herum binden konnte. Es sah aus wie eine rote Fliege, wie eine Libelle oder wie ein Schmetterling. Sehr schön. Zudem sollten uns die Eltern ein zusätzliches weißes Hemd kaufen, weil man eines für jeden Tag brauchte.
Der Schuldirektor erklärte uns, wie wichtig es sei, dass wir alle in dieser Uniform sauber und ordentlich aussehen. Es sei eine große Ehre, sie zu tragen. Nun begann er uns Pishahang zu erklären. Oh, wirklich, wir waren alle sehr aufgeregt und neugierig.
„Pishahang ist ein Vorbild für alle. Ihr werdet das Vorbild für andere sein, ihr müsst stets hilfsbereit sein und viele gute Taten tun. Weiterhin werdet ihr während der Schulferien in dieser Uniform gute Dinge für eure Mitmenschen tun. Ihr könnt die Straßenpolizei unterstützen, indem ihr alten Menschen helft, sicher über die Straße zu kommen. Ihr werdet immer aufmerksam sein, wenn Menschen eure Hilfe brauchen. Haltet stets eure Augen auf. Die Uniform verleiht euch die Aufmerksamkeit. In den Sommerferien werden Camps für euch eingerichtet, die das Ministerium mitfinanziert. Hier lernt ihr dann Pishahang aus anderen Städten kennen, auch aus anderen Ländern Asiens. Liebe Kinder, das war meine heutige Botschaft an euch. Geht nach der Schule nach Hause und sprecht mit euren Eltern. Sie müssen ihr Einverständnis in der Schule abgeben, damit wir wissen, wer von euch bei dieser wunderbaren Idee mitmacht. Die Kopfnoten eurer Zeugnisse, Moral und Erziehung, werden bei der Auswahl, wer mitmachen darf, einbezogen, also seid stets brave Schüler.“ Der Schuldirektor verabschiedete sich und unser Lehrer sagte laut und bestimmend: „Barpa.“ Wie Soldaten standen wir auf und durften uns erst setzen, als sich die Tür hinter dem Schuldirektor schloss.
Und schon ging das Getuschel los. Nasrin, die neben mir saß, flüsterte mir ins Ohr: „Das ist genial! Ich spreche nach der Schule mit meinen Eltern, sie sollen mir diese Uniform kaufen.“
Nasrin war mir unangenehm. Ständig belästigte sie mich. Ihre Eltern waren sehr reich, aber sie war nicht nach meinem Geschmack und hatte, so vermutete ich, einen schlechten Charakter. Immer wieder versuchte sie mich anzulächeln, aber ihr Gesicht gefiel mir gar nicht. Das Mädchen zwei Reihen vor mir gefiel mir umso besser, wollte aber nichts von mir wissen. Oft versuchte ich, ihre Sympathie mit meinem Lächeln zu gewinnen. Vielleicht war sie schüchtern oder in einen anderen Jungen verliebt. Ich schlug oft die Hand vor den Kopf, weil ich diese hübsche Mitschülerin nicht erobern konnte und mir stattdessen Nasrin dauernd auf die Nerven ging. Auch wenn ich es nicht verstand, war ich in das Mädchen zwei Reihen vor meinem Platz verliebt. Platonisch. Wir waren alle ungefähr dreizehn Jahre alt. Also Kinder.
Nach diesem Tag lief ich verträumt nach Hause. Ich hatte Hunger und fragte mich, ob meine Mutter meine Lieblingsspeise gekocht hatte. Ich würde ihr gleich von der Pishahang-Idee des Schuldirektors erzählen. Ich träumte so vor mich hin, dachte, wie ich in dieser Uniform aussehen und was ich Gutes tun würde. Die Worte des Schuldirektors beflügelten meine Fantasie. Doch einige Meter vor unserer Haustür kehrte ich in die Gegenwart zurück und überlegte, wie ich die Ausgaben für die Uniform zuerst meiner Mutter erklären würde, die dann meinen Vater von dieser wunderbaren Idee überzeugen musste. Ich wollte natürlich erst einmal nur die Uniform erwähnen und nicht, dass ich in den Sommerferien nach Nischapur fahren würde. All die zusätzlichen Ausgaben wollte ich erst später erwähnen, nachdem ich diese Uniform hatte. Man durfte nicht mit der Tür ins Haus fallen, sonst bekam man gar nichts. Aber mir war all das wichtig. Ich war neugierig und gespannt darauf, andere kennenzulernen.
Bevor ich das Haus meiner Eltern betrat, roch ich schon von draußen das leckere Essen. Ich erkannte am Geruch, was es gab. Ich hatte großen Hunger. Meine Mutter war gerade dabei, sich nebenan die Hände zu waschen, sodass ich in der Küche schnell die Töpfe kontrollieren konnte. Nur kurz hob ich die Topfdeckel an, da wusste ich schon, es war meine Lieblingsspeise. Fast hätte mich meine Mutter dabei ertappt, ich konnte gerade noch rechtzeitig die Küche verlassen, um meine Schultasche in den Flur zu legen. Ich freute mich so sehr, dass sie Reschte-Plau gekocht hatte. Schnell rief sie mich und meine Geschwister, die im Hof spielten. „Los, los, Kinder setzt euch an den Zefre. Wir essen gleich!“
Es dauerte nur wenige Sekunden, da saßen wir auch schon wie Vögelchen am Zefre und genossen dieses wunderbare Mahl. Meine Mutter fragte, wie es in der Schule gewesen sei. Aber wir Kinder konnten nicht antworten, weil wir den Mund voll hatten und genussvoll kauten. Die Augen meiner Mutter freuten sich über dieses Lob und sie bat uns: „Lasst noch etwas für euren Vater übrig.“
Nach dem Essen sprach ich mit ernsthaften Worten zunächst mit meiner Mutter. Mein Ziel war es, ein stolzer Pishahang zu werden. Meine jüngeren Geschwister schickte ich zum Spielen in den Hof, heute sollten sie die Hühner und den Truthahn füttern. Wir Kinder tauften vier Mal im Jahr einen neuen Truthahn, weil diese Tiere zu besonderen Anlässen wie Ramadan, Nouruz oder einem anderen besonderen Ereignis wie beispielsweise der Geburt eines neuen Geschwisterkindes geschlachtet wurden. Mein Vater fütterte den Truthahn manchmal mit Walnüssen, damit er groß und kräftig wurde. Das Tier war etwas ganz Besonderes. Einmal erklärte mir meine Mutter, dass dieser Truthahn sieben verschiedene Sorten Fleisch hätte. Aber für uns Kinder war es eigentlich ein hässlicher Vogel, außer er landete im Brattopf und wir alle freuten uns, ein besonderes Essen auf unseren Tellern zu haben.
Ich hatte meinen Kopf voll mit den Neuigkeiten aus der Schule, und weil meine Geschwister im Hof beschäftigt waren, konnte ich nun allein mit meiner Mutter sprechen. Ich war sehr aufgeregt. „Mama, Mama, heute war der Schuldirektor in unserer Klasse.“ Ich umarmte sie in meinem Enthusiasmus und verlieh damit, meiner Freude Ausdruck, dass sich etwas Neues in der Schule anbahnte. „Wir werden alle neue Kleidung bekommen, eine Uniform, dann wirst du stolz auf mich sein. Ich werde wie ein General aussehen. Einen Hut werde ich tragen und einen roten Schmetterling um meinen Hals haben. Alle Kinder sind begeistert.“ Ich gab ihr einen Kuss und umarmte sie noch einmal, wie es nur ein Kind, das etwas erreichen wollte, tun konnte.
Sie antwortete: „Wenn dein Vater heute Abend nach Hause kommt, werde ich ihm das mit der Uniform erzählen, und wenn wir das Geld dafür haben, glaube ich, können wir das machen. Aber dein Vater verdient das Geld, ich sorge nur für unser Essen. Wenn wir das machen, musst du immer ein guter Junge sein, gute Schulnoten nach Hause bringen und deinen Geschwistern bei den Hausaufgaben helfen.“
Mir war bewusst, dass ich die Uniform ohne irgendwelche Bedingungen, die meine Eltern an mich stellten, nicht bekommen würde. Also war mein Plan genau richtig: Erst einmal die Uniform ansprechen und dann die Urlaubsreise nach Nischapur. Meine Mutter wollte spät am Abend mit meinem Vater darüber sprechen, sie machte sich extra hübsch für das Schlafengehen. Irgendwann war ich so müde, dass ich ins Bett ging und träumte. Im Traum trug ich die neue Uniform und das Mädchen zwei Reihen vor mir grüßte mich voller Bewunderung und flirtete ein wenig mit ihren schönen Augen.
Am nächsten Morgen beim Frühstück – mein Vater war bereits auf dem Weg nach Teheran, um neue Waren zu bestellen, sein Bus war um 5.00 Uhr abgefahren – verkündete meine Mutter: „Mein lieber Junge, wir werden dir diesen Wunsch erfüllen.“ Sie lachte, weil sie genau wusste, sie erfüllt mir meinen Traum. Sie sagte: „Ich gehe heute Mittag in deine Schule, melde dich für die Uniform an und werde unterschreiben, dass du Pishahang werden darfst.“ Dann ergänzte sie: „Dein Vater ist auch damit einverstanden.“
Was war ich glücklich! Ich rannte in die Schule, neugierig, ob die Eltern von Jewad auch ihr Jawort gegeben hatten. Aber am meisten interessiert mich das Mädchen zwei Reihen vor mir. Ob sie wohl auch in den Sommerferien mit nach Nischapur fahren durfte? Aber das wussten ja meine Eltern noch nicht. Die Uniform und die Unterschrift meiner Mutter waren erst einmal wichtiger.
Meine Mutter kam wie versprochen in die Schule, schrieb mich für Pishahang ein, bezahlte meine Uniform und nahm sie gleich mit nach Hause. Die erste Anprobe fand abends statt, als mein Vater von der Arbeit kam. Meine Eltern freuten sich und ich sah aus wie ein General in dieser hübschen Uniform – wohl wissend, dass ab sofort nur gute Taten von mir erwartet wurden.
In der Zeit bis zu den Sommerferien präsentierte ich auf dem Schulweg stets stolz meine Uniform. Es war ein anderes Gefühl, zu einer Gruppe zu gehören, die den Menschen half und die beachtet wurde. In unserer Stadt gab es verschiedene Aktionen für die Pishahang und wir waren eine Gemeinschaft.
Kurz vor den Sommerferien bekamen