Liselotte Welskopf-Henrich

Zwei Freunde


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geben?«

      »Was heißt Grund geben? Wir sind nicht verlobt. Aber das macht mir ja Spaß, was Sie da sagen! Dabei benimmt er sich wie … wie … Hat mich wieder furchtbar geärgert. Korts … nee … das macht mir ja Spaß.«

      Fräulein Hüsch stellte die Knie noch etwas kühner. »Sind Sie auch eifersüchtig?«

      »Nicht dazu veranlagt, Gnädigste.«

      »Sie machen bloß andre eifersüchtig, ja? Sag’n Sie, kommen Sie auf den Ball?«

      »Wenn Sie hingehen …?«

      »Hi – vielleicht komme ich. Man muß sich den Jahrmarkt doch mal anschaun. Sie ham übrigens eine phantastische Krawatte … so diskret …«

      Fräulein Hüsch rutschte vom Schreibtisch ab und kam näher, um die Krawatte zu besichtigen und ein wenig zurechtzurücken.

      »Wo ham Sie die her?«

      »Von Schneider und Luck.«

      »Von … Ach, das ist nicht von hier. Schade! Ham Sie sich die selber ausgesucht?«

      »Nein, Gnädigste. Ein Geschenk meiner jüngeren Schwester. Mein Hemd, um es gleich zu gestehen, habe ich mir jedoch selbst gekauft, bei Fritz Friedrich, im ›Haus des Herrn‹!«

      »Hi-hä … Sie wissen sich anzuziehen. Gehn Sie hier mit Ihrer Freundin einkaufen?«

      Wichmann rauchte und schwitzte. Was war zu tun mit einem solchen Weibe? Sie hätte einen frechen Kuß verdient. Aber das war ja nur das, was sie wollte … und dann im Dienstzimmer? Wenn zufällig jemand die Tür öffnete, war er der Unverschämte gewesen. Nein, meine Liebe, so haben wir nicht gewettet. Grevenhagen … nicht auszudenken.

      »Sind Sie immer so kalt?«

      »Steinklumpen, Gnädigste, Steinklumpen. Nichts als Büroseele.«

      »Das sag’n Sie so reizend. Sie sind doch kein Spießer?«

      »Reiner Typ, Gnädigste …«

      Als es fünf Minuten vor zehn war, sah Wichmann sich erlöst.

      »Ach, zur Sitzung … Na, viel Vergnügen! Auf Wiedersehen! Und horchen Sie mal, ob der Korts wirklich eifersüchtig ist! Dann mach’ ich den ja verrückt.«

      Als Wichmann mit Lotte Hüsch zusammen das Zimmer verließ, traf er auf dem schlecht beleuchteten Gang den eben Genannten und Casparius, die ihn zur Sitzung abholen wollten. Fräulein Hüsch lachte kokett, und Korts machte eine Verbeugung von ironischer Grandezza; bei der Untersetztheit und Steife seines Körpers wirkte die Bewegung aber wirklich komisch.

      »Also dann … bis nachher!«

      Die Bibliothekarin mit den vielfältigen Sprachkenntnissen und dem Onkel, der Reichstagsabgeordneter war, entschwand den Blicken.

      Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, schienen der graue Läufer und der lange Korridor ihre amtliche Würde wiederzugewinnen. Wichmann erinnerte sich seines Versäumnisses. Er hatte die beiden Mitarbeiter nicht von den Ergebnissen seines nächtlichen Nachdenkens unterrichtet, wie er kollegialerweise hätte tun müssen.

      Zu dumm! Wichmann hatte ein schlechtes Gewissen. Hätte er das Frauenzimmer einfach ’rausgeworfen! Sollte er sich nun bei Korts damit entschuldigen, daß die Hüsch über eine Stunde mit hochgestellten Knien auf seinem Schreibtisch gesessen habe?

      Die gepolsterte Zwischentür war offen, und Grevenhagen empfing stehend die Näherkommenden. Neben Ledersofa und Klubsessel waren noch sechs Stühle im Oval geordnet und ließen auf die Zahl der Sitzungsteilnehmer schließen, die erwartet wurden.

      Wichmann wurde einem noch nicht bekannten Herrn vorgestellt; wie er vermutet hatte, war es Nischan. Der Assessor empfand gegen diesen Namen, der wie eine schlechte Aussprache seines eigenen wirkte, eine Abneigung. Es war etwas Schneckenschleimiges, sich Windendes daran, besonders, wenn man das »sch« weich klingen ließ. Aber der Mann, der den Namen tragen mußte, schien sich wohl damit zu fühlen. Seine naturgelockten Haare wellten sich frisch gewaschen in die Höhe, seine farblosen schmalen Lippen lächelten ohne Aufhören, während er neben Grevenhagen Belanglos-Witzelndes dahinzuschwatzenversuchte. Man stand endlich schweigsam herum, Akten unter dem Arm, in der halb losen, halb gespannten Haltung der kurzfristigen Erwartung. Es war eine Minute nach zehn Uhr.

      »Kommt Boschhofer?«

      »Der Ministerialdirektor ist unterrichtet, Herr Nischan, er weiß noch nicht, ob er die Zeit erübrigen kann.«

      »Aha …«

      Im Vorzimmer rührte es sich. Ein hoch gewachsener Herr mit militärischem Stimmfall und seine beiden jüngeren Begleiter, mit auffälligen Schmissen, legten dort ab und kamen dann auf Grevenhagen zu, sehr aufrecht, sehr sicher, mit einem Schritt und einem Blick, der Wichmann an hohe militärische Kommandostellen erinnerte. Die Herren begrüßten Grevenhagen mit beherrschtem Lachen als alte Bekannte. Sehr nebenbei wurden Nischan und die jungen Assessoren mit den Herren des Staatsministeriums bekannt gemacht. Korts wurde rot.

      »Erwarten Sie noch jemand, Grevenhagen? Oder können wir schon anfangen? Bei Ihnen sind ja alle Besprechungen kurz und bündig, weißer Rabe in heutiger Zeit.«

      »Wir können wohl anfangen …«

      Herr von Linck ließ sich in den Klubsessel fallen, er zog die bügelgefalteten Hosenbeine eine Kleinigkeit höher, um die Knie nicht durchzudrücken, und studierte den Auszug, den Wichmann schon kannte.

      »Das ist ja schon wesentlich mehr, als wir für diese Vorbesprechung erwarten konnten.«

      »Boschhofer hatte mich dahin unterrichtet, daß das Staatsministerium für heute die Vorlage der abgeschlossenen Reform verlangt.«

      Linck wandte ruckartig den Kopf und sah den Sprecher aus großen Augen an.

      »Na, sagen Sie mal … Tatsache? Ein ganz grobes Mißverständnis! Ich habe unsern Chef gleich darauf aufmerksam gemacht, daß er sich lieber unmittelbar an Sie wenden möchte, wenn ihm an einer glatten Zusammenarbeit gelegen ist. Abgeschlossene Reform? Man soll es nicht für möglich halten! Lassen wir diese Torheiten. Ich werde hier in Ihren Ausführungen weiterlesen … Da ist ja eigentlich alles zusammengefaßt, was sich jetzt zu der Sache sagen läßt.«

      Der Kommandoblick ging in die Runde. Wichmann beobachtete, daß Korts und Casparius auch Durchschläge der Verhandlungsunterlagen erhalten hatten. Ein Glück, sie wußten trotz Wichmanns Nachlässigkeit Bescheid. Gleichgültig, daß sie nun glauben mußten, die Kern- und Schlußidee stamme ausschließlich von Grevenhagen.

      »Ganz einverstanden«, entschied von Linck. »Haben Sie einen Verbindungsmann, mit dem sich mein Regierungsrat über die Einzelheiten laufend unterhält?«

      »Assessor Dr. Wichmann …«

      Der Genannte wurde verlegen. Er wußte, daß Korts sich jetzt ärgerte, obwohl die Entscheidung in der sachlichen Arbeitsteilung begründet war.

      »Sehr angenehm«, sagte von Linck.

      Grevenhagen bot eine Kiste Zigarren einer Bremer Firma an. Die Herren nahmen sich alle. Die edle Form, das makellose Deckblatt ließen den nicht alltäglichen Genuß vorausahnen. Mit kleinen Lichtpünktchen glühten die Spitzen auf, der erste Aschenkegel bildete sich, und der Duft füllte das Zimmer. Man rauchte in genußreichen Zügen. Von Linck sah nach der Marke.

      »Grevenhagen, dafür komme ich öfters zu Ihnen.«

      Grevenhagen bewahrte die wachsende Asche. »Herr Korts … Sie notieren bitte kurz das Ergebnis unserer Besprechung unter Beifügung meiner Stellungnahme, von der wir ausgegangen sind. Die Herren vom Staatsministerium erhalten je ein Stück des Protokolls, oder wünschen Sie mehr … Nein, genügt … Ein Stück geht an den Ministerialdirektor …«

      Die Tür tat sich auf.

      »Ah … meine Herren … freut mich sehr, Sie noch alle beieinander zu finden! Bitte sich gar nicht stören zu lassen. Aber nein, Herr Kollege, ich bin mit einem bescheidenen Platz