befahl Boris. »Wir müssen gleich mal tüchtig ran.« Robby kletterte über Schutt und Quadersteine. In Stücke gehauene Zementrohre, in denen noch stinkende Brühe stand, lagen am Weg, als ob man sie nach einem genauen Plan abgesetzt hätte.
»Vorsicht Brunnenloch!«
Ekelhafte Dornen, Gestrüpp, kilometerweit wie es ihm schien. Die enge Zufahrt nach nirgendwohin war erst im letzten Augenblick zu erkennen. Zwischen Stauden und mächtigen Gummibäumen musste der sturmgepeitschte Nachmittagregen Massen von Schlamm vor sich hergetrieben haben. Robby registrierte Reifenspuren. Wie die nur über den Schutt gekommen waren?
Kindergeschrei drang durch das Dickicht. Noch eine mannshohe Hecke, dann fiel Robby die verrostete Schaukel auf. Dort tobte die Bande der Buben. Jenseits des Spielplatzes gab es nur eine einzelne Behausung, nicht viel mehr, als ein windschiefer Schuppen, unter wild wucherndem Gehölz verborgen. Robby blickte heimlich auf das Weib, das vor der Tür auf einem Schemel hockte. Lebhafte Augen starrten aus einem eingefallenen von einer bösen Flechte verdeckten Gesicht zu ihm herüber.
Die einzige Tätigkeit der Frau – es musste sich um eine Indianerin handeln, wie Robby nicht einen Augenblick lang zweifelte – schien darin zu bestehen, eine riesige Menge Maiskörner in einer Schale aus verkrustetem grauen Ton zu einem Brei zu zerreiben, wobei sie dann und wann in gleichmäßigem Takt auf die Körner stampfte, während sie das Gefäß zwischen den Schenkeln der weit von sich gestreckten Beine in waagrechter Stellung zu halten versuchte.
Robby getraute sich nicht, näher zu kommen und starrte aus ängstlich kalkulierter Entfernung auf den Maisbrei und quälte sich.
Maisbrei! Wie lange schon hatte er das nicht mehr bekommen. Ob sie ihm einen Mund voll abgeben würde? Hundert Tage lang könnte er es danach wieder aushalten. Vielleicht, wenn sie ihm winken würde? Stattdessen fixierte sie ihn immer noch und stampfte nebenher gleichmütig auf den Mais.
Robby machte einen weiten Bogen und wartete abseits, was Boris und Storca in diesem abseits gelegenen Winkel zu suchen hatten. Unterdessen waren die beiden auf das Hexenweib zugegangen, so dass Robby weder die Miene noch Gebärden der Alten verfolgen konnte. Sicher erzählten sie ihr vom Knast und wie sie aus A-17 getürmt waren. Obwohl ... wer durfte schon die Wahrheit sagen?
Ab und zu nickte das Weib und als Storca kurz zur Seite trat, um ihren Papagai auf dem Fensterbrett zu betrachten, meinte Robby zu sehen, dass ihn die Alte von nun ab etwas günstiger beurteilen könnte.
Boris lief unter dem Strohdach der Behausung entlang und gab Robby einen Wink, ihm zu folgen. Das dichte Buschwerk begann unmittelbar hinter dem verborgenen Schuppen und versperrte jeden Blick auf das, was im Halbdunkel des Buschwerks zu erwarten war.
Robby kämpfte mit Dornen und peitschenartig zurückfedernden Tarogazweigen, die ihm dauernd ins Gesicht schlugen, wobei er vorsichtig einen Fuß nach dem anderen aufsetzte. Wenn er beim Ausbruch aus A-17 nur besser auf seine Gummischlappen aufgepasst hätte. Jetzt konnte er zusehen, wie er barfüßig durch die Wildnis kam. Irgendwo plätscherte es. Folglich musste es hier Wasser geben, vielleicht sogar einen Brunnen oder einen kleinen Bach, der vielleicht irgendwo über große Steine stürzte und aus dem man trinken könnte.
»Hier rüber über den Bach!« hörte er leise. Zweifellos, das kam von Storca, der ihn sicher schon die ganze Zeitlang beobachtet hatte. Wow, Reifenspuren! Robby war es unerklärlich, wie der Fahrer mit dem Ungetüm bis hier hergekommen war. Auf jeden Fall stand ein knallroter LKW keine zwei Meter weit vor ihm, doch war das Fahrzeug von mannshohen Büschen und zwei weit ausladenden Gummibäumen so verdeckt, dass man es erst sehen konnte, wenn man mit der Nase auf einen der Kotflügel stieß.
»Robby, wo bleibst du? Hier her.« Boris schien schon ungeduldig zu werden. Also weiter. Er hatte die beiden doch ganz plötzlich aus den Augen verloren.
»Boris ...«
»Schrei nicht so laut, ich stehe doch hier, gleich neben dir.«
Robby drehte sich um in die Richtung aus der die Stimme kam. Durch das grüne Gebüsch sah er schließlich die Mütze und dann das Gesicht.
»Dort rüber.« Wieder stand er mitten in den ekelhaften Dornen. Hinter ihm hörte er ein Buschmesser auf Äste und Blätter aufschlagen. Dann stieß er auf mächtige, von Parasiten umflochtenen Stämme und auf einen kaum handbreiten Pfad, der hier zu beginnen schien.
Boris packte ihn mit beiden Händen an den Schultern und sah ihn aufmerksam an. »Von jetzt an bist du ein Jungskorpion.«
Robby nickte gehorsam und fragte nichts, obwohl er nicht verstehen konnte, was das heißen sollte.
Ein Skorpion also. Hört sich nach Stechen und Beißen an. Sicher.
Auch Skorpione mussten Kinder haben. Schließlich kam niemand groß auf die Welt.
»Wir haben dich doch aus dieser Scheiße geholt, in du dich gesetzt hast, klar?«
Robby wollte wieder nicken, dann jedoch überlegte er. Es war zu blöde immer nur zu nicken, wenn sie etwas zu ihm sagten. Also schluckte er kurz und sagte dann: »Ja«, sah an sich hinunter, glitt mit den Fingern über die aufgerissene Haut an den Oberschenkeln und wischte Blutstropfen weg.
»Sieh mal her. Nur weil wir dich rausgeholt haben ... Deshalb hockst du jetzt nicht mehr in dem Scheißloch. Wer weiß, was die noch alles mit dir angestellt hätten.« Boris wog seinen Kopf und stieß einen Stein zur Seite. »Nun hör mal gut zu! Keinen Ton wirst du sagen von dem, was du da unten, auf A-17 gesehen hast. Kapiert?«
»Kapiert«, flüsterte er leise. »Kein Wort, ich schwör’s!«
»Okay! Hier in Três Rochas wird dir nichts passieren. Du stehst unter unserem Schutz, solange du aufpasst und auf das hörst, was wir dir sagen. Im Übrigen hältst du die Klappe. Ist das klar?«
»Alles klar.«
Er müsse sich sein Leben verdienen, hörte er. Und das gelte hier für alle. Und was es hieß, sich das Leben auf den Morros zu verdienen,
das hatte hier oben jeder von klein auf gelernt. Hier, wo einem die Kugeln jede Woche mindestens einmal um die Ohren pfiffen, und wo einer verdammt gut sein musste, wenn er älter als dreißig werden wollte.
»Du wirst einiges lernen müssen, Junge.«
»Ich werde gut aufpassen.« Robby musste sich gewaltig anstrengen, um das herauszubringen. »Ich schwör’s.«
Boris schien zufrieden zu sein. »Und Mumm musst du bei uns haben, saumäßig viel Mumm!«
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