Peter Scherrer

Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in Österreich


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ist unklar. Das Hauptgebäude (20 × 20 m) bestand aus neun teilweise beheizbaren Räumen.

      Der einzige sichtbare und zugängliche Befund der römischen Zeit in Bregenz ist die sog. Villa am Steinbühel, die in ihrem erhaltenen Grundriss um 80 n. Chr. errichtet worden sein dürfte und bis in das 2. Jh. n. Chr. genutzt wurde. Die Mauerreste wurden erstmals 1884 von Samuel Jenny untersucht und zwischen 1980 und 1990 beim Bau des City-Tunnels erneut freigelegt und konserviert. Die älteren Deutungen reichen von einer Funktion als Hafenkaserne oder einem Lagerhospital bis zu einem Zentrallager für importiertes Olivenöl und andere Waren. Der äußerst luxuriös ausgestattete, 2.600 m2 große Komplex ist typologisch als Villa suburbana zu bezeichnen und bestand aus 24 Zimmern, die sich um einen 10 × 20,8 m großen Hof gruppierten. Vermutlich war das Hauptgebäude einstöckig und mit einem Satteldach abgedeckt. In einem der Räume fanden sich Reste einer Toilettenanlage. Der Innenhof selbst war zusätzlich an allen Seiten von pfeilergestützten Wandelhallen (porticus) umgeben, die von einem Pultdach abgedeckt waren. Zum Seeufer hin erstreckte sich noch eine Gartenanlage, die ebenfalls von einer porticus mit 2,8 m hohen Säulen umgeben war. Die Eingangshalle im Osten zur Stadt hin wies hingegen 18 Säulen mit wahrscheinlich 5,6 m Höhe auf. Die Wirtschaftsräume befanden sich im Nordflügel des Gebäudes. Knapp nordwestlich stand eine Thermenanlage, die mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls zum Gebäudekomplex der Stadtvilla gehörte. Die Größe und Lage deuten darauf hin, dass der Baukomplex als regionaler Sitz der Provinzialverwaltung diente und hier die zentralen Warentransporte für das Militär ebenso wie die Steuerleistungen der Provinzialbevölkerung gelagert worden sein dürften.

      Abb. 2 Bregenz, Steinbühel (Cityknoten), konservierte Grundmauern eines ausgedehnten römischen Baukomplexes mit zentralem Säulenhof.

      Vom Hafenkastell am Leutbühel, im Bereich der Fußgängerzone im Zentrum von Bregenz, wurden zwar mehrere, bis zu 31 m lange Mauerstücke ausgegraben, doch heute ist davon im Stadtbild nichts direkt sichtbar. Im Straßenpflaster markieren aber farbige Bereiche die bekannten Mauerabschnitte. Dieses Hafenkastell, Brecantia, das zur Kastellkette des Donau-Iller-Rhein-Limes gehörte und den Abschnitt der Reichsgrenze an Oberrhein und Bodensee sichern sollte, wurde unter Valentinian I. (364–375 n. Chr.) errichtet. Das Fälldatum der Bäume, die für den Fundamentrost als Piloten in den Boden geschlagen wurden, liegt nach Jahresringuntersuchungen im Bereich um die Jahre 362–382 n. Chr. Die Ausmaße des Kastells dürften etwa 70 × 50 m betragen haben, die Stärke der Wehrmauern betrug nach Ausgrabungsergebnissen bis zu 4 m. Vermutlich wurde die Anlage an den Ecken noch durch vier große, vorkragende Türme verstärkt. Die Tore lagen im Nordwesten und Südosten der Mauer. Die meisten Kasernen und Zweckbauten im Inneren dürften mit ihrer Rückwand an die Kastellmauer angebaut gewesen sein. Die hier stationierte Truppe wird in der notitia dignitatum (occ 35. 32) als numerus barcariorum bezeichnet; der zu dem damals Brecantia genannten Kastell gehörende primitive Hafen bot etwa 10 Schnellbooten (naves lusoriae) Platz.

      Die zugehörige spätantike Zivilsiedlung lag in der Oberstadt von Bregenz, wo von vielen Archäologen auch ein Kastell vermutet wurde. Da im 3. Jh. n. Chr. die Einfälle der Alamannen zu unruhigen Zeiten für Raetien führten, wurde die Siedlung am Ölrainplateau aufgegeben. Die Bevölkerung zog sich in die Oberstadt zurück, die aufgrund ihrer Lage viel besser zu verteidigen war. Aufgrund der späteren mittelalterlichen Überbauung sind archäologische Befunde jedoch rar. Immerhin wurde an drei Stellen eine 1,5 m dicke Mauer (eines Kastells?) angeschnitten. In der Nähe des späteren Martinsturms wurde eine kleine Badeanlage festgestellt.

      Ein Modell des antiken Ortsbildes, die Funde aus der Siedlung und dem gut erforschten Gräberfeld am Ölrain, einige wichtige Inschriften wie eine Ehrung des jüngeren Drusus, Sohns des Tiberius, oder der Nachweis eines Vereins der italischen Händler, sind im Vorarlberg Museum ausgestellt.

       Adresse

      voralberg museum -

       Kornmarktplatz 1

      6900 Bregenz

       http://www.vorarlbergmuseum.at/

       Literatur

      S. Deschler-Erb – Ch. Ertel – V. Hasenbach, Kaiserkultbezirk und Hafenkastell in Brigantium. Ein Gebäudekomplex der frühen und mittleren Kaiserzeit, Konstanz 2011; J. Kopf, Indizien für Militärpräsenz im frühkaiserzeitlichen Fundmaterial Brigantiums, in: U. Lohner-Urban – P. Scherrer (Hg.), Der obere Donauraum 50 v. bis 50 n. Chr, Berlin 2015, S. 199–216.

       Ein römisches landwirtschaftliches Anwesen mit zahlreichen Gebäuden, die in der Spätantike und im Mittelalter phasenweise als Schmiede fungierten. Wozu aber dienten die einzelnen Gebäude ursprünglich? – Antworten auf eine archäologische Spurensuche.

      02RANKWEIL-BREDERIS, RÖMISCHE VILLA – ZWEI BÄDER FÜR EIN BAUERNHAUS?

       Vorarlberg

      Inmitten einer immer noch vor allem der Landwirtschaft dienenden Ebene im Westen von Rankweil, im Ortsteil Brederis, wurde bereits 1954 ein römisches Gebäude ausgegraben und seine Grundmauern konserviert. Es handelt sich im erhaltenen spätantiken Bauzustand um ein für die römische Kaiserzeit typisches Mittelflurhaus mit zwei Zweiraumgruppen, von denen die südliche beheizt werden konnte und mit einer nach Süden vorspringenden Apsis ausgestattet war. Mitsamt einer heute im konservierten Befund nicht nachvollziehbaren Vorhalle an der Ostseite wies das Gebäude eine Grundfläche von etwa 18 × 20 m auf. Lange Zeit dachte man, das Wohngebäude eines antiken Bauernhofs gefunden zu haben. Im 8./​9. Jh. wurde in den Ruinen ein einzelner erwachsener Mann bestattet, im ausgehenden Spätmittelalter diente das immer noch nutzbare Gemäuer einem Grobschmied; das Haus stand also etwa 1.400 Jahre irgendwie und mit Unterbrechungen in Verwendung.

      Erst von 1997 an wurde über zehn Jahre lang ein direkt nördlich benachbartes Gebäude erforscht, das sich bald als der eigentliche Bauernhof vom weit verbreiteten Typ der Porticus-Eckrisalit-Villa herausstellte. Im Vollausbau des 2./​3. Jhs. n. Chr. lag eine repräsentative, nach außen offene Säulenhalle (porticus) zwischen zwei annähernd quadratischen Wohntürmen (Risaliten) mit jeweils ca. 25 m2 Innenraum. Diese dürften nach Parallelen mindestens ein, eher zwei Obergeschosse besessen haben, der südliche war außerdem im Erdgeschoss beheizt. Zur Vergrößerung des Wohnraums wurde in der Südostecke des Hofes ein weiterer beheizbarer Raum eingebaut. Wie bei vielen solcher Villen gab es auch hier im älteren Bestand des 1./​2. Jhs. n. Chr. nur einen unbeheizten Risalit. Der Einbau von Fußbodenheizungen in Wohnräume ab dem späten 2. Jh. n. Chr. hängt mit einer deutlichen Klimaverschlechterung zusammen, die von der Forschung mit Vulkanausbrüchen ungeheurer Ausmaße bald nach 180 n. Chr. in Neuseeland und Südamerika in Zusammenhang gebracht werden.

      Abb. 3 Rankweil-Brederis, römische Villa: Im Vordergrund das Nebengebäude mit Apsis, in der Bildmitte der auch als Blickfang dienende turmartige Schutzbau über dem Haupthaus.

      Den größten Teil des Gebäudes nahm der ummauerte Hof ein, der in der Spätantike gepflastert und mit einer großen Feuerstelle ausgestattet worden war, und in dessen Umgebung Eisenschlacken auf Schmiedetätigkeiten hinweisen. In früheren Phasen wies der Hof einen Lehmboden auf, was etwa mit einer Funktion als Tenne, zum Trennen von Spreu und Getreidekörnern, in Einklang stünde. Entlang der Hofwände deuten Pfostenstellungen eine innen umlaufende Hallenstruktur an, wohl um Gerätschaften, Vorräte und Brennholz trocken und windgeschützt zu lagern bzw. Kleintierhaltung zu betreiben.

      Im 4. Jh. n. Chr. scheint das südliche Bauwerk die Funktion als Wohnhaus von den Risaliten im Haupthaus übernommen zu haben, es könnte aber auch schon vorher als Wohnraum gedient haben, etwa für das Verwalterehepaar. Dieses bewirtschaftete