wird an einen anderen Mitgliedsbetrieb in der Gruppe weiterempfohlen. Letztendlich ist er vom Werkstoff Holz begeistert und beginnt seine Lehre in der Schreinerei. So ist das Talent zwar im ersten Moment nicht für den eigenen Betrieb gewonnen, aber hat seinen Platz bei einem Partnerbetrieb gefunden. Das System funktioniert natürlich auch umgekehrt. So wird aus dem Interessenten für das Schreinerhandwerk später vielleicht ein tüchtiger Maler. Denkbar ist so eine „Weitergabe“ von Talenten z. B. auch in regional aktiven Gewerbevereinen, in denen mehrere verschiedene Unternehmen organisiert sind. Die Plattformen von Kooperationen und Gewerbevereinen lassen sich auch gut nutzen, um gemeinsam Talente zu entdecken. So kann ein ganzer Ort an einem Tag alle Werkstätten für Schulabgänger öffnen. Sie und ihre Eltern könnten so in die verschiedenen Unternehmen und die dort angebotenen Ausbildungsberufe hineinschnuppern und sich einen ersten Eindruck verschaffen. Schließen sich hier mehrere Firmen zusammen, lässt sich auch ein attraktives Rahmenprogramm mit Bewirtung, musikalischer Unterhaltung, Fachvorträgen und Vorführungen organisieren. Noch fehlt es in vielen Kommunen an Wertschätzung gegenüber denen, die etwas unternehmen wollen und bereit sind, dafür finanzielles Risiko zu tragen. Ihnen werden oft mehr Steine in den Weg gelegt als beseitigt. Ich denke hier z. B. an die langwierigen Baugenehmigungsverfahren, wenn eine Betriebserweiterung durch den Bau eines gewerblichen Gebäudes ermöglicht werden soll. Oder an den zermürbenden Kampf der kleinen Betriebe, um an schnelle Datenleitungen angebunden zu werden.
Praxistipp
Schließ dich einem regionalen Netzwerk aus verschiedenen Gewerken an. Such mit ihnen gemeinsam nach Jugendlichen mit handwerklicher Begabung. Talente in der Kooperation halten, untereinander vermitteln!
Bei uns im unterfränkischen Bürgstadt, einem Weinort mit ca. 4.200 Einwohnern, sitzen bereits Bürgermeister, Schuldirektoren und Unternehmer an einem Tisch, um entsprechende Konzepte auszufeilen. Hier wird erkannt, dass leistungsfähige Kommunen auf erfolgreiche Betriebe angewiesen sind. Umgekehrt werden Arbeitgeber interessanter, wenn die ganze Infrastruktur des Ortes für Arbeitnehmer attraktiv ist. Schließlich sollen sich auch die Familien der Fachkräfte in der Region rund um den Arbeitsplatz wohlfühlen. Nicht zuletzt macht dieses Beispiel auch deutlich, dass der bevorstehende Fachkräftemangel eine neue Dimension bekommt. Nur mit vereinten Kräften von Politik, Fachverbänden, Schulen und Unternehmen besteht die Chance, dass Kommunen und Betriebe weiter so funktionieren, wie wir das aus vergangenen Jahren kennen.
3. Zwei linke Hände
Seit einigen Jahren beobachte ich einen Wandel der Werteeinstellung von den Menschen in meinem Umfeld. Früher habe ich öfter in Verbindung mit dem Handwerk gehört: „Wer macht sich schon gerne die Hände schmutzig?“ oder „Ich habe zwei linke Hände, das muss jemand anderes machen.“ Immer mehr habe ich den Eindruck, dass hier ein Umdenken in der Gesellschaft stattgefunden hat und gerade stattfindet. Wohlhabende Kunden verbringen ihre Freizeit im Garten und bauen dort Küchenkräuter und Gemüse an. Sie schrauben selbst an ihrem Oldtimer, polieren ihn mühevoll auf Hochglanz und sind stolz, wenn sie das gleichmäßige Brummen des alten Motors ihren Freunden vorführen können. Mit schmutzigen Fingern kommen sie aus ihrem Garten oder der bestens eingerichteten Hobbywerkstatt. In Facebook habe ich ein Bild mit ungewaschenen Händen entdeckt. Darauf ist folgender Text zu lesen: „Dreckige Hände sind ein Zeichen für sauberes Geld.“ Ich glaube, dass seit der Bankenkrise wieder dem produzierenden Handwerk mehr Wertschätzung entgegengebracht wird. Ich habe von Philipp Riederle in München anlässlich der Branchenveranstaltung „roomy 2014“ einen Vortrag gehört, dessen Titel lautete „Wer wir sind und was wir wollen“. Darüber hat der 19-Jährige ein tolles Buch geschrieben. Er beschrieb bei seinem Referat eindrucksvoll, was die junge Generation, die vor dem Eintritt in das Berufsleben steht, wirklich möchte. „Wir wollen etwas, das uns Sinn gibt und erfüllt. Es ist wichtig, dass wir unsere Talente entfalten können. Die Bezahlung dafür steht bei uns nicht an erster Stelle.“ Seine Aussagen haben auch meine Beobachtungen bestätigt. „Lerne erst einmal einen handwerklichen Beruf. Die Kenntnisse, die du dabei erwirbst, kannst du in deinem ganzen Leben brauchen. Da kann kommen, was will. Eine handwerkliche Ausbildung ist für alles gut. Da sieht man wenigstens, was man tagsüber geschaffen hat, und kann stolz auf sich sein.“ Immer öfter höre ich solche Sätze, im Freundes- und Bekanntenkreis, aber auch bei Vereinen. Vielleicht tragen dazu auch langsam die Imageprogramme und Kampagnen aus den verschiedenen Handwerksbereichen bei.
In der aktuellen Broschüre einer schwedischen Automarke habe ich folgenden Bericht entdeckt: Supermarkt Stockholm. Zuhause bei Handwerkern. Berichtet wird hier über Hutmacher, Schuster, Uhrmacher und einige andere. Die Reportage (von Ulrika Hammnin und Jens Lorrenson) startet mit folgender Lobeshymne auf das Handwerk: „Lernen Sie Handwerkskünstler kennen, die sich der Massenproduktion verwehren. Es gibt eine Welt der Tradition, in der die Zeit stillzustehen scheint und in der die Qualität der Handwerkskunst die höchste Währung ist.“
Bemerkenswert finde ich, dass diese Beschreibung in einer Kundenzeitschrift der Automobilindustrie zu lesen ist.
Solche Veröffentlichungen tragen dazu bei, dem Ansehen von handwerklichen Tätigkeiten und den Menschen, die solche Berufe ausüben, einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft einzuräumen. Der kann anpacken. „Der verdient gutes Geld mit guter Arbeit“ oder „Von Nichts kommt nichts“. Auch diese Sprüche höre ich immer häufiger.
3.1 Bleibende Werte mit eigenen Händen schaffen
Warum beschreibe ich meine Eindrücke in diesem Buch? Ich glaube, einen positiven Trend für das Handwerk zu erkennen. Einen Trend, den wir für die Gewinnung von Talenten für das Handwerk nutzen sollten. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat deutsche Verbraucher nach ihrem Vertrauen in bekannte Branchen gefragt (GFK Global Trust Report).
Mit großem Abstand zu den zehn anderen Branchen, z. B. Autoindustrie oder Banken, landete das Handwerk mit 85 % mit Abstand auf Platz eins.
Das Vertrauen der Deutschen in Branchen
Quelle: „Global Trust Report 2015“ des GfK Vereins
Schon heute brechen viele Studenten das Studium ab, um als Quereinsteiger im Handwerk etwas mit ihren Händen zu schaffen. Sie haben erkannt, wie bereichernd und erfüllend es sein kann, vor einem selbst realisierten Werk zu stehen. Genau das kann Handwerk bieten! Handwerk braucht junge Menschen, die das verstanden haben und eine hohe Qualifikation mit in unsere Betriebe bringen. Das Vorurteil, dass Studienabbrecher oder Schulabgänger mit Abitur zwei linke Hände haben, kann ich nicht bestätigen. Bisher haben wir in unserem Betrieb zwei junge Männer mit Abitur ausgebildet. Sie sind nicht nur durch eine überlegte Arbeitsweise aufgefallen, sondern waren auch flink und fingerfertig. Sie haben ihre Gesellenprüfungen mit Bestnoten abgeschlossen und sind beide auch noch erfolgreich im Handwerk tätig. Sprüche gegenüber den Auszubildenden wie z. B. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ sollten wir uns im Handwerk schleunigst abgewöhnen. Das wirkt abschreckend und demotivierend. Mehr und mehr ist jetzt ein sensibler Umgang der Ausbildungsverantwortlichen mit den jungen Menschen gefragt.
3.2 Handwerk durch Frauen stärken
Auch das Vorurteil, ein handwerklicher Beruf ist nichts für Frauen, ärgert mich. Ich kenne einige Frauen, vor allem im Malerhandwerk, die ihren männlichen Kollegen in Leistung und Qualität in nichts nachstehen. Da auch Frauen bei der Gestaltung von Wohnung oder Heim immer mehr die Entscheidungen treffen, werden auch Frauen im Handwerk immer wichtiger. Sie kommunizieren oft viel treffender und auf „einer Wellenlänge“ mit Kunden. Ich kenne Malerbetriebe in der Region, bei denen von vielen Kundinnen ausschließlich weibliche Fachkräfte für das Bauvorhaben angefordert werden.
Vom Schlosser aus unserer Handwerkskooperation habe ich eine Aussage gehört, über die ich viel nachgedacht habe. „Seitdem wir eine Schlosserin bei uns ausbilden, benehmen sich unsere männlichen Mitarbeiter viel besser.“ Ich finde das eine interessante Beobachtung. Ein weiter Weg, neben der Gewinnung von Abiturienten oder Studenten, wird