Die Auswirkung dieser Entwicklung wird für das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Nation bedrohlich.
Umsatzeinbußen bzw. nicht realisierte Umsätze mittelständischer Unternehmen aufgrund von Fachkräftemangel (in Mio. Euro)
Quelle: Ernst & Young
1.2 Erschreckende Zahlen
Eine Hochrechnung des Beratungsunternehmens Ernst & Young (Quelle: www.wdt.de/wirtschaft) geht davon aus, dass schon jetzt über 30 Milliarden Euro Umsatz in mittelständischen Unternehmen nicht erzielt werden, da hierfür die Fachkräfte fehlen. „Wenn 2030 die Babyboomer in Rente gehen, werden wir vor einer globalen Talentknappheit stehen.“ Im Ausbauhandwerk gibt es eine aktuelle Umfrage: Stellt der Fachkräftemangel in den kommenden 12 Monaten ein Risiko für Ihren Betrieb dar? Hier haben 51 % mit „Ja“ geantwortet.
Spüren Sie in Ihrem Unternehmen bereits den Fachkräftemangel?
Quelle: FW Köln (Consult GmbH)
Ich frage mich, was kommt dann erst nach diesen 12 Monaten? Ein existenzielles Risiko für alle Handwerksbetriebe in Deutschland? Die Auswirkungen sind schon jetzt erschreckend. Strack macht deutlich, dass jedes Land und jedes Unternehmen eine neue Personalstrategie benötigt. Da im Handwerk eine weitere Technisierung schnell an Grenzen stoßen wird, bleibt nur, in das – im Handwerk unersetzliche – Kapital Mitarbeiter zu investieren. In der Industrie können voraussichtlich einige Prozesse, an denen heute Menschen beteiligt sind, durch den Einsatz von weiteren Robotern automatisiert werden. Im Handwerk geht das nicht – zum Glück! Ich bin überzeugt davon, dass aus diesem Grund die Wertschätzung der Gesellschaft gegenüber dem herstellenden und dienstleistenden Handwerk massiv zunehmen wird. Wir können sehr gespannt darauf sein, welche Auswirkungen das auf die Preise für Handwerksleistungen haben wird. Sicher ist, dass diejenigen Handwerksfirmen, die über ein gutes (Mitarbeiter-)Team verfügen, vor riesigen Chancen stehen.
Bis 2030 ist es nicht mehr lange. Darum gilt es, ab sofort die richtigen Weichen für die vielversprechende Zukunft des Handwerks zu stellen.
Stellt der Fachkräftemangel in den kommenden zwölf Monaten ein Risiko für Ihre Unternehmen dar? (Anteile der zustimmenden Unternehmen nach Branchen)
Quelle: DIHK
1.3 Fachkräftemangel haben diejenigen, die weitermachen wie bisher
Viele Unternehmer, die einen klassischen Handwerksbetrieb leiten, sind sich noch nicht ganz bewusst, wie schnell sich derzeit der Wandel vollzieht. Die wenigen geeigneten Bewerber, die es jetzt noch gibt, suchen sich den Betrieb aus, in dem sie arbeiten möchten.
Vor wenigen Jahren war das noch umgekehrt. Da konnte man aus zahlreichen Bewerbern den passenden wählen und einstellen. Noch ist das Handwerk nicht gewohnt, sich um Nachwuchs kümmern zu müssen. Dr. Christian Wenzler, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes Schreinerhandwerk Bayern, hat das auf einer Podiumsdiskussion zum Thema Fachkräftemangel so formuliert: „Das Handwerk hat eine dramatische Umstrukturierung im technischen Bereich erlebt. Jetzt findet diese Umstrukturierung auf dem Fachkräftemarkt statt. Wir sind mittlerweile hochtechnisiert, und hochqualifizierte Arbeitnehmer arbeiten im Schreinerhandwerk mit modernsten CNC-Maschinen. Aber die meisten Menschen haben noch das Pumuckl-Image im Kopf. Ich sehe im Handwerk große Probleme beim Thema ‚Image‘. Handwerker? Mein Kind soll es einmal besser haben! Diese Denkweisen sind für das Handwerk in Zeiten des Fachkräftemangels tödlich. Wir können nicht mehr weitermachen wie bisher. Wer seine Stellenanzeigen formuliert wie bisher, wer unvorbereitet in Vorstellungsgespräche geht oder wer es nicht schafft, Verantwortung auf Mitarbeiter zu übertragen, wird bald ein Schild an die Werkstatttüre hängen müssen: ‚Heute wegen gestern geschlossen.‘“
Info zur Person Prof . Dr . Rainer Strack
Rainer Strack ist Senior Partner und Managing Director im Düsseldorfer Büro der Boston Consulting Group. Er leitet die Praxisgruppe Organisation, Change Management und Human Resources (HR) in Deutschland und Europa und das HR Topic weltweit. Seit 2008 ist er Honorarprofessor an der Universität Witten/Herdecke.
Prof. Dr. Rainer Strack hat es mit seinem Vortrag zur globalen Entwicklung der Arbeitskräfte auf die renommierte Internetplattform TED.com geschafft. Bei einer Konferenz TED@BCG der Boston Consulting Group mit mehr als 450 Teilnehmern in Berlin im Oktober 2014 stellte er klar: „Wenn 2030 die Babyboomer in Rente gehen, werden wir vor einer globalen Talentknappheit stehen.“ Strack analysierte die 15 größten Volkswirtschaften weltweit – auch drei der vier BRIC-Länder, nämlich Brasilien, Russland und China, sind von diesem demografischen Wandel betroffen. Außerdem werden in dem Vortrag die Auswirkungen von Technologie und Robotern beschrieben. „Wenn Talente die knappe Ressource sind, muss man dieses Talent viel besser verstehen.“ So fokussiert der zweite Teil des Vortrags auf eine aktuelle Studie zu den Vorlieben von 200.000 Jobsuchenden weltweit. Abschließend wird sehr plakativ dargestellt, dass jedes Unternehmen, aber auch jedes Land eine Personal-Strategie benötigt.
Rainer Strack ist damit einer der ganz wenigen Deutschen, die bei TED. com überhaupt aufgenommen wurden. Und sein Vortrag wurde bereits mehr als 340.000-mal aufgerufen. Er ist zwölf Minuten lang und laut TED ein „data-filled and quite charming talk“ (Quelle: www.uni-wh.de).
2. Hände weg – den will ich!
In vielen Städten und Gemeinden unseres Landes werden mittlerweile Ausbildungsmessen veranstaltet. Wo man früher seinem potenziellen Kunden das Waren- und Dienstleistungsangebot präsentiert hat, buhlen die Betriebe heute um Auszubildende. Längst haben mittelständische Unternehmen und größere Handwerksbetriebe erkannt, dass sie nur an geeigneten Nachwuchs kommen, wenn sie selbst aktiv werden. Die mittleren und kleinen Betriebe stehen dabei massiv im Wettbewerb mit der Industrie. Dort arbeiten ganze Abteilungen daran, Schulabgänger für sich zu gewinnen. Mit durchgestylten Hochglanzbroschüren, Kampagnen in Tageszeitungen, Zeitschriften und Radio werden Ausbildungsplätze schmackhaft gemacht.
Große Investition für ein motiviertes Team | Foto: Udo Herrmann
Bei uns im Ort ist ein Sanitärgroßhandel mit 210 Mitarbeitern ansässig. Dieser hat ein neues Betriebsgebäude errichtet. Während der Bauphase war dort ein Großflächenplakat mit der Aufschrift „Wir bauen für unsere Mitarbeiter“ zu sehen. Das Unternehmen hat ca. 6 Mio. Euro investiert, um seinen Mitarbeitern ein angenehmes Arbeitsumfeld zu bieten. Sie können den Gymnastikraum nutzen, in dem an manchen Tagen auch kostenlose Rückenschulungen angeboten werden. Fitnessgeräte und Leihfahrräder stehen bereit für die sportliche Betätigung in den Pausen oder vor und nach der Arbeitszeit. Tischkicker, Tischtennisplatten und Billard fördern den Teamgeist. In der Cafeteria werden gesunde Gerichte zubereitet. Wer danach müde ist, tankt seinen Körper im eigens eingerichteten Ruheraum beim Power-Napping auf. Stell dir vor, ein Bewerber kommt zu dir und hat vorher bei dem beschriebenen Unternehmen einen Rundgang mit dem Personalchef gemacht. Ich glaube, dann musst du als Chef eines kleinen Handwerkbetriebes ziemlich überzeugende Argumente in der Schublade haben, um diesen potenziellen Mitarbeiter für dich zu gewinnen. Mittlerweile sind die Mitarbeiter in das Gebäude eingezogen. Überall, wo sich Jugendliche treffen, sprechen sie über diesen Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitern so vieles bietet. Auf der Facebook-Seite des Unternehmens wird seit der Einweihung ständig positiv über die Arbeitsplätze berichtet. Für neue Bewerber steht ein Prospekt mit Infos zum Download auf der