dich auch“, erklärte er.
Als sie sich dann zur Begrüßung umarmten, fühlte sie sich auch ganz anders an, und er merkte, dass er einen trockenen Mund bekam. Sie roch nach frischen Blumen, und er widerstand dem Drang, seine Nase in ihr Haar zu stecken und daran zu schnuppern.
Was um Himmels willen ist denn bloß los mit dir? Hätte sie gewusst, was er gerade dachte, wäre ihm ein sehr fester Klapps auf den Arm sicher gewesen.
Als Paige sich wieder von ihm löste, empfand er eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung.
Aus der Nähe stellte er jetzt fest, dass auch ihr Gesicht erwachsener aussah. Die weichen, fast kindlichen Rundungen waren ausgeprägteren und interessanteren Zügen gewichen. Ihre Nase war mit Sommersprossen übersät, und ihre Lippen kamen ihm voller vor.
Aber vielleicht war ihm das bisher ja auch nur nie aufgefallen.
Diese Lippen verzogen sich jetzt zu einem kessen Grinsen, mit dem sie sagte: „Hey, du starrst mich ja an.“
Er wurde rot, rieb sich verlegen den Nacken und sagte: „Du … du hast dich irgendwie verändert … bist größer geworden.“ Und es gab noch viele weitere Änderungen, an die er lieber nicht denken wollte.
Aber sie zuckte nur mit den Achseln und bemerkte wie beiläufig: „Ja, kann sein, dass ich ein paar Zentimeter gewachsen bin.“ Dann kniff sie die Augen ein wenig zusammen, musterte intensiv sein Gesicht, und ihm blieb nichts anderes übrig, als es zuzulassen.
„Sind das da Barthaare? Versuchst du etwa, dir einen Bart stehen zu lassen, Callahan?“
Er rieb sich über das stoppelige Kinn und entgegnete mit gespielter Empörung. „Was soll denn das heißen? Ich versuche gar nichts. Das ist ein Bart.“
Es ging also doch noch! Jedenfalls klang dieser Wortwechsel schon wieder ziemlich normal.
Sie lachte. „Ich weiß ja nicht, ob ich das so bezeichnen würde, aber es ist auf jeden Fall ein mutiger Versuch.“ Und mit diesen Worten ging sie an ihm vorbei und stieg anmutig ins Boot. „Komm, lass uns losrudern. Ich freue mich schon seit Wochen darauf.“
Riley war den ganzen Abend abgelenkt. Er versuchte zwar, sich einigermaßen normal zu benehmen, aber innerlich fühlte es sich alles andere als normal an. Als Paige dann den Vorschlag machte, das Basketballspielen auf ein anderes Mal zu verschieben, war ihm das deshalb nur recht. Er brauchte Zeit für sich allein, um die seltsamen Gedanken, die er da hatte, zu analysieren und wieder loszuwerden.
Aber mehr Zeit für sich allein half auch nicht. Irgendetwas hatte sich verändert. Er hatte es bemerkt und konnte nicht mehr so tun, als wäre alles wie früher. Im Laufe der darauffolgenden Tage sorgte das, was er beobachtete, dafür, dass sich auch seine Gefühle für sie änderten. Doch das Schlimmste daran war, dass für Paige offenbar alles war wie immer. Er hatte genug mit anderen Mädchen zu tun, um zu merken, wann bestimmte Schwingungen im Spiel waren, und Paige behandelte ihn wie immer – wie ihren besten Kumpel Callahan eben.
Den ganzen Herbst hindurch bis in den Winter hinein wünschte er, dass alles wieder normal und wie früher würde. Er flehte Gott an, doch bitte dafür zu sorgen, dass diese neuen Gefühle wieder weggingen, aber so oft er sich deshalb selbst fertigmachte, sie blieben – und zwar ebenso hartnäckig wie stark.
Er verbarg sie hinter den vertrauten kumpelhaften Rempeleien, high-fives und Anreden wie Kumpel oder Buddy, und Paige schien auch tatsächlich nichts davon zu merken. Dafür dankte er Gott auf Knien, denn wenn sie es herausfände, würde nur alles merkwürdig und peinlich werden, sie würde wahrscheinlich auf Abstand gehen, und er würde ihr leidtun. Schon allein den Gedanken daran fand er unerträglich.
Er hatte drei Möglichkeiten, die er immer wieder durchspielte, bis er am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen hätte.
Erstens: Er konnte Paige sagen, was er empfand, mit dem Risiko, sie dann für immer zu verlieren.
Zweitens: Er konnte auf Distanz gehen und ihnen dadurch beiden die Möglichkeit einer Beziehung nehmen.
Drittens: Er konnte weiter so tun, als ob alles wäre wie immer und still für sich leiden.
Keine dieser drei Möglichkeiten gefiel ihm, aber nur bei einer davon bestand die Chance, dass wenigstens so etwas wie eine Beziehung bestehen blieb. Und an ein Leben ohne Paige wollte er gar nicht denken.
KAPITEL 7
„Alles in Ordnung? Geht es dir gut?“, fragte Dylan sie.
Paige blickte von dem Lachs auf, an dem sie mit ihrer Gabel herumstocherte, und zwang sich zu einem Lächeln. „Ja, klar, alles gut. Das Essen ist köstlich.“ Sie aß einen Bissen und erkundigte sich, wie ihm sein Hummer schmeckte.
„Hervorragend“, antwortete er, wischte sich den Mund ab, trank einen Schluck von seiner Cola und fragte sie: „Habt ihr diese Woche irgendein Tier aus dem Tierheim vermitteln können?“
„Nur eine einzige Katze“, sagte sie bedrückt. Sie dachte an all die verlassenen Tiere in den Zwingern und an den riesigen Garten hinter Dylans Haus. Sie sollte ihn dazu überreden, einen Hund aufzunehmen. Die braune Labradorhündin würde gut zu ihm passen, und er hatte auch genügend Platz für sie, doch irgendwie hatte sie nicht die Energie, das Thema anzusprechen.
„Bist du ganz sicher, dass alles okay ist?“, fragte er noch einmal und betrachtete sie eingehend. „Du kommst mir so … still vor heute Abend.“
„Das liegt bestimmt an dem Mittel gegen Seekrankheit. Auf Folly Shoals Essen zu gehen war wirklich eine gute Idee von dir. Ich bin gerne hier, weil es mir immer vorkommt, als lägen Welten zwischen Summer Harbor und der Insel.“
Doch in Gedanken war sie die ganze Zeit auf dem Festland geblieben, und auch während des Fußweges vom Hafen zu dem Lokal mit dem leckeren Essen hatte sie Riley einfach nicht aus dem Kopf bekommen.
So viel Mühe er sich auch gab, jedem ein lächelndes Gesicht zu zeigen, es war nicht zu übersehen, dass es ihm nicht gut ging, und heute Abend war er ziemlich am Ende gewesen. Sie musste gestehen, dass sie Schuldgefühle hatte, weil sie ihn allein gelassen hatte, obwohl ihm deutlich anzumerken gewesen war, dass er mit seiner Situation nicht gut zurechtkam. Und nicht genug damit, dass sie ihn allein gelassen hatte, sie hatte ihn auch noch deutlich ihre Ungeduld spüren lassen.
Wie ein verletztes Tier war er ihr vorgekommen, wachsam und auf der Hut, und als sie versucht hatte, ihm zu helfen, hatte er sie angefaucht. Sie hatte sich schon mit großer Geduld und Fürsorge um so viele Tiere gekümmert und sie nicht nur medizinisch versorgt, sondern auch getröstet und beruhigt, aber den allerbesten Freund, den sie auf der Welt hatte, hatte sie erst angeschnauzt und dann sich selbst überlassen.
Ganz tief in ihrem Innern war sie immer noch sauer auf ihn, weil er sie verlassen hatte, obwohl ihr klar war, wie dumm das war. Doch dieses Wissen bewirkte nicht, dass das Gefühl verschwand.
Ihre Schuldgefühle setzten ihr jetzt dermaßen zu, dass sie plötzlich absolut keinen Appetit mehr hatte und die Gabel hinlegte.
Da stützte sich Dylan mit den Ellbogen auf die Tischplatte, verschränkte die Hände unter dem Kinn und sagte: „Was ist los, Paige?“
Sie rang sich ein Lächeln ab und antwortete: „Tut mir leid. Ich war mit meinen Gedanken woanders.“
„Ist es etwas, worüber du reden möchtest?“
Sie schaute ihm in seine braunen Augen, die wirklich ein bisschen verträumt aussahen – und nachdenklich. Er war ein guter Zuhörer, und sie hatte auch schon all ihre Sorgen wegen des Tierheims bei ihm abgeladen. Geduldig hatte er zugehört, als sie ihm von Spendenaktionen und Finanzierungslücken erzählt hatte. Wieso sollte sie da nicht auch über ihren besten Freund mit ihm reden? Riley war