Peter Scherrer

Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in Österreich


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die Forschung heute davon aus, dass Aguntum im 5. Jh. n. Chr. aufgegeben wurde und die Bewohner in die besser zu schützende Siedlung am nahen Kirchbichl bei Lavant übersiedelten.

       Adresse

      Archäologiepark Aguntum und Museum Aguntinum

      Stribach 97

      9991 Dölsach

      Tel. +43 4852/​61550

      E-Mail: [email protected]

       http://www.aguntum.info/

       Literatur

      M. Tschurtschenthaler – M. Auer, Municipium Claudium Aguntum – die frühen Befunde, in: U. Lohner-Urban – P. Scherrer (Hg.), Der obere Donauraum 50 v. bis 50 n. Chr. – Berlin 2015, S. 337–349;

      E. Walde – G. Grabherr, Aguntum − Museum und archäologischer Park, Dölsach 2007.

       Am Kirchbichl liefern sich thesengeleitete Ausgrabungswissenschaft und moderne Mythenbildung zu keltischen Opferbräuchen und spätantiken Festungen seit über einem halben Jahrhundert ein spannendes Match.

      08LAVANT, DER KIRCHBICHL – KUPFERBERGBAU VOM NEOLITHIKUM BIS IN DIE SPÄTANTIKE

       Tirol

      Die Ortschaft Lavant liegt 2 km flussabwärts von Aguntum. Der am südlichen Ortsrand etwa 120 m steil über dem Tal aufragende Kirchbichl (Gipfel bei 812 m ü. M.) bildet mit seinen beiden Kirchen einen markanten Orientierungspunkt im Drautal. Der Kirchbichl war seit dem ausgehenden Neolithikum wegen des in der Umgebung möglichen Kupferbergbaus bis in die späte Latènezeit kontinuierlich besiedelt.

      Ab dem 1. Jh. n. Chr. zog das römische Aguntum die meisten Menschen im Lienzer Becken an, aber bereits im späteren 3. Jh. n. Chr. dürfte der Kirchbichl wieder stärker in den Fokus der Siedlungstätigkeit gerückt sein. Es entstand eine bis in das 6. Jh. n. Chr. bewohnte Siedlung mit einer Reihe von meist zwei- bis vierräumigen, durchwegs mit Fußbodenheizungen ausgestatteten Häusern. Von diesen wurden einige mit gut erhaltenen Boden- und Wandheizungssystemen exemplarisch konserviert und mit Flugdächern geschützt. Eine Gussform (für Bronze) und ein 7 kg schwerer Roheisenblock (jetzt im Museum), die bei einem Schmelzofen gefunden wurden, belegen (wie schon in der Prähistorie) Metallverarbeitung als wesentlichen Zweck der Siedlung.

      Zwischen der fünften und sechsten Serpentine des Aufweges trifft man auf die Überreste einer spätantiken Kirche. Über die genaue Funktion und Datierung der verschiedenen Bauphasen herrscht in der Forschung Uneinigkeit. Die erste Bauphase (Gesamtlänge des Baues 31,6 m) dürfte der ersten Hälfte des 5. Jhs. n. Chr. entstammen. Im Westen bot ein korridorartiger Vorraum drei Zugänge zur Kirche im Osten und einen zum Baptisterium (Taufraum) mit vertieftem Taufwasserbecken im Westen. Der mit Marmorplatten und Säulen prächtig ausgestattete Kirchensaal endete in einer nach Osten U-förmig über 4 m vorspringenden Apsis, neben der zwei kleine sakristei-artige Räume platziert waren. Der Altarraum war mit Schranken umstanden, nach Westen führte daraus ein Steg (solea) zur Kanzel (ambo), im Osten lag die halbkreisförmige Priesterbank.

      Abb. 19 Lavant, Kirchbichl, zweigeteilte spätantike Bischofskirche mit halbrunden Priesterbänken.

      Im späteren 5. Jh. n. Chr. wurde die Apsis im Osten abgetragen und stattdessen ein zweiter, dem Märtyrer- bzw. Reliquienkult gewidmeter Kirchenraum mit einem über einer Reliquiengrube errichteten Altar und halbrunder Klerusbank errichtet. Die ehemaligen Seitenräume wurden zu Begräbnisnischen (für Bischöfe oder Stifter?) umgestaltet. Gleichzeitig oder noch später wurde auch der Altarbereich im alten Hauptsaal stark vergrößert. Der Ausbau (Gesamtlänge nun ca. 42 m) mit Betonung der nur von Klerikern genutzten liturgischen Bereiche dürfte mit der Übersiedlung des Bischofs von Aguntum nach Lavant im Laufe des 5. Jhs. n. Chr. in Zusammenhang stehen. Dabei könnten die Reliquien der alten Bischofskirche nach Lavant übertragen worden sein.

      Die Bischofskirche wurde bis mindestens in das 6. Jh. n. Chr. hinein benutzt, eine späte notdürftige Reparatur wird heute mit einer Zerstörung infolge der Schlacht von Aguntum im Jahr 610 begründet. Damals vernichteten die ins Drautal vordringenden Slawen den bairischen Heerbann, konnten sich aber im heutigen Osttirol anscheinend nicht längerfristig festsetzen.

      Dies ergibt sich auch daraus, dass die etwas oberhalb der spätantiken Bischofskirche liegende, bis heute als Pfarrkirche dienende Kirche St. Ulrich eine ungebrochene Bautradition seit dem 5. Jh. n. Chr. aufweist. Eine einschiffige Kirche (Länge 14,6 m) mit Ostapsis, Priesterbank und außen angesetzten, kleinen, kreuzarmartig vorspringenden Räumen (Annexen) wurde in einer zweiten Phase um 7 m nach Westen verlängert, wohl um die gleichzeitige (?) Verkleinerung des Laienraumes in der Bischofskirche auszugleichen. Im Frühmittelalter wurde nur noch der spätantike Priesterraum als stark verkleinerte Kirche adaptiert, zu der auch ein Friedhof gehörte. Von hier führt das Baukontinuum über zwei gotische Vorgängerkirchen zu dem heutigen barocken Gotteshaus.

      Bei den um 1950 begonnenen Ausgrabungen auf der Bergspitze wurde ein vom Chor der gotischen Kirche St. Peter und Paul überbautes quadratisches Mauerviereck (ca. 8 × 8 m) freigelegt und konserviert. Lange wurde es als Fundament eines gallorömischen Tempels und Zeichen einer bis in die keltische Zeit zurückreichenden Kulttradition gedeutet. Als Argument dafür wurde ein allerdings erst seit dem 17. Jh. nachweisbarer Brauch, zu Ostern einen geschmückten Widder von Virgen nach Lavant zu führen, verwendet. Obwohl die Forschung längst erkannt hat, dass hier der Rest einer mittelalterlichen Burg, vielleicht der Bergfried des 15. Jhs., vorliegt – weitere zu dieser Burg gehörende Gebäude liegen gleich westlich der Kirche – ist diese romantische, aber letzthin völlig aus der Luft gegriffene Deutung in der heimatbezogenen lokalen Literatur noch immer unausrottbar verankert. Auch die ursprünglich als römische Befestigungsanlage angesehene Toranlage und das südöstlich von dieser liegende sog. Haus des Burgkommandanten im unteren Bereich des Kirchbichls (Tor = 3. Serpentine nach dem Museum) dürfen gesichert als Teil einer spätmittelalterlichen Burganlage gelten. Nach heute vorherrschender Meinung stammen alle diese Anlagen aus der Zeit ab 1444, als die Grafen von Görz eine Defensionsordnung (= Regelwerk zur Landesverteidigung) erließen, der auch ihre Vasallen in Lavant zu folgen hatten. Da allerdings bereits 1485 als Weihejahr der Kirche St. Peter und Paul überliefert ist, scheint dieser Burg kein langer Bestand beschieden gewesen zu sein.

      Ein Besuch der Kirche auf dem Gipfel lohnt sich, abgesehen von den Burgruinen, um die herrliche Fernsicht über das Lienzer Becken zu genießen – und auch wegen der in den Mauern und im Altar verwendeten römischen Relief- und Inschriftensteine.

      Abb. 20 Mit einem Schutzdach versehener, beheizter Teilbereich eines spätrömischen Wohnhauses.

       Adresse

      Museum im Untergeschoss der Aufbahrungshalle

      am Fuße des Kirchbichls

      9900 Lavant

      http://www.uibk.ac.at/​klassische-archaeologie/​Grabungen/​Lavant.html;

      http://www.aguntum.info/​?maincontent &mid=20.

       Literatur

      M. Pizzinini – M. Tschurtschenthaler – E. Walde, Der Lavanter Kirchbichl. Ein heiliger Berg in Tirol. Archäologie- und Kirchenführer Lavant, Lavant 2000;

      G. Grabherr – B. Kainrath (Hg.), Die spätantike Höhensiedlung auf dem Kirchbichl von Lavant. Eine archäologische und archivalische