem Tuch ab.

      Albanarius leckte das letzte Stück Butter aus dem Napf und gab anschließend einen weithin vernehmbaren Rülpser von sich. Er klopfte sich auf den Bauch und belehrte Bebo. »Wenn du so lange wie ich ein Stein gewesen bist, und niemals essen oder trinken konntest, dann wird dir so ein gutes Mal am frühen Morgen als etwas Wunderbares vorkommen. Du spürst so richtig, wie es deinen Geist und deinen Körper belebt. Dagegen bist du als Stein nur ein einfaches Ding. Du spürst nicht mal den Regen auf dir.«

      Bebo winkte ab und entgegnete sachlich. »Diese Geschichte habe ich schon von dir gehört. Jetzt interessiert mich nur noch eine Sache. Ich will von dir wissen, wie die Lumichs entstanden sind. Es wird Zeit, dass du mir davon ausführlich berichtest.«

      Albanarius sah in den leeren Milchkrug und füllte ihn mit einer Handbewegung wieder auf. Dann holte er tief Luft und sah Bebo in die Augen. »Ich weiß, ich habe es dir versprochen. Doch es fällt mir schwer, von den Lumichs zu berichten. Ich muss zugeben, ich bin nicht ganz unschuldig an dem, was sich vor mehr als tausendzweihundert Jahren ereignete. Zu jener Zeit gab es noch sieben Zirkelmagier und der Name Dämonicon war uns kaum bekannt. Die Hexe Irrsande war damals noch eher eine weiße Zauberin. Sie war blutjung und über alle Maßen schön. Ich kannte keinen Mann im ganzen Elfenkönigreich Illwerin, der nicht ihrem Liebreiz erlegen war. Sogar Maragos, der König von Illwerin, liebte die weiße Zauberin mit seinem ganzen Herzen. Heimlich hegte er den Wunsch, sich mit ihr zu vermählen. Es war eine wunderbare Zeit und die Menschen lebten in ihren Königreichen friedlich neben den Königreichen der Elfen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für eine Pracht in Illwerin herrschte und wie diese gigantische weiße Festung in alle Himmelsrichtungen erstrahlte. Um die Festung hatten die Elfen kleine Paläste mit Gärten und Wasserspielen angelegt. Es gab Teiche und Bäche, und in versteckten Eichenhainen flüsterten sich verliebte Pärchen heimlich zärtliche Liebesworte zu. Es war eine herrliche Zeit.«

      Albanarius sah lächelnd zu dem Kobold. »Mein damaliger Herr Kunor, der König von Banda, wollte unbedingt, dass ich ihn zu einem Fest nach Illwerin begleite. Er glaubte wohl, dass ich ihm von Nutzen sein könnte. Auch seine drei Kinder hatte er zu diesem Fest mitgenommen. So um die hundert Menschen war sein Gefolge groß. Inmitten dieser vielen Diener, Hofdamen, Ratgeber und Soldaten reiste mein König in einer prachtvollen Kutsche aus Elfenbein und Gold. Er saß nicht in ihr, nein er lag in ihr auf samtenen Kissen und wertvollen Pelzen. Seine Kinder spielten mit ihm darin und oft genug musste der ganze Tross anhalten, weil die beiden Knaben und das Mädchen Blumen pflücken wollten, oder sich einen Vogel auf einem Baum ansahen. An jenem Tag dachte ich, dass diese drei Königskinder die glücklichsten Wesen in dieser Welt wären. Oh ja, ich gebe es zu, ich war töricht genug, um an das Gute in jedem Geschöpf zu glauben und mit diesem Glauben machte ich vor nichts und niemandem halt. Ich war also ein vom Glück geblendeter Narr.«

      Albanarius nahm einen Schluck von der Milch und wischte sich mit dem Ärmel seines Mantels den fetten Rahm aus seinem Bart.

      Bebo nutzte die Gelegenheit und fragte ihn nach den Namen der Kinder. »Weißt du auch noch, wie sie hießen, diese drei