geplündert worden war. Wertvolle Votivgaben, vermutlich auch Kleider, Schmuck und Goldschätze, die bei hohen Würdenträgern üblicherweise beigelegt wurden, fehlten. Die Grabräuber waren nicht zimperlich: Der Kopf und der rechte Arm des Toten waren brutal vom Rumpf getrennt worden. Was von den Dieben als unwichtig zurückgelassen wurde, waren ein Holzsarg mit den sterblichen Überresten von Prinz Sabu, Knochen von Stieren, Kupferwerkzeuge, Behälter mit Feuersteinen, Pfeilspitzen, Töpferwaren, leere Elfenbeindosen, jede Menge Tonscherben und ein merkwürdig geformtes „schalenartiges Gefäß“.
Dass der Gegenstand in der Gruft zurückgelassen wurde, ist ein archäologischer Glücksfall. Sein Fundplatz liegt im Herzen der Grabkammer, genau dort, wo man eigentlich Prinz Sabus Totenschrein vermutet hätte. Als Walter Bryan Emery die Fragmente des Utensils erblickte und untersuchte, wurde ihm bewusst, dass er auf etwas Außergewöhnliches gestoßen war. Er setzte die einzelnen Bruchstücke fein säuberlich wieder zusammen und war über das Ergebnis verblüfft. Die Restaurierung offenbarte eine technisch anmutende „Rundschale“ aus Schieferstein: Sie misst 61 cm im Durchmesser, hat eine maximale Höhe von 10 cm und besteht aus drei symmetrisch nach innen gefalteten „Lappen“, die am „Telleraußenrand“ ringförmig miteinander verbunden sind. Der Grundriss mit den drei „Flügeln“ stimmt zufällig genau mit dem bekannten internationalen Warnzeichen für Radioaktivität überein. Winzige Schleifspuren am Relikt verraten, dass die Oberfläche mit feinkörnigem Steingummi spiegelglatt poliert wurde. Die Mitte des kreisrunden Gebildes besitzt eine zentrale Bohrung wie bei einem Rotationskörper. Dieser röhrenförmige Mittelpunkt hat einen Durchmesser von 10 cm und weist zwei parallele Rillen auf. Nur eine Verzierung oder waren sie als Drehverschluss gedacht, der zu einem Gegenstück gehörte?
„Steuerrad“ aus einem 5000 Jahre alten Grab?
1980 sah ich das ominöse Artefakt erstmals im Ägyptischen Museum im Original ausgestellt, allerdings ohne nähere Angaben über seine Herkunft und Bestimmung. Museumsbesucher, die in den Jahren danach das „Propellerrad“ besichtigen wollten, wurden enttäuscht. Es verschwand für einige Zeit aus den Augen der Öffentlichkeit. Inzwischen ist das Kuriosum wieder Teil der rund 150 000 ausgestellten Schaustücke und trägt die offizielle Katalognummer „JE71295“. Sofern nicht durch Umgestaltung oder Auslagerung in das neue Grand „Egyptian Museum“ in Giseh verändert, sollte das Unikum im Obergeschoß, Saal 43 („Frühzeit“), zu finden sein. Eine originalgetreue Replik ist in der Schweiz zu sehen: im Orient-Pavillon des „Jungfrauparks“ (ehemals Mystery-Park) in Interlaken. Walter B. Emery notierte in seinem Grabungsbericht: „Für das seltsame Design dieses Objekts konnte bislang keine zufriedenstellende Erklärung gefunden werden.“ Optisch erinnert der Fremdkörper an ein Lenkrad, eine Art Propeller oder an eine Schiffsschraube. Aber was hat so ein „Ding“ der Moderne in einem 5000 Jahre alten Grab zu suchen?
Eine „Wunderschale“ im Hightechdesign
Materialanalysen ergaben, dass die radialsymmetrische Konstruktion sorgfältig aus einem einzigen Schieferblock herausgeschnitzt wurde. Das Gestein ist mit Kupferwerkzeugen, Feuerstein, Meißel, Schaber und Handbohrer leicht zu bearbeiten. Der Nachteil: filigrane Elemente können bei unsachgemäßer Handhabe schnell brechen oder zersplittern. Unbestreitbar bleibt aber, dass uns der Hersteller mit der eigenwilligen „Schüssel“ ein beispielloses Meisterstück frühzeitlicher Steinbearbeitung hinterlassen hat. Kaum vorstellbar, dass ihm dies ohne vorherige Berechnung und geometrische Schablonenhilfe glückte. Warum aber in ausgeklügelter Propellerform?
1994 legte ich dem ehemaligen NASA-Projektleiter Josef F. Blumrich (1913 – 2002) Fotos des seltsamen Fundes vor und wollte seine kompetente Meinung dazu wissen. Ingenieur Blumrich, Mitkonstrukteur der Saturn-V-Mondrakete, antwortete mir brieflich: „Wie so oft sind alte Dinge doch sehr interessant anzusehen. Über dem von Ihnen gesandten Material habe ich wiederholt gesessen und auch die Anmerkung dazu gelesen. Auf den ersten Blick sieht die Schale wie etwas ‚Technisches‘ aus; aber ich habe keine Ähnlichkeit mit irgendeinem tatsächlichen technischen Detail finden können.“
Neugierig geworden, wollte der Raketenexperte von mir wissen: „Im Übrigen ist die Formgebung des Objekts von einer geradezu raffinierten Schönheit; war in dem Grab sonst nichts von irgendeiner Bedeutung?“ Das bleibt Spekulation. Niemand weiß, ob den Grabschändern und Plünderern Gegenstände in die Hände fielen, die vielleicht das Geheimnis der „Luftschraube“ hätten preisgeben können.
Das original „Schwungrad“, ausgestellt im Ägyptischen Museum in Kairo. Was war sein Zweck?
Die ägyptologische Fachwelt vermutet in dem geschnitzten Kunstobjekt einen „kultischen“ und „religiösen“ Hintergrund. Der „Sockel einer rituellen Öllampe“ wird genauso in Erwägung gezogen wie der Stabaufsatz einer „Kultkeule“ oder eines „Zepters“. Eine praktische Anwendung halten die meisten Gelehrten für unwahrscheinlich. Das zerbrechliche Material würde einer starken Belastung, etwa bei der Hypothese als funktionierende „Schiffsschraube“, nicht lange standhalten. Das gab auch Josef F. Blumrich zu bedenken: „Schiefer oder der im Grabungsbericht erwähnte Alabaster sind beide ziemlich weiche Gesteine, die wegen ihrer raschen Abnutzung bei ernsthafter Verwendung technisch kaum brauchbar wären.“ Der Raketenkonstrukteur schloss die Möglichkeit einer Nachbildung nicht aus, bedauerte jedoch, dass er dazu „leider keine Vergleichsmöglichkeit“ besitze. Dass das Steinobjekt „die Form eines ursprünglich metallischen Objektes kopierte“, vermutete auch der britische Ägyptologe Cyril Aldred (1914 – 1991).
Der falkenköpfige Gott Sokar, hier mit Pharao Thutmosis III. abgebildet, ist der Schutzpatron der Nekropole Sakkara.
Vor 5000 Jahren? Hergestellt in einer Gussform aus Kupfer? Die berechtigte Frage nach Zweck und Herkunft wäre damit noch brisanter. Dazu ein mythologischer Tipp: Der mächtige Schutzpatron der Nekropole Sakkara war der Totengott Sokar. Wie Horus wurde er als Himmelsfalke dargestellt, der Erscheinungsform des regierenden Königs. Überliefert ist, dass bei seinem jährlichen Fest ein nicht näher beschriebener „Kultstein“ auf einer geschmückten „Sonnenbarke“ gestanden haben soll. In einer feierlichen Prozession wurde das heilige Relikt „um die Mauern“ von Memphis gezogen. Sokar genoss außerdem besondere Verehrung als Schutzgott der Metallarbeiter und Handwerker.
Rund wie eine „fliegende Untertasse“
Sucht man nach technischen Vergleichsobjekten zum Wunderwerk aus Sakkara, fällt einem am ehesten noch die Ähnlichkeit mit einem „Schwungrad“ auf. Diese diskusförmigen Maschinenelemente aus Metall sind auf der rotierenden Kurbel einer Maschine oder einem Motor aufgesetzt. Sie speichern Bewegungsenergie und regulieren die Rotationsgeschwindigkeit der Geräte. „Schwungräder“ kommen in einem Spielzeugkreisel genauso zur Anwendung wie bei Moped, Auto oder Bahn. Sie sind auch Bestandteil der Raumfahrttechnik und dienen Satelliten bei der Stabilisierung. Das Grundprinzip zur Erhaltung des Drehimpulses wurde bereits vor rund 6000 Jahren mit den ersten Schwungscheiben zum Töpfern erkannt.
Ist Prinz Sabus „Wunderschale“ die Nachbildung eines Navigationsinstruments?
Dem US-Autor und Orientalist Zecharia Sitchin (1920 – 2010) ließ die archäologische Anomalie aus Sakkara keine Ruhe. Er suchte Rat beim Raumfahrtkonzern Lockhead und der Flugzeugbaufirma AiResearch, die neue, leistungsstarke „Schwung“- beziehungsweise „Flugräder“ für die Industrie entwickeln. „Auf meine Anfrage hin übersandte mir AiResearch Fotografien ihres Flugrades sowie eine Informationsmappe mit seinen kompletten