Jugend in den Kriegerstand spricht, da diese jungen Leute ihre richtigen Waffen noch benötigten. Die teuren echten Waffen und Schmuckstücke könnten hingegen im Namen Verstorbener oder als Beute geopfert worden sein. Besonders eindrucksvoll sind zwei plastische Männchen, die Adoranten (Betende) darstellen dürften. In römischer Zeit wurden zunehmend Münzen geopfert, wohl hauptsächlich von Reisenden zur glücklichen Heimkehr oder Rückkehr, ein Brauch, der sich bis in die Gegenwart der abendländischen Kulturen gehalten hat. Mit der Ausbreitung des Christentums im 4. Jh. n. Chr. wurde der Kultplatz aufgegeben.
In der unmittelbaren Umgebung des Brandopferplatzes wurden bereits seit der Frühbronzezeit (erste Hälfte 2. Jt. v. Chr.), also bevor die Verbrennungen von Tieren im großen Stil begannen, wertvolle Metallgegenstände wie Schmuck, Waffen und Werkzeuge (und wohl auch nicht mehr nachweisbare organische Opfergaben), manchmal gemeinsam mit erdigen Brandrückständen (Opferkuchen?), in Felsspalten versenkt. Der Bereich der Pillerhöhe war also schon vor dem Beginn der rituellen Festmähler ein heiliger Ort.
Etwa 1 km vom Brandopferplatz entfernt wurde 2001 am Moosbruckschrofen am Piller von archäologisch interessierten Einheimischen ein besonders umfangreicher und in seiner Zusammensetzung komplexer Bronzeschatzfund der mittleren Bronzezeit entdeckt und von Archäologen sachgemäß geborgen. In einer Felsspalte war ein Keramiktopf versenkt worden, der mit teilweise absichtlich zerbrochenen, teilweise fragmentarischen Bronzegegenständen verschiedenster Art, Waffen, Werkzeug und Trachtbestandteilen gefüllt war: 167 Sicheln bzw. sog. Sichelbarren (genormte Halbfabrikate), 80 Beile, zwei Schwerter, ein halber Helm, Schmucknadeln, aber auch Rohmaterialien wie Gusskuchen und Gussrohlinge, die auf lokales Bronzehandwerk hinweisen. Die Objekte können zwischen 1550 und 1300 v. Chr. datiert werden und belegen den extrem langen Zeitraum von einem Vierteljahrtausend, in dem der Hort zusammengetragen wurde. Wahrscheinlich handelt es sich um eine kultische Deponierung beim Aufräumen eines Heiligtums, eventuell auch, um die Opfergaben vor einem Feind zu verbergen. Vielleicht sind dies die Überreste eines Vorgängers des Brandopferplatzes auf der Pillerhöhe. Das Fehlen von Patina zeigt, dass die Objekte vor der Verbergung sorgfältig aufbewahrt und regelmäßig gepflegt worden sind, wie dies auch aus Heiligtümern im griechischen Ägäisraum bekannt ist.
Abb. 10 Der bronzezeitliche Festplatz auf der Piller Höhe wurde nach Abschluss der Ausgrabungen mit modernen Skulpturen gestaltet.
Adressen
Archäologisches Museum Fließ
Dorf 89
6521 Fließ
Tel. +43 5449/20065
E-Mail: [email protected]
Naturparkhaus Kaunergrat (direkt beim Brandopferplatz Piller Höhe)
Gachenblick 100
6521 Fließ
Tel. +43 5449/6304
E-Mail: [email protected]
Literatur
G. Tomedi, Der bronzezeitliche Schatzfund vom Piller, Fließ 2004 (= Schriften mvsevm FLIESS, Bd. 1); W. Stefan (Hg.), Der hallstattzeitliche Schatzfund von Fließ, Fließ 2008 (= Schriften mvsevm FLIESS, Bd. 2);
W. Stefan (Hg.), Der Brandopferplatz auf der Pillerhöhe bei Fliess, Fließ 2010 (= Schriften mvsevm FLIESS, Bd. 3);
W. Stefan (Hg.), Prähistorische Häuser im Tiroler Oberland, Fließ 2014 (= Schriften mvsevm FLIESS, Bd. 4), S. 44–71.
Die vorrömische Siedlung auf der Hohen Birga wird gerade neu untersucht – und wie so oft, ist alles anders, als es nach den Ausgrabungen rund um den Zweiten Weltkrieg schien.
05BIRGITZ – DIE RAETERSIEDLUNG AUF DER HOHEN BIRGA
Tirol
Auf der Hohen Birga in Birgitz, einem trotz seines Namens kleinen, aber steilen, stark bewaldeten Hügel am nördlichen Ortsrand, befindet sich ein archäologisches Freigelände im unmittelbaren Umkreis der Landeshauptstadt Innsbruck. Ein archäologischer Lehrpfad leitet den Besucher über den Hügel.
Noch heute sind drei künstliche Terrassen zu erkennen, mit denen ebene Siedlungsflächen geschaffen wurden. Überall im Gelände zeigen sich außerdem die Gruben der ehemals in den Hügel eingetieften Gebäude. Bereits 1937/38 und 1954/56 förderten erste Ausgrabungen eine Siedlung der mittleren und späten Latènezeit (3. bis 1. Jh. v. Chr.) mit etwa einem Dutzend raetischen Häusern zutage. Im Zuge der römischen Invasion 15 v. Chr. dürfte das Dorf in Flammen aufgegangen und nie mehr besiedelt worden sein. Der vom damaligen Ausgräber zu Unrecht als Zisterne gedeutete Bau VI entpuppte sich bei neuesten Untersuchungen als Wohnhaus und wird derzeit zur Konservierung vorbereitet.
Abb. 11 Birgitz, Hohe Birga: Blick in Haus X der raetischen Siedlung mit befundgestützter Nachstellung der Holzkonstruktionen im Untergeschoss.
Modern erforscht und für Besucher befundgetreu konserviert ist bisher nur Haus X mit einem typisch gewinkelten, aus schweren Steinplattenmauern gebildeten Zugangskorridor von 6,7 m Länge und 1 m Breite. Diese Trockenmauerkonstruktion mit noch immer annähernd 2 m Höhe dürfte mit großen Steinplatten abgedeckt gewesen sein. Der halb in den Naturboden versenkte Hauptraum des Untergeschosses bot etwas mehr als 20 m2 Fläche und besaß nach dem Grabungsbefund Holzbohlenwände in Blockbautechnik, nach außen wurde das Gebäude aber gegen Hangdruck und Feuchtigkeit durch schwere Steinsetzungen isoliert. Das Obergeschoss ragte wohl ebenfalls in reiner Holzbauweise etwas über das Untergeschoss vor und bildete somit gleichzeitig einen wettergeschützten Vorplatz aus. Die hier erstmals gelungene genaue Beobachtung der raetischen Bautechnik lässt wertvolle Rückschlüsse auf die gleichzeitigen ähnlichen Siedlungen in Nord- und Südtirol sowie dem Engadin zu.
Im Gemeindeamt bietet ein kleines, liebevoll gestaltetes Museum neben dem Fundmaterial auch gute Einblicke in die Arbeitsweise moderner Feldarchäologie mit ihren naturwissenschaftlichen Begleituntersuchungen.
Abb. 12 Schaubild mit dem vermutlichen Aussehen der raetischen Siedlung auf der Hohen Birga auf einer der Informationstafeln vor Ort.
Adresse
Raetermuseum Gemeindeamt
Fundamt Birgitz
Dorfplatz 1
6092 Birgitz
Tel. +43 5234/33233
E-Mail: [email protected]
http://www.innsbruck.info/axamsbirgitz-grinzens/service/infrastruktura-z/detail/infrstruktur/birgitz-1.html
Literatur
http://www.uibk.ac.at/zentrum-alte-kulturen/home/jahresbericht 2009.pdf;
http://www.uibk.ac.at/zentrum-alte-kulturen/home/jahresbericht