Denise Hunter

Bis ich dich endlich lieben darf


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konnte eigentlich nichts dafür, dass sie direkt nach ihrer Ankunft in der Stadt durch ihren „Alleinstehende-Frau-auf-der-Flucht-Status“ Beaus Aufmerksamkeit erregt hatte, denn Beau hatten Frauen in Schwierigkeiten schon immer wie magisch angezogen.

      Es stimmte, dass Paige verletzt gewesen war, als Beau mit ihr Schluss gemacht hatte, aber es war ja tatsächlich so, dass die Zeit so manche Wunde heilte und für mehr Klarheit sorgte. Beau war nämlich wirklich nicht der Richtige für sie gewesen. Dazu hatte es zwischen ihnen einfach nicht genug gefunkt. Und Paige brauchte Funken.

      „Bist du wegen der Junggesellenversteigerung so in Gedanken?“, fragte Lucy. „Hast du deine Meinung darüber geändert?“

      „Nein, nein. Es ist eine großartige Idee. Es ist nur …“ Sie seufzte, zog ihre Hand unter Lucys weg, begann an ihrer Serviette herumzuzupfen und fuhr fort: „Es läuft nicht besonders gut mit Riley. Er ist so gereizt, was ja absolut verständlich ist, will keine Hilfe von mir annehmen, und ich habe das Gefühl, dass wirklich alles, was ich sage und tue, falsch ist. Ich habe eigentlich immer gedacht, ihn gut zu kennen, aber im Moment habe ich absolut keine Ahnung, wer er ist.“

      „Ach, Schätzchen“, sagte Lucy. „Da irrst du dich bestimmt. Er hat einfach viel durchgemacht. Schon allein der Kriegseinsatz kann ja viel anrichten bei einem Menschen, aber zusätzlich muss er ja auch noch mit dem traumatischen Verlust seines Beines fertigwerden. Es wird bestimmt besser mit der Zeit.“

      „Das weiß ich ja, und ich bin auf jeden Fall für ihn da, solange er mich braucht, aber es ist so schwer, das Gleichgewicht zwischen Versorgen und Überversorgen zu finden. Er kann überhaupt nicht zulassen, dass ich mich um ihn kümmere, und in letzter Zeit stößt er mich nur noch von sich weg.“

      „Wird er denn auf irgendeine Weise psychologisch betreut? Hat er einen Therapeuten?“, fragte Lucy.

      „Bis jetzt noch nicht, aber nächste Woche hat er den ersten Termin. Ich hoffe, es hilft ihm.“

      „Bestimmt“, sagte Eden. „Mir hat die Therapie auf jeden Fall dabei geholfen, meine erste Ehe und die Folgen zu verarbeiten. Ein emotionales Trauma fordert eben seinen Tribut, aber er schafft das bestimmt, wirst sehen.“

      „Hey!“, sagte Lucy. „Riley sollte einer der Junggesellen sein, die zur Versteigerung angeboten werden.“

      Bei dieser Vorstellung wand sich Paige innerlich und sagte schließlich: „Also ich weiß ja nicht. Ich finde, er sollte sich lieber auf seine Therapie konzentrieren. Und bei der Laune, die er zurzeit hat, wirkt er auf Frauen wahrscheinlich eher abschreckend.“

      „Das soll wohl ein Witz sein“, widersprach Lucy. „Was könnte denn wohl anziehender sein als ein gut aussehender, grüblerischer Exmarinesoldat? Die Damen werden sich um ihn reißen, und das muntert ihn bestimmt auf.“

      „Vielleicht hat sie recht“, meinte Eden. „Ein bisschen weibliche Aufmerksamkeit könnte doch genau das Richtige sein, um sein Ego etwas aufzupäppeln. Und außerdem würde er dadurch auch noch helfen, Geld für den guten Zweck zusammenzubekommen. Angeblich soll es doch das eigene Wohlbefinden fördern, Gutes zu tun.“

      „Ja schon, aber …“ Paige suchte nach einer überzeugenden Ausrede, doch ihr fiel nichts mehr ein.

      „Wenn ihr wollt, kann ich ihn auch fragen“, bot Lucy an.

      „Nein, nein, ist schon gut. Ich … ich mach das schon“, wiegelte Paige ab.

      „Kommt, wir tragen mal ein paar Namen von Kandidaten zusammen, die dafür infrage kämen“, schlug Eden jetzt vor. „Wir teilen sie dann zwischen uns auf und fragen sie im Laufe der nächsten Woche, ob sie bereit sind, mitzumachen. Wenn wir uns dann das nächste Mal treffen, haben wir eine Liste von freiwilligen Opfern – äh – ich meine, Teilnehmern.“

      „Das Erste ist wahrscheinlich zutreffender“, meinte Paige grinsend.

      Sie fand den Gedanken, Riley zu fragen, ob er bereit wäre, bei einer Junggesellenversteigerung mitzumachen, alles andere als lustig.

      KAPITEL 9

      Riley knotete sich das Handtuch um die Hüften, lehnte sich an den Unterschrank des Waschbeckens und tauchte den Rasierer ins Wasser. Nach dem Debakel vom vergangenen Abend hatte er irgendwie das Bedürfnis, reinen Tisch zu machen, und sein Gesicht war dafür der geeignete Schauplatz. Der Spiegel war nach dem Duschen beschlagen, und er öffnete die Badezimmertür, die in sein Zimmer führte, damit der Dampf entweichen konnte.

      Er hatte sich Paige gegenüber gestern Abend wirklich wie der letzte Idiot aufgeführt. Wie kam es eigentlich, dass jetzt am Morgen alles so anders und dermaßen klar aussah? Nur weil er ihretwegen so durcheinander war, hatte er noch längst nicht das Recht, sie schlecht zu behandeln. Sie hatte ja keine Ahnung, dass ihm die räumliche Nähe zu ihr dermaßen zusetzte und es die reinste Folter für ihn war, mit ansehen zu müssen, wenn sie mit Dylan ausging. Sie versuchte ja nur, ihm zu helfen.

      Der Rasierer machte ein kratzendes Geräusch, als er sich über sein stoppeliges Kinn fuhr. Beim Einatmen der feuchtwarmen Luft im Bad stellte er fest, dass es dort immer irgendwie nach Paige roch, wenn er geduscht hatte. Auch das Bettzeug roch noch nach ihr, obwohl es gerade frisch gewaschen war. In ihrem ganz privaten Bereich zu leben, war eine ganz besondere Form der Quälerei.

      Er fragte sich, wo Paige wohl heute Morgen sein mochte, und hoffte, dass er sie nicht aus ihrer eigenen Wohnung vertrieben hatte.

      Er hatte nach dem Aufstehen seine Übungen gemacht und fühlte sich jetzt innerlich rastlos. Er war es so leid, hier festzusitzen. Der Gedanke, unter Leute zu gehen, versetzte ihn zwar auch nicht gerade in Hochstimmung, aber er musste hier raus und irgendetwas tun. Ob es für einen Job noch zu früh war?

      Es fiel ihm zwar schwer, es einzugestehen, aber er wusste nicht, ob er dazu schon genügend Kondition hatte, denn nach seinen Übungen und dem Duschen war er jetzt völlig erledigt. Sein Herz schlug schon schnell und heftig, wenn er nur aufrecht stand, und in seinem Beinstumpf pochte es.

      Außerdem konnte er weder Auto fahren noch längere Strecken gehen, sodass er auf andere angewiesen war, wenn er irgendwohin wollte.

      Er spülte jetzt den Rasierer ein letztes Mal kräftig ab, wusch sich das Gesicht und tupfte es dann mit dem Handtuch trocken. So, das war schon viel besser. Wenn er sich nur auch so normal fühlen würde, wie er aussah.

      Und jetzt kam der ganz besondere Leckerbissen – das Anziehen. Er griff nach seinen Krücken und humpelte in sein Schlafzimmer.

      Als er dort aus dem Augenwinkel eine Bewegung an der Tür wahrnahm und hinschaute, sah er Paige, die mitten in der Bewegung, an die Tür zu klopfen, erstarrte.

      „Oh, tut mir leid“, sagte sie, während ihr Blick abwärtsging und er noch gerade wegschauen konnte, bevor sie den bloßen Stumpf erblickte, der unter dem Handtuch hervorragte. Das war sicher kein schöner Anblick, und er wünschte, er hätte das Handtuch weiter nach unten ziehen können, um ihn zu verbergen, aber dann hätte er andere Körperteile entblößt, die sie ganz bestimmt nicht sehen wollte.

      Er biss die Zähne zusammen und ging weiter zur Kommode. „Wie war dein Vormittag?“, fragte er und war froh, dass sein Ton liebenswürdiger klang, als er sich fühlte.

      „Ich habe …“ Sie wendete sich ab, räusperte sich und fuhr fort: „Ich war mit den Mädels frühstücken – also mit Lucy und Eden.“

      „Das klingt doch gut“, sagte er und zog eine Kommodenschublade auf. Dann ging sein Blick zum Spiegel, der über der Kommode hing, und er sah darin, wie Paige seinem Blick auswich und an ihrem obersten Blusenknopf herumnestelte.

      Bereitete ihr der Anblick des nackten Beinstumpfes ein solches Unbehagen, oder war sie nur unsicher wegen ihrer Auseinandersetzung am Vorabend? Noch einmal liefen in seinem Kopf seine